Was man mehr als drei Dutzend Mal durchgezogen hat und trotz teilweise schmerzhafter Verluste letztlich stets mit Erfolg – das kann man. Das braucht nicht mehr geübt zu werden. Viele erfahrene Offiziere und ältere Mannschaftsdienstgrade der US-Armee erlebten im September 1950 ein Déjà-vu.
Denn auf einmal sollten sie genau das wiederholen, was sie von 1942 bis 1945 im Mittelmeer, vor der Normandie und im Pazifik immer wieder getan hatten: vom Meer aus die Eroberung eines feindlich besetzten Landes beginnen. Nur ging es diesmal nicht gegen die Gegner Hitlerdeutschland oder Japan, sondern gegen das kommunistische Nordkorea.
Dessen stalinistischer Diktator Kim Il-sung hatte mit einem Überraschungsangriff Ende Juni 1950 die schwachen US-Streitkräfte im prowestlichen Süden des seit 1945 geteilten Landes überrascht und binnen neun Wochen in einem Brückenkopf von rund 80 Kilometer Breite und 100 Kilometer Länge um die Hafenstadt Busan im Südosten der Halbinsel zusammengepresst – auf rund acht Prozent der Fläche von Südkorea. Mehr als neun Zehntel des überfallenen Landes waren also bereits besetzt.
Auf diesem Areal waren nicht nur etwa 140.000 Soldaten Südkoreas und der USA (sowie eine britische Brigade) eingepfercht, sondern auch mehrere Millionen Zivilisten, die sich auf der Flucht vor der nordkoreanischen Armee befanden. Aus so einem Kessel eine Großoffensive zu starten, war zwar nicht unmöglich, aber bei nur einem leistungsfähigen, vor gegnerischem Artilleriefeuer sicheren Hafen (nämlich Busan) zumindest riskant.
Doch Douglas MacArthur, einer der beiden US-Oberbefehlshaber im Krieg gegen Japan und nun alleiniger Kommandeur des vom UN-Sicherheitsrat bewilligten Feldzugs gegen Nordkorea, wollte gar nicht vom Brückenkopf um Busan aus angreifen lassen. Jedenfalls nicht hauptsächlich.
Der Fünf-Sterne-General setzte vielmehr auf die Erfahrungen, die seine Verbände und deren Offiziere beim „Inselspringen“ im Pazifik gemacht hatten. Schon Anfang Juli 1950 hatte er den Panzergeneral Harold „Hap“ Gray eine amphibische Landung beiderseits von Inchon planen lassen, dem Hafen der von Kommunisten besetzten südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Doch in Washington stieß MacArthurs Plan auf wenig Gegenliebe; Gray wurde mit seiner 1. Kavalleriedivision in den Brückenkopf von Busan verlegt.
Im August setzte sich MacArthur mit seinem durchaus wagemutigen Plan einer Landung westlich von Seoul dann doch durch. Nun wurden zwei andere US-Divisionen, die 1. Division der US-Marines und die 7. Infanteriedivision, mit dem entscheidenden Schlag beauftragt. Beide hatten in der Schlacht um Okinawa gekämpft, der vielleicht härtesten des gesamten Pazifikkrieges.
Am 13. September 1950 begann um sieben Uhr morgens ein schweres Vorbereitungsfeuer auf nordkoreanische Stellungen rund um Inchon. Da an Feuerkraft in mittleren Kalibern (von 12,7 bis 20,3 Zentimetern) überhaupt kein Mangel herrschte, wurden binnen 48 Stunden verschiedene potenzielle Landestrände bombardiert. Gleichzeitig attackierte die USS „Missouri“, zu dieser Zeit das einzige Schlachtschiff der US Navy im Westpazifik, mit ihren gewaltigen 40,6-Zentimeter-Granaten die Hafenstadt Samchak an der Ostküste Koreas, um von der Landung bei Inchon abzulenken.
Gleichzeitig befand sich Eugene F. Clark, ein Leutnant der US-Navy, schon mit einigen Südkoreanern an Land und hatte den Tidenhub sowie mehrere Stellungen des Gegners ausgekundschaftet. Nun, genau am 15. September 1950 um 0.50 Uhr Ortszeit, schaltete er einen kurz zuvor eroberten Leuchtturm auf einer Insel vor dem Hafen von Inchon an. Die Landungsboote der Marines konnten sich nun orientieren.
An drei Landeabschnitten, Beach Green, Beach Red und Beach Blue, gingen amerikanische und südkoreanische Truppen an Land, insgesamt 15.000 Mann. Ihnen standen nur 1500 Nordkoreaner gegenüber, weil die Geheimhaltung der Operation mit dem Decknamen „Chromite“ gut funktioniert hatte. Kim Il-sung und seine Generäle glaubten noch nach Beginn der Invasion, der eigentliche Angriff werde in Gunsan etwa 160 Kilometer südlich von Seoul stattfinden; Inchon sei nur eine Ablenkung.
Am Abend der Invasion befand sich die Hafenstadt fest in US-Hand; wieder einmal ging MacArthur öffentlichkeitswirksam an Land wie schon 1944 auf den Philippinen. Zur gleichen Zeit rollten ganze Kolonnen der neuen M-46-Panzer von einer vorgelagerten Halbinsel über einem Damm auf das koreanische Festland.
Nun begann der Vormarsch ins 30 Kilometer entfernte Seoul, dessen Flugplatz gleichzeitig mit der amphibischen Landung von US-Luftlandetruppen eingenommen worden war. Binnen einer Woche kämpften 54.000 Amerikaner in Südkoreas Hauptstadt, die am 25. September für befreit erklärt werden konnte.
Die um den Brückenkopf von Busan konzentrierten nordkoreanischen Einheiten gerieten gleichzeitig durch mehrere weitere Landungen (tatsächlich bei Gunsan sowie bei Pohang im Osten) unter Beschuss. Außerdem unternahmen die Verbände im Kessel einen Ausbruch. Schlagartig löste sich Nordkoreas Belagerungsstreitmacht auf. Schon am 26. September nahmen die ausgebrochenen Verbände aus Busan südlich von Seoul Fühlung auf mit der 7. US-Infanteriedivision.
Doch der vergleichsweise leichte Sieg bei Inchon mit „nur“ 225 Toten und knapp 1000 Verwundeten bei mehr als fünfmal so hohen Verluste beim Gegner ließ MacArthur unvorsichtig, ja übermütig werden: Er rechnete nun mit einem schnellen und problemlosen Erfolg.
Mit massiver Unterstützung aus der Luft ließ er Anfang Oktober 1950 US-Truppen über die seit 1945 geltende Demarkationslinie zwischen dem Norden und dem Süden der Koreanischen Halbinsel nach Norden marschieren. Der strategische Auftrag lautete, die kommunistischen Truppen so sehr zu schwächen, dass sie nie wieder in Korea Macht ausüben könnten.
MacArthur wusste, dass dieses deutlich verkündete Ziel den Mächtigen in der Volksrepublik China nicht gefallen konnte. Doch er rechnete nicht mit einem Eingreifen Mao Tse-tungs. Seinem einzigen relevanten Vorgesetzten, US-Präsident Harry S. Truman, versprach der General, „Rotchina“ werde stillhalten. Es sei nach dem erst im Jahr zuvor beendeten Bürgerkrieg für einen Krieg gegen die US-Armee noch zu schwach. Ein verhängnisvoller Irrtum mit fatalen Folgen.
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