Der Wehrmachtsoffizier war entsetzt: „Der Krieg hier ist ein mühsames Geschäft ... Erst mal Spanier zu einer Operation bringen. Dann deren Operationsbefehle durcharbeiten – Geländebesichtigungen – Kommandeur besuchen, instruieren und aufmuntern – Angriffsbefehle der Spanier ansehen – Änderungen vorschlagen evtl. unter Drohungen: ,ohne uns!’“
Das schrieb Wolfram von Richthofen im April 1937 in sein Tagebuch. Als Stabschef der „Legion Condor“ war er für die Zusammenarbeit mit den nationalistischen Truppen zuständig, die im Juli 1936 gegen die spanische Republik geputscht und seitdem ein Bürgerkrieg gegen sie führten. Als äußerstes Mittel, so der Oberstleutnant, bliebe nur das „Protesttelegramm an Franco!“
Ob das die Probleme aus der Welt schaffte, war eine andere Frage. Denn Francisco Franco, den die Aufständischen im September 1936 zum „Generalissimus der Armeen“ proklamiert hatten, war das Gegenteil eines umsichtigen, entscheidungsfreudigen Feldherrn. Der Spanien-Spezialist Walther L. Bernecker charakterisiert ihn vielmehr als „ängstlichen, langsamen und konservativen General, der nie brillante Operationen entwickelte, vielmehr seinen Truppen einen hohen Blutzoll und viele Opfer abverlangte“.
Das allerdings hatte durchaus Methode. Denn Francos Kriegsziel war nicht nur die Erringung der Macht. Sondern auf dem Weg dorthin wollte er seine republikanischen Gegner nicht einfach schlagen, sondern buchstäblich vernichten, mit blutigem Terror. Als psychologische Kriegführung beschreibt der Marburger Historiker Carlos Collado Seidel denn auch in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Militärgeschichte“ die Strategie, für die der Bürgerkriegsgeneral bereit war, vermeidbare Verluste hinzunehmen bis hin zur Verachtung seiner Person durch seine Verbündeten. „Entweder hat dieser Mann keine Ahnung von Kriegführung, oder er will nichts davon wissen“, urteilte der italienische Diktator Benito Mussolini.
Dabei hatte Franco eine steile Karriere gemacht. 1892 als Sohn eines Marineoffiziers geboren, besuchte er die Infanterieschule von Toledo, auf der er 1910 als 251. von 312 Kadetten seine Prüfung absolvierte. Dass es ihm dennoch gelang, mit 22 Jahren 1915 zum jüngsten Hauptmann der Armee befördert zu werden, verdankte Franco dem Rif-Krieg in Spanisch-Marokko. Dort bewies er nicht nur Mut, sondern hatte auch das Glück, schwierigste Situationen zu überleben.
1922 war er Oberstleutnant und Kommandeur der spanischen Fremdenlegion, die in den Rif-Bergen mit großer Brutalität von sich reden machte. Weitere Stationen waren die Leitung der Generalsakademie von Saragossa, Posten als Generalgouverneur und schließlich 1935 die Berufung zum Generalstabschef und Oberkommandierenden der spanischen Armee. Dazwischen hatte er mit der Fremdenlegion den Arbeiteraufstand in Asturien blutig niedergeschlagen.
Nachdem Franco 1936 von der neugewählten Volksfront-Regierung abgesetzt und auf die Kanaren abgeschoben worden war, stieß er zu den nationalistischen Militärs um Emilio Mola, die den Putsch gegen die Republik vorbereiteten. Als Oberbefehlshaber der Marokko-Armee übernahm er zum ersten Mal ein großes Feldkommando. Mehrere Flugzeugabstürze, denen prominente Verschwörer zum Opfer fielen, spülten Franco an die Spitze der Aufständischen.
Wie er seine Truppen führte, macht Carlos Collado Seidel am Beispiel der Schlacht von Teruel im Winter 1937/38 deutlich. Dort hatten republikanische Truppen eine begrenzte Offensive gestartet und die Nationalisten aus der Stadt herausgeworfen. Obwohl Teruel keinerlei strategische Bedeutung besaß, so Seidel, befahl Franco umgehend eine Gegenoffensive.
Bei Temperaturen um 15 Grad Minus verloren in dem verbissen geführten Häuserkampf, in den wegen der Kälte die Bomber von Hitlers „Legion Condor“ nicht eingreifen konnten, Zehntausende Soldaten und Zivilisten ihr Leben. Francos blinden Willen, die Herausforderung des Gegners an diesem verlorenen Flecken anzunehmen, kommentierte ein deutscher Beobacher: „falscher Dünkel“.
Überkommene Kategorien wie Mut und Ehre waren auch den Republikanern nicht fremd. Zumindest zu Beginn des Krieges galt machen Kommandeuren das Anlegen von Schützengräben als Zeichen der Feigheit, bis die Sturzkampfbomber und Präzisionsgeschütze der „Legion Condor“ oder des italienischen „Corpo Truppe Volontarie“ sie vom Gegenteil überzeugten.
Es sagt einiges über die Denkhaltung der spanischen Militärs aus, das auch der ehemalige Akademie-Leiter Franco keine Vorstellung vom modernen Bewegungskrieg hatte. Er dachte wie ein Infanterist: „Kriege werden auch in der Zukunft nicht in der Luft gewonnen oder verloren werden ... Panzer sind durchaus nützlich und haben einen festen Platz in den Schlachten. Ihr Wert ist aber begrenzt“, zitiert Seidel den Mann, der am Wirken seiner deutschen und italienischen Verbündeten doch leicht hätte erkennen können, wie entscheidend moderne Waffen waren.
Franco jedoch ging es nicht um einen schnellen Sieg, sondern er wollte „mit seinen militärischen Handlungen eine militärische Wirkung erzielen – sowohl bei seinen eigenen Truppen als auch beim Gegner“, folgert Seidel. So stoppte er im Sommer 1936 den Vorstoß auf Madrid, um die belagerten Nationalisten in Toledo zu entsetzen. „Ich habe es so entschieden, weil die spirituellen Faktoren in jedem Krieg eine außerordentliche Bedeutung haben“, rechtfertigte er sich. „Wir müssen den Gegner erschüttern, indem wir ihn davon überzeugen, dass wir alles erreichen, was wir uns vornehmen, ohne dass er es verhindern kann.“
Das passende Mittel dazu wurde der Terror, jene Kriegführung, die Franco in den Rif-Kriegen kennengelernt hatte und die einzusetzen seine Marokko-Armee keine Skrupel kannte. Die „Roten“ sollten nicht einfach nur geschlagen, sondern als Herde der Subversion ausgelöscht werden. Als einer von Francos Kommandeuren, Juan Yagüe, gefragt wurde, was mit Tausenden Kriegsgefangenen geschehen sei, antwortete er: „Natürlich haben wir sie erschossen, was dachten Sie denn?“
Und Franco selbst begründete seine Entscheidung, seine Truppen 1938 über Wochen hinweg frontal gegen die Republikaner am Ebro anrennen zu lassen: „Die große Ansammlung gegnerischer Truppen ... erlaubte es unseren Kampf- und Bestrafungseinheiten, sich voll und ganz der Zerstörung und Vernichtung zu widmen.“ Die Republikaner machten es ihm allerdings leicht. Anstatt ihre Soldaten beizeiten zurückzuziehen, verlängerte die Volksfront-Regierung durch Zuführung von Reserven die Schlacht, weil sie sich eine Niederlage nicht eingestehen wollte.
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Man schätzt, dass allein 200.000 Zivilisten bis zum Ende des Bürgerkriegs 1939 dem Terror von Francos Truppen zum Opfer fielen. Außenpolitisch erwies sich Franco dabei als kühler Rechner. Obgleich es nicht an Drohungen aus Berlin und Rom fehlte, ihre Unterstützungsverbände abzuziehen, setzte der Generalissimus darauf, dass sich Hitler und Mussolini sich das Eingeständnis einer Niederlage nicht leisten wollten. Franco sollte Recht behalten.
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