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Zweiter Weltkrieg Waffen-SS

Tapperts „Totenkopf“-Division war berüchtigt

Die Familie von „Derrick“-Darsteller Horst Tappert hat seine Karteikarte aus dem Zweiten Weltkrieg freigegeben. Die Eintragungen enden 1943. Nach Aktenlage war er aber kein NSDAP-Mitglied.
Leitender Redakteur Geschichte
„Tappert, Horst, geboren am 26. Mai 1923 in Elberfeld/Wuppertal“: eine Karte wie viele Millionen ähnliche in der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin. Danach war der 2008 verstorbene Schauspieler als junger Mann Mitglied zweier Waffen-SS-Einheiten „Tappert, Horst, geboren am 26. Mai 1923 in Elberfeld/Wuppertal“: eine Karte wie viele Millionen ähnliche in der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin. Danach war der 2008 verstorbene Schauspieler als junger Mann Mitglied zweier Waffen-SS-Einheiten
„Tappert, Horst, geboren am 26. Mai 1923 in Elberfeld/Wuppertal“: eine Karte wie viele Millionen ähnliche in der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin. Danach war der 2008 verstorben...e Schauspieler als junger Mann Mitglied zweier Waffen-SS-Einheiten
Quelle: dpa/pa/KPA

Die beige Pappkarte im Format DIN A 5 ist gut erhalten; nur ihre Ecken sind etwas bestoßen. Sorgfältig in Schreibschrift steht oben der Name, „Tappert, Horst“, geboren am 26. Mai 1923 in Elberfeld/Wuppertal. Eine Karte wie viele Millionen ähnliche in der „Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht“, besser bekannt als Wehrmachtsauskunftsstelle (WASt).

In einer früheren Munitionsfabrik in Berlin-Reinickendorf wird die zu großen Teilen erhaltene Hinterlassenschaft der deutschen Personalverwaltung im Zweiten Weltkrieg aufbewahrt – mehr als 150 Millionen einzelne Informationen zu mehr als 18 Millionen Personen, zum allergrößten Teil Männer. Die Wehrmachtsauskunftsstelle ist kein klassisches Archiv; Forscher haben nur unter engen Voraussetzungen Zugang zu den fast ausschließlich personenbezogenen Materialien.

„Nur mit Genehmigung der Betreffenden selbst“ darf die WASt Auskünfte über noch lebende Kriegsteilnehmer freigeben. „Bei Gefallenen oder Verstorbenen ist eine Auskunftserteilung nur mit Zustimmung der nächsten Angeh��rigen möglich.“ Insofern war es ein grober Fehler, dass Ende vergangener Woche eine Information aus der WASt in die Öffentlichkeit sickerte, derzufolge der 2008 verstorbene Schauspieler und „Derrick“-Darsteller Horst Tappert als ganz junger Mann Mitglied zweier Waffen-SS-Einheiten gewesen sei. Jetzt hat sein Sohn der Veröffentlichung der Karte zugestimmt, die WASt-Chef Hans-Hermann Söchtig vergangenen Freitag der „Welt“ noch hatte verweigern müssen.

Vor allem Lazarettaufenthalte

Allerdings ist die Akte Tappert eher dünn. Eigentlich enthält die Karteikarte nur wenige relevante Informationen: Tappert gehörte als einfacher SS-Mann spätestens im Frühjahr 1943 zur 14. Kompanie des SS-Panzergrenadierregiments 1 „Totenkopf“. Am 22. März wurde er in einem Ort namens Wolkowo leicht verwundet, an der linken Hüfte und am linken Arm. Es folgte die Verlegung in verschiedene Lazarette in Poltawa, Lublin und Wien. Der letzte Eintrag aus dem Zweiten Weltkrieg datiert vom 30. September 1943.

Nicht klar ist dagegen, welches Wolkowo gemeint ist: In Polen gibt es mindestens drei Ortschaften dieses Namens, außerdem in der westlichen Ukraine mindestens einen weiteren. Wo genau die 14. Kompanie des Regiments am 22. März 1943 eingesetzt war, ist bislang offen; von den Akten der „Totenkopf“-Division sind im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg nur „Splitter“ erhalten. Das jedenfalls hat der US-Historiker Charles W. Sydnor festgestellt, der eine hervorragende Studie über diese zu Recht berüchtigte Einheit verfasst hat, zu der viele tausend Mann KZ-Wachmannschaften gehörten. Der relativ geschlossen erhaltene Teil der Divisionsakten betrifft die Frühzeit 1940 bis 1942.

Interessanterweise wurde Tapperts SS-Personalkarteikarte im Februar 1980 und im Frühjahr 1983 erneut bearbeitet; die Hintergründe dafür sind unklar. Zu dieser Zeit stand der Schauspieler nach sechs Jahren als „Derrick“ und zunehmendem Erfolg der Serie auch außerhalb Deutschlands vor dem Durchbruch zu internationaler Bekanntheit. Entsprechend der Regularien der WASt war eine solche Anfrage nur von staatlichen Dienststellen oder von Tappert persönlich möglich.

Eine der berüchtigsten Divisionen

1980 wurde recherchiert und festgehalten, dass Tappert im Berlin Document Center, das unter US-Leitung die Mitgliederkartei der NSDAP und SS-Personalakten verwaltete, nicht aufzufinden sei. Auch, so eine weitere Information, sei er nicht als Kriegsgefangener registriert gewesen. Eine weitere, letzte Überprüfung brachte Ende Januar bis Mitte März 1983 ebenfalls nichts Weiteres zu Tapperts Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg.

Da dazu keine personenbezogenen Informationen vorliegen, bliebt nur die Annäherung über die Einheit, zu der Tappert gehört hat. Die SS-Division „Totenkopf“ gehört zu den am meisten berüchtigten Truppenteilen der deutschen Militärgeschichte. Aufgestellt wurde sie auf persönlichen Befehl von SS-Chef Heinrich Himmler im Oktober 1939 aus KZ-Wachmannschaften im SS-Übungslager Dachau.

Zuvor bereits, während des schnell gewonnenen Feldzugs gegen Polen im September 1939, hatten die bis dahin in drei SS-Standarten gegliederten KZ-Wachen einen Sonderauftrag hinter der vorrückenden Wehrmacht ausgeführt: Sie „räucherten“ ihrem Befehlshaber Theodor Eicke zufolge „Widerstandsnester aus“. In der Regel verbarg sich dahinter brutales Vorgehen gegen jüdische und vermeintlich verdächtige katholische polnische Zivilisten.

Aufnahmekriterien wurden gesenkt

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Doch Himmler wollte mehr: einen eigenen, militärisch voll ausgebildeten und ausgerüsteten bewaffneten Arm der SS. Dazu wurden größere Teile der KZ-Wachmannschaften und der beiden anderen bislang schon bewaffneten SS-Einheiten, der „Leibstandarte Adolf Hitler“ und der SS-Verfügungstruppen, zusammen mit mobilisierten Mitgliedern der Allgemeinen SS zu etwa dreieinhalb motorisierten Divisionen zusammengefasst.

Diese Truppe verstand sich selbst als Elite, was für ihre körperliche Leistungsfähigkeit und ihre ideologische Überzeugung zutraf, zunächst nicht jedoch für ihre militärischen Fähigkeiten. „Hitlers politische Soldaten“ nennt der Hamburger Militärhistoriker Bernd Wegner die Waffen-SS treffend, und sein Londoner Kollege Sönke Neitzel zitiert den Wehrmachts-General Fedor von Bock mit den Worten: „Die Gefechtsausbildung der SS ist ungenügend. Das wird viel Blut kosten! Schade um das prachtvolle Menschenmaterial!“

Mit den Erfahrungen im Westfeldzug 1940, teilweise dem Kampf auf dem Balkan 1941 und an der Ostfront professionalisierte sich die Waffen-SS. Da ihre Einsätze in der NS-Propaganda aus durchsichtigen Gründen in den Vordergrund gerückt wurden, galten ihre Verbände bald als gefürchtete Eliteeinheiten. Das entsprach nur zum Teil der Realität, und spätestens nach den gewaltigen Verlusten in der deutschen Sommer- und Herbstoffensive 1942 überhaupt nicht mehr.

Wegen Mangels an Freiwilligen begannen nun Werber der Waffen-SS, auf die Suche nach Nachwuchs zu gehen. Oft handelte es sich um fronterfahrene, aber körperlich versehrte Offiziere. Die Aufnahmekriterien für die Waffen-SS wurden gesenkt, und junge Männer in den Lagern des Reichsarbeitsdienstes unter gelindem Druck bis offenem Zwang rekrutiert.

Wachmannschaften für die KZW

Ungefähr in dieser Zeit muss auch der 19-jährige Horst Tappert zur Waffen-SS gestoßen sein. Details sind bislang nicht bekannt und dürften auch schwer herauszufinden sein. An vielen Einsätzen der „Totenkopf“-Division jedenfalls kann er nach der dünnen Aktenlage nicht beteiligt gewesen sein: Die Division war nach heftigen Kämpfen und 80 Prozent Verlusten ihrer Nennstärke im Oktober 1942 zur „Auffrischung“, de facto Neuaufstellung nach Frankreich verlegt worden. Von hier aus ging es Anfang Februar 1943 zurück in die Sowjetunion.

Im Februar und März 1943 stand die Truppe in heftigsten Kämpfen bei der Rückeroberung von Charkow, und am 22. März wurde Tappert verletzt zurückgezogen. „Derrick“-Drehbuchautor Herbert Reinecker, der als Kriegsberichterstatter der Waffen-SS angehörte und ebenfalls in der „Totenkopf“-Division diente, war zu diesem Zeitpunkt bereits zu einer anderen Einheit versetzt worden.

In den letzten zwei Jahren des Weltkrieges diente die „Totenkopf“-Division an verschiedenen Fronten als „Feuerwehr des Führers“, so der bereits von Zeitgenossen verwendete Begriff. Weiterhin gab es einen regen Personalaustausch mit den SS-Totenkopf-Sturmbannen, die im ganzen besetzten Europa die Wachmannschaften für die KZs stellten.

Sicher war die Division auch an zahlreichen frontnahen Kriegsverbrechen beteiligt. Charles Sydnor bilanziert: „Wenige andere Divisionen der Waffen-SS und keine Division der gesamten deutschen Wehrmacht war so typisch für den Geist des Nationalsozialismus oder so gut für diejenige Kriegführung geeignet, die das destruktive Wesen von Hitlers Tausendjährigem Reich verkörperte.“

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