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Zweiter Weltkrieg Hürtgenwald 1944

Die am schlechtesten geführte Schlacht der US Army

Zu Allerseelen 1944 versuchten amerikanische Truppen, südlich von Aachen zum Rhein durchzubrechen. Im Hürtgenwald kam es zu apokalyptischen Kämpfen, die größte Verluste forderten.
Freier Autor Geschichte
HŁrtgenwald 1944 HŁrtgenwald 1944
HŁrtgenwald 1944
Quelle: US Army/public domain
Viele der rund 25.000 Gefallenen beider Seiten wurden auf Soldatenfriedhöfen begraben.
Viele der rund 25.000 Gefallenen beider Seiten wurden auf Soldatenfriedhöfen begraben
Quelle: picture alliance / Hans-Joachim

Der Hürtgenwald ist „eine Gegend, in der es äußerst schwierig war, am Leben zu bleiben, selbst wenn man nichts weiter tat, als dort zu sein“. Ernest Hemingway war dort im November 1944. In seinem Roman „Über den Fluss und die Wälder“ (1950) lässt er einen US-Oberst am Ende seines Lebens vom Grauen seiner Kämpfe erzählen. Seine Schilderung der Schlachten im Hürtgenwald machen die Erschütterung deutlich, die der Kriegsberichterstatter Hemingway damals erfuhr: „In Hürtgen gefroren die Toten, und es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren.“

Noch heute stehen Ruinen des Westwalls am Rand des Hürtgenwaldes.
Noch heute stehen Ruinen des Westwalls am Rand des Hürtgenwaldes
Quelle: picture alliance / Hans-Joachim

Als Hurtgenwald (nach to hurt: verletzen) ist das knapp 150 Quadratkilometer große Waldgebiet südlich von Aachen in die amerikanische Erinnerungskultur eingegangen. Fünf Monate und drei Schlachten brauchte die US-Armee, um das Gebiet schließlich einzunehmen. Die Verluste betrugen mehr als 35.000 Mann, davon 12.000 Tote, ein Viertel der Verluste in Vietnam. Und es war nach dem Urteil eines beteiligten Fallschirmjägergenerals „die verlustreichste und schlechtest geführte Schlacht, die unsere Armee geschlagen hat“.

Der Grund war nicht zuletzt Überheblichkeit. Nach dem Zusammenbruch der deutschen Verteidigungslinien in Nordfrankreich zog sich die Wehrmacht so schnell zurück, dass die Alliierten ihr nicht folgen konnten. Das verboten die Dienstvorschriften, denn der für eine Offensive für nötig befundene Nachschub stockte.

Schneller Stoß zwischen Aachen und Monschau

Allerdings versteifte sich der deutsche Widerstand, je mehr sich die Front der Reichsgrenze näherte. Auch die Katastrophe, die das britische Luftlandeunternehmen gegen die Rheinbrücke bei Arnheim erlitten hatte, ließ die amerikanische Führung nicht aufhorchen. Sie hoffte, mit einem schnellen Stoß zwischen Aachen und Monschau bis zum Rhein vorstoßen zu können, bevor die deutschen Truppen sich dort zur Verteidigung eingegraben hätten.

Auf der anderen Seite befürchtete die Wehrmachtsführung, dass amerikanische Truppen der für den Dezember geplanten Ardennenoffensive in die Flanke fallen könnten und zog letzte Reserven zur Sicherung der nördlichen Eifel zusammen. Zwar war der in den 1930er-Jahren gebaute Westwall weitgehend entwaffnet worden und verfallen, aber das unwegsame und dicht bewaldete Gebiet dahinter bot gute Verteidigungsmöglichkeiten.

Es muss einer schon vom Weg abgehen ... um die alten, verbrannten, nun verfaulten Baumstümpfe des Winters 1944/1945 zu entdecken, die Schützenlöcher, die Grabensysteme, Stellungen
Heinrich Böll, Kombattant und Literaturpreisträger

Anfang Oktober versuchte eine US-Division an dieser Stelle den Durchbruch. Aber bald zeigte sich, dass die Überlegenheit an schweren Waffen nicht ausreichte, um durch das Dickicht zu gelangen. Auch die Wirkung der Jagdbomber verpuffte. Stattdessen erinnerten die Kämpfe an den Dschungelkrieg im Pazifik, den die Amerikaner nicht erwartet hatten und für den sie auch nicht ausgebildet waren. Als die Truppen nach drei Wochen aus der Front herausgezogen wurden, war der Bodengewinn minimal und der Anblick der dezimierten GIs ruinierte die Moral jener, die sie ersetzen sollten.

Die Deutschen nutzten die Zeit und machten den Hürtgenwald zu einer riesigen Festung. „Jede Brandschneise und jeder Waldweg waren vermint oder von gefällten Bäumen blockiert. Die künstlichen Hindernisse waren wiederum mit Sprengfallen versehen und von Mörser- und Geschützbatterien als Ziele registriert“, schreibt der britische Historiker Antony Beevor in seiner „Geschichte des Zweiten Weltkriegs“.

Zu allem Überfluss regnete es ununterbrochen, als die US-Truppen zum zweiten Mal angriffen. Weil es der 2. November war, ging die Schlacht als „Allerseelenschlacht“ in die Geschichte ein. Im Bericht der 28. US-Division heißt es: „Kompanien und Züge wurden ausradiert, Mörsergranaten schlugen in Sturmtrupps ein und sprengten Männer samt den Sprengladungen, die sie mit sich führten. Sobald sich etwas bewegte, schallte das Rattern von Maschinengewehren durch den Wald ... Am späten Nachmittag wankte das Bataillon zu seiner Ausgangslinie zurück.“

Auf die mörderische Umgebung reagierten GIs mit panischer Flucht, Selbstverstümmelung, Nervenzusammenbruch, Selbstmordversuchen und Desertion, schreibt Beevor. Der Soldat Eddie Slovik aus der 28. Division war der einzige amerikanische Soldat während des ganzen Krieges, der standrechtlich erschossen wurde. Für den leeren Gesichtsausdruck der Überlebenden wurde der Begriff „Zweitausend-Jahre-Blick“ erfunden.

Die amerikanische Überlegenheit an Truppen und Material konnte sich in dem schweren Gelände nicht entfalten.
Die amerikanische Überlegenheit an Truppen und Material konnte sich in dem schweren Gelände nicht entfalten
Quelle: US Army/public domain
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Das Ringen um den Hürtgenwald gilt als die schwerste und verlustreichste Schlacht, welche die US-Armee auf dem westeuropäischen Kriegsschauplatz bestehen musste. Erst nach dem Scheitern der deutschen Ardennenoffensive, bei der die letzten Reserven der Wehrmacht aufgebraucht wurden, gelang es schließlich, den Wald zu durchstoßen und in die Jülicher Börde vorzudringen. Da war es bereits Winter und an eine schnelle Einnahme des Ruhrgebiets nicht mehr zu denken. Erst im Februar 1945 wurde das Dorf Schmidt am Ostrand des Waldes, das mehrfach den Besitzer gewechselt hatte, endgültig von US-Truppen besetzt. Da hatte die Wehrmacht rund 28.000 Mann verloren.

Auch nach Kriegsende machten Blindgänger, Minen (darunter schwer zu ortende Glas- und Holzminen) und Leichen das einstige Wanderparadies zu einem tödlichen, höllischen Ort. Im trockenen Sommer 1947 brannten die Wälder wie Zunder – ein Inferno, ausgelöst auch von herumliegenden Munitionsrückständen und Phosphor. Erst Ende der 1950er-Jahren begann die Wiederaufforstung, aber noch immer werden die sterblichen Reste von Gefallenen entdeckt.

Wie Hemingway kämpfte damals auch der spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll in Hürtgenwald, allerdings auf der anderen Seite: „Es muss einer schon vom Weg abgehen, weit in den dichten jungen Wald hineinkriechen, um die alten, verbrannten, nun verfaulten Baumstümpfe des Winters 1944/1945 zu entdecken, die Schützenlöcher, die Grabensysteme, Stellungen, die gekippten, überwucherten Bunker der „Siegfried-Linie“, beschrieb Böll seinen Besuch 1967 in der „Zeit“. Und folgerte: „Je ein deutsches und ein amerikanisches Soldatenwort, einen Mädchen- oder einen Hurennamen, umrahmt von so zutreffenden letzten Worten wie ,fucken war‘, ,verdammter Scheißkrieg‘.“

Dennoch ist die Allerseelenschlacht aus der deutschen Gedenkkultur weitgehend verschwunden. In den USA ist das anders. Dort gilt sie als die größte Feldschlacht der US Army auf dem europäischen Kriegsschauplatz und wird in eine Reihe mit den großen Treffen des Bürgerkrieges gestellt. Nicht umsonst ist der Titel von Hemingways Roman „Über den Fluss und die Wälder“ ein Zitat des sterbenden konföderierten Generals Thomas „Stonewall“ Jackson, der 1863 bei Chancellorsville den Tod fand, die Schlacht, die dem Süden die Illusion vorgaukelte, er könne den Krieg gewinnen.

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