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Zweiter Weltkrieg Hemingway 1945

„In Hürtgen gefroren sie einfach. Sehr sonderbar“

Als die Amerikaner 1944 in den Hürtgenwald zogen, sahen sie sich schon am Rhein. Es folgten fatale Fehlentscheidungen und eine fünfmonatige Schlacht. Ernest Hemingway gab darin den Helden.

58.220 Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften: Das ist die offizielle Statistik der Todesopfer, die Amerika in seinem Vietnamkrieg von 1956 bis 1973 zu beklagen hatte. Mehr als ein Fünftel davon betrugen die Verluste, welche die USA 1944/45 innerhalb von fünf Monaten im Hürtgenwald hinnehmen mussten. Hier, in der Nordeifel östlich von Aachen, schlugen die Amerikaner nach dem Urteil eines Beteiligten die „verlustreichste und schlechtest geführte Schlacht“, die „unsere Armee (in Europa) geschlagen hat“.

Der Hürtgenwald ist ein knapp 150 Quadratkilometer großes Areal, das als letztes Hindernis auf dem Weg ins Ruhrgebiet erschien. Nach der Einnahme Aachens im Oktober 1944 wollte eine US-Division ihn im Handstreich besetzen, um von dort weiter nach Osten vorzustoßen. Aber der Wald erwies sich als dicht, abweisend, tödlich.

Granaten zersplitterten an den Bäumen, „Baumkrepierer“ zerfetzten Baumkronen, herabstürzende Äste und Holzsplitter waren gefährlicher als moderne Projektile. Der Boden war mit vergrabenen Minen übersät. Und überall lauerten die Deutschen. Scharfschützen in den Bäumen, Soldaten in verborgenen Unterständen. Und dann der Schnee, die unerbittliche Kälte eines strengen langen Winters. Ortsnamen wie Schmidt, Großhau und Hürtgen haben sich tief in das amerikanische Gedächtnis eingeprägt.

Die Schlacht im Hürtgenwald war zusammen mit der etwas später beginnende Ardennenoffensive das letzte große Gefecht, das die Amerikaner auf dem europäischen Kriegsschauplatz zu bestehen hatten. Es war die Geschichte einer fatalen Entscheidung, sagt der Aachener Historiker Peter Quadflieg.

Mörsergranaten schlugen in Sturmtrupps ein und sprengten Männer samt den Sprengladungen, die sie mit sich führten
US-Divisionsbericht

Statt direkt über Düren vorzurücken, zogen die GIs durch den dichten Wald. Hier konnte sich ihre Überlegenheit an Panzern, Geschützen, Flugzeugen und Soldaten nicht entfalten. Zudem hatte die deutsche Führung die letzten Reserven zusammengezogen, um diese Flanke für die geplante Ardennenoffensive – sie begann am 16. Dezember 1944 – zu decken.

„Es war eine strategische Fehlentscheidung, durch dichtes Waldgebiet vorzudringen“, urteilt auch der Berliner Historiker Arnd Bauerkämper. Die Deutschen blockierten jeden Waldweg mit Minensperren, legten Sprengfallen an und positionierten Artilleriestellungen, deren potenzielle Ziele präzise errechnet worden waren. Oft genug hielt das Wetter die Jagdbomber der Air Force am Boden, und wenn sie in der Luft waren, verhinderte der dichte Wald die Sicht.

In einem amerikanischen Divisionsbericht heißt es: „Kompanien und Züge wurden ausradiert, Mörsergranaten schlugen in Sturmtrupps ein und sprengten Männer samt den Sprengladungen, die sie mit sich führten. Sobald sich etwas bewegte, schallte das Rattern von Maschinengewehren durch den Wald ... Am späten Nachmittag wankte das Bataillon zu seiner Ausgangslinie zurück.“

Den hervorragenden Platz, den die Schlacht – anders als in Deutschland – in der amerikanischen Erinnerungskultur einnimmt, verdankt sie nicht zuletzt der Teilnahme prominenter Schriftsteller. Zu ihnen gehörten Jerome David Salinger und der spätere Nobelpreisträger Ernest Hemingway.

Dass Hemingway überhaupt bei der Invasion im Westen mit dabei war, habe wohl mit seiner späteren Frau Mary Welsh zu tun, sagt der Amerikanist Kurt Müller. Sie war Journalistin und wollte vom Krieg berichten. Hemingway wollte sich von einer Frau nichts vormachen lassen. Also ließ er sich vom amerikanischen Magazin „Collier’s“ als Korrespondent engagieren, um über die Invasion in Europa zu berichten. Es erschienen ganze zwei Berichte.

„Es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren“, beschrieb Hemingway die Leiden im Hürtgenwald
„Es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren“, beschrieb Hemingway die Leiden im Hürtgenwald
Quelle: Wikipedia/US Army
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18 Tage war Hemingway mit der kämpfenden Truppe im Hürtgenwald an vorderster Front – gegen alle Vorschriften bewaffnet. „Selbst in solchen Situationen erweckte er den Eindruck, dass das für ihn der Einsatz in einem John-Wayne-Film war“, sagt Müller. Die Erlebnisse im Hürtgenwald flossen in den Roman „Über den Fluss und in die Wälder“ ein – von der Kritik wurde der Roman verrissen.

„In Hürtgen gefroren sie einfach, und es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren. Sehr sonderbar“, schrieb Hemingway über die toten Soldaten in einer „Gegend, in der es äußerst schwierig war, am Leben zu bleiben, selbst wenn man nichts weiter tat, als dort zu sein“.

Erst Ende Februar 1945 gelang es den Amerikanern, den deutschen Widerstand zu brechen. Die Verluste der Wehrmacht betrugen etwa 12.000 Tote und 16.000 Verwundete, deutlich weniger als die Amerikaner zu beklagen hatten.

Der Hürtgenwald ist auch noch 70 Jahre danach von Wunden gezeichnet. In vielen älteren Fichten stecken Munitionssplitter. Forstleute und die Sägewerker in der Region wissen das. Sie untersuchen die Stämme vor der Verarbeitung mit besonderen Geräten. Der Hürtgenwald hat nicht vergessen.

dpa/bas

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