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Zweiter Weltkrieg Putsch in Wien

Wie Hitler den Mord an Österreichs Kanzler plante

Ende Juli 1934 stürmten Nazis das Wiener Bundeskanzleramt und töteten den autoritären, dem Faschismus nahestehenden Machthaber Österreichs. Ein neues Buch klärt die umstrittenen Hintergründe auf.
Leitender Redakteur Geschichte

Eine vorgehaltene Waffe ist ein starkes Argument. Es ist genau 13.02 Uhr am 25. Juli 1934, als der Sprecher von Radio Wien das Konzert unterbricht: „Die Regierung Dollfuß ist zurückgetreten. Dr. Rintelen hat die Regierung übernommen!“ Darauf folgen einige Takte Marschmusik dann fallen Schüsse, und der Sender verstummt für die nächsten Stunden.

Die überraschende Ansage ist mit Waffengewalt erzwungen worden: Angeführt von einem SS-Untersturmführer haben 15 österreichische Nationalsozialisten in Zivil in einem Handstreich das Studio der österreichischen „Radio Verkehrs AG“ besetzt und dabei einen Polizisten erschossen.

Ungefähr gleichzeitig fällt auch im kaum einen Kilometer entfernten österreichischen Bundeskanzleramt am Wiener Ballhausplatz ein Schuss. Genau um 13:01 Uhr an diesem Mittwoch dringt ein Kommando von SS-Leuten in die Arbeitsräume des österreichischen Regierungschefs Engelbert Dollfuß ein.

Tödliche Flucht?

An der Spitze stürmt Otto Planetta, ein unehrenhaft aus dem österreichischen Bundesheer entlassener Stabswachtmeister. Er hat den Befehl, den kleinen und körperlich schwächlichen Dollfuß festzusetzen.

Doch der willensstarke Politiker, der ein von Italiens faschistischer Regierung gestütztes autoritäres Regime errichtet hat, hat keineswegs vor, den Putschisten in die Hände zu fallen: Als Dollfuß Schreie im Hof hört, rennt er zunächst aus seinem Büro in den benachbarten Empfangssaal.

Er macht kehrt, als er sieht, dass die Aufrührer ihm den Weg abschneiden. Nun will er über eine versteckte Wendeltreppe aus dem Kanzlergeschoss flüchten, doch Planetta holt ihn ein. Es kommt zum Handgemenge, und plötzlich knallt ein Schuss.

Bewusster Mord?

Die Kugel trifft den Bundeskanzler aus einem Abstand von nicht mehr als 15 Zentimetern links in den Nacken. Das Geschoss durchtrennt den siebten Halswirbel und das Rückenmark, dringt in den Brustraum ein, zerschmettert zwei Rippen und tritt durch die rechte Achselhöhle des Opfers wieder aus.

Der Kanzler bricht zusammen. Der Schuss hat ihn sofort gelähmt und tödlich verletzt. Doch er stirbt erst gute drei Stunden später, gegen 15.45 Uhr. Dollfuß’ Tod macht zugleich das Gelingen des Putschplanes unmöglich, denn mit Mördern können auch die NS-Sympathisanten in Bundesheer und österreichischer Polizei keine gemeinsame Sache machen.

Das Rumpfkabinett mit Unterrichtsminister Kurt von Schuschnigg an der Spitze entschließt sich zu einem fragwürdigen Manöver: Den Putschisten wird freier Abzug zugesichert, der dann unter Hinweis auf den Tod von Dollfuß verweigert wird. Planetta und einige andere Nazis werden zum Tode verurteilt und hingerichtet, die übrigen eingesperrt.

Ein „Kollateralschaden“?

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Bis heute sind entscheidende Fragen zum Putschversuch in Wien immer noch ungeklärt. Die wichtigsten: Inwieweit war Hitler direkt eingebunden in die Vorbereitungen? Und war der Tod von Dollfuß eingeplant oder ein „Kollateralschaden“?

Der Wiener Historiker und Publizist Kurt Bauer macht mit seinem Buch „Hitlers zweiter Putsch“ die direkte Steuerung aus Berlin plausibel. Um seine These zu belegen, fügt Bauer aus einer Fülle kleiner Mosaiksteinchen ein eindrucksvolles Bild der Vorgeschichte des 25. Juli 1934 zusammen. Das wichtigste Indiz aber ist eine lange übersehene Notiz im Tagebuch von Joseph Goebbels. Drei Tage vor dem Stichdatum trafen sich mehrere führende Vertreter der verbotenen österreichischen NSDAP mit General Walther von Reichenau, einem überzeugten Nazi in der Reichswehrführung, und Hitler.

Befehl von höchster Stelle?

Nach dem Treffen schrieb der Propagandaminister: „Österreichische Frage. Ob es gelingt? Ich bin sehr skeptisch.“ Dieser Eintrag lässt kaum einen anderen Schluss zu, als dass es um den bevorstehenden Putsch ging, der demnach auf höchster Ebene des Dritten Reiches beschlossen worden sein muss.

Nicht so eindeutig aufklären kann Bauer in seinem insgesamt sehr überzeugenden Buch die Frage, ob Dollfuß’ Tod vorsätzlich herbeigeführt wurde oder versehentlich geschah. Zwar steht außer Frage, dass der tödliche Schuss in einem Handgemenge fiel. Doch es gab noch einen zweiten, späteren Schuss, mit einer anderen Waffe. Wer ihn abgab, kann auch das neue Buch nicht wirklich aufklären.

Vor allem aber war klar, dass gegen Dollfuß in Freiheit ein Staatsstreich keinerlei Chance gehabt hätte. Haben die Putschisten sich also gar keine Gedanken gemacht, was sie tun sollten, wenn die Festnahme des Bundeskanzlers misslingen würde? Oder war ihnen klar, dass der Regierungschef zu töten sei, falls er flüchten sollte?

Nachträgliche Manipulation?

Kurt Bauer argumentiert zwar schlüssig, doch kann er keinen überzeugenden Beleg für seine Annahme vorbringen, bei Planettas fatalem Schuss habe es sich tatsächlich um einen „Kollateralschaden“ gehandelt.

Das liegt an der schwierigen Quellenlage, vor allem an den nachträglichen Manipulationen von beiden Seiten: Die neue Regierung unter Kurt von Schuschnigg wollte den vorsätzlichen Mord an Dollfuß „nachweisen“, die 1938 gegründete „Historische Kommission der SS“ das genaue Gegenteil.

Dieser Artikel wurde erstmals 2014 veröffentlicht.

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