WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Luftbrücke 1948/49: Geheimunternehmen brach den Willen der Sowjets

Geschichte Luftbrücke 1948/49

Dieses Geheimunternehmen brach den Willen der Sowjets

US-General William H. Tunner organisierte die Luftbrücke, die West-Berlin versorgte. Zu Ostern 1949 demonstrierte er seine Macht, um die Sowjetunion zum Ende der Blockade zu bewegen.
Freier Autor Geschichte
Über diese Routen wurde Berlin gerettet

Die Berliner Luftbrücke feiert Jubiläum: Flugzeuge aus West-Deutschland starteten ab Ende Juni 1948 in Richtung Berlin. Diese Animation zeigt ihre Flugrouten.

Quelle: WELT

Autoplay

William H. Tunner war kein Mann der leisen Worte. Als ihn US-Militärgouverneur Lucius D. Clay fragte, ob er die Versorgung der blockierten Westsektoren von Berlin übernehmen könne, lautete die Antwort: „Wir können alles jederzeit überallhin transportieren.“ Tunner bekam den Job, mit dem „Berlin Air Lift“ die größte Luftbrücke zu organisieren, die es bis dahin gegeben hatte.

Als Transportfachmann hatte Tunner bereits im Zweiten Weltkrieg den Nachschub für die nationalchinesischen Truppen von Indien aus über den Himalaya organisiert. Auch als die Sowjetunion im Juni 1948 mit der Blockade Berlins den Abzug der drei Westmächte aus der geteilten Stadt erzwingen wollten, war er der richtige Mann am richtigen Ort.

General William H. Tunner, USAF, Kommandeur der Berliner Luftbrücke
General William H. Tunner (1906-1983) befehligte 1948/49 den "Berlin Air Lift"
Quelle: USAF / Public Domain

Nach einigen Monaten hatte er das anfängliche Chaos in eine erfolgreiche Routine verwandelt. Um zum Beispiel Staus im Luftraum zu verhindern, bewilligte Tunner den Transportflugzeugen nur einen Landeversuch. Sollte der nicht gelingen, mussten sie zu ihrer Basis im Westen zurückkehren. Damit blieb der Rhythmus gewahrt, nach dem im Schnitt alle drei Minuten eine Maschine in West-Berlin landete.

Seit Dezember überschritt die Menge der eingeflogenen Versorgungsgütern für die von der Versorgung abgeschnittene Zwei-Millionen-Teilstadt regelmäßig die als tägliches Minimum gesetzte Marke von 4500 Short Tons (eine Short Ton entsprach 2000 US-Pfund, also 907,2 Kilogramm), selbst bei schlechten Wetterbedingungen. Im Januar 1949 stieg die durchschnittliche Leistung auf 5541 Short Tons täglich, im März auf 6328 Short Tons.

Lesen Sie auch

Tunner hätte zufrieden sein können. Aber das entsprach nicht dem Charakter des Air-Force-Offiziers, der selbst von frühmorgens bis spätabends arbeitete und seine karge Freizeit gern mit Überführungsflügen verbrachte. Er verfügte im Frühjahr 1949 über 249 US-Transportmaschinen C-54 Skymaster und 154 britische Flugzeuge der verschiedensten Typen. Das war rund das Doppelte an Transportkapazität, was er als Minimum in Washington, D.C. gefordert und umgehend bewilligt bekommen hatte – nämlich 178 ständig einsetzbare viermotorige Frachter.

1948 fliegen erste Rosinenbomber über Berlin

Vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 blockieren die Sowjets die Westsektoren Berlins. Eine ”Luftbrücke” ist der einzige Versorgungszugang. 277.778 Mal starten die ”Rosinenbomber”.

Quelle: STUDIO_HH

Außerdem wusste Tunner: Eigentlich waren die Sowjets so weit, dass sie die auch für sie aufwendige Blockade der drei westlichen Sektoren der früheren Reichshauptstadt abbrechen wollten. Sie brauchten nur noch einen Anstoß. Zu diesem Zweck wollte der US-General den Blockade-Streitkräften drastisch die Aussichtslosigkeit ihres Erpressungsversuchs vor Augen führen.

Tunner verfiel darauf, einen Tageswettbewerb auszurufen. Seine Besatzungen und die Zehntausenden Männer und Frauen, die in West-Berlin und auf Basen in Westdeutschland, Großbritannien und Frankreich im Hintergrund für die Luftbrücke ackerten, sollten sich herausgefordert fühlen, Höchstleistungen zu erbringen. Das entsprach seiner Lebenserfahrung. „Mit den Jahren habe ich festgestellt, dass amerikanische Soldaten und Piloten sich in einem Konkurrenzkampf gut entwickeln“, gab er einmal zu Protokoll.

Berliner Luftbruecke / Kinder / Foto Berliner Blockade, 24. Juni 1948 - 12. Mai 1949. - Westberlin wird von den Westmaechten ueber die Luftbruecke versorgt: Kinder warten auf das Flugzeug von US-Leutnant Halversen, der die Taschentuchfall- schirme mit Suessigkeiten abzuwerfen pflegt. - Foto, 30.9.1948. |
Der Rosinenbomber wurde zum Symbol der Luftbrücke – nicht zuletzt dank dieses Fotos
Quelle: picture-alliance / akg-images

Allerdings gab es ein Problem. Das hieß John K. Cannon und war als Oberbefehlshaber der US Air Force in Europa Tunners Vorgesetzter. Riskanten Aktionen, wie sie diesem vorschwebten, stand er höchst skeptisch gegenüber. Daher wählte Tunner Ostern 1949 als Zeitpunkt für seine Machtdemonstration. Da würde der ungeliebte Chef in den USA weilen und sich nicht einmischen können. Aber das bedeutete auch: Tunners Stab musste alles unter großer Geheimhaltung vorbereiten.

Lesen Sie auch

Und vorzubereiten war viel, denn Rekorde brauchen Planung. Die Wartungszyklen wurden insgeheim so organisiert, dass an Ostern tatsächlich nahezu alle Maschinen zur Verfügung stehen würden. Für das fliegende Personal und die meisten sonstigen Mitarbeiter des „Air Lift“ galt eine informelle Urlaubssperre – Anträge auf Abwesenheit Mitte April wurden kommentarlos abgelehnt. Auf den Basen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen entstanden Lager, um auf jeden Fall genügend Nachschub zur Verfügung zu haben. Und Tunner entschied, dass der Rekord mit im Wesentlichen einer Fracht erreicht werden sollte: Kohle in Säcken.

Sven Felix Kellerhoff erinnert an die Berliner Luftbrücke

Der WELT-Journalist und Historiker Sven Felix Kellerhoff spricht im Talk mit Martin Heller über die „Rosinenbomber“, die vor 70 Jahren die West-Berliner Bevölkerung versorgten.

Quelle: WELT/Sven Felix Kellerhoff/Martin Heller

Anzeige

Am Ostersamstag, dem 16. April 1949, startete der Rekordversuch. Schriftliche Anweisungen gab es dafür nicht, nur Mundpropaganda. Und die Begeisterung der Männer aus Tunners Stab, die vertraulich alles vorbereitet hatten und nun ihre Schreibtische verließen, um selbst als Piloten in die Maschinen zu steigen oder auf den Flugplätzen ihre Leute anzufeuern.

Intern und ebenfalls nur mündlich hatte Tunner das Ziel von 10.000 Short Tons mit 1440 Flügen binnen 24 Stunden ausgegeben. Das waren fast 50 Prozent mehr als der Tagesdurchschnitt von immerhin schon 7100 Short Tons, den die Luftbrücke am Gründonnerstag erreicht hatte. Die Hälfte mehr, und das ohne zusätzliche Kapazitäten, einfach nur durch maximale Ausreizung aller Ressourcen.

1949: American soldiers load supplies onto a Dakota transport plane bound for the Berlin as part of the Berlin airlift during the Berlin blockade. (Photo by Keystone/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
"Im Konkurrenzkampf gut entwickeln": Lademannschaften wuchten Kohle in einen Transporter
Quelle: Getty Images

Von Ostersamstag zwölf Uhr mittags wurde separat gezählt. Auch Tunner verließ nun sein Hauptquartier in Frankfurt am Main und flog nach Berlin. Die folgenden Stunden pendelte er zwischen verschiedenen Flugplätzen, mischte sich in Kontrollräumen in den Funkverkehr ein und feuerte seine Besatzungen an.

Besonders die schon sprichwörtliche Konkurrenz zwischen den beiden wichtigen Luftbrücken-Basen Faßberg und Celle heizte er zusätzlich an. In den frühen Morgenstunden landete er in Faßberg und sah, dass die Frau des Flugplatz-Kommandanten mit einigen Freundinnen Kaffee und Kuchen an die deutschen Lademannschaften verteilte. Der Kommandant prahlte seinem Chef gegenüber, die angesetzte Frachtleistung bereits um zehn Prozent übertroffen zu haben. Tunner antwortete kalt, Celle liege bereits zwölf Prozent über dem Plan.

American Air Force Douglas C-47 Skytrain transport aircraft in the unloading line at Tempelhof Airport, during the Berlin Airlift, June 1948 - May 1949. (Photo by Keystone Pictures/FPG/Archive Photos/Getty Images)
US-Transporter vom Typ Douglas C-47 Skytrain auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof
Quelle: Getty Images

Manchmal gingen Verantwortliche hohe, vielleicht zu hohe Risiken ein. Eine C-54 scherte aus der Reihe der startbereiten Maschinen in der Rhein-Main-Base aus und rollte zurück. Major Albert Schneider, der Kommandant der Transportstaffel, wollte über Funk wissen, warum. Der Pilot antwortete, einer seiner Motoren verliere zu viel Öl. Schneider befahl die Maschine zurück auf Startposition, ließ den regulären Piloten aussteigen, übernahm selbst das Kommando und flog die Skymaster persönlich nach Berlin und wieder zurück. Das hätte auch schiefgehen können.

Doch Tunner hatte Glück: In der „Oster-Parade“ kam es zu keinem Unfall. Das Wetter spielte mit, alle Piloten waren hochaufmerksam, die Maschinen fast ausnahmslos frisch gewartet. Schlendrian hatte in diesen 24 Stunden keine Chance. So übertraf Tunners Organisation das selbst gestellte Ziel nicht nur um zehn Prozent oder 20, sondern um fast ein Viertel. Genau 12.491 Short Tons, 24,9 Prozent mehr als erwartet, erreichten binnen 24 Stunden West-Berlin.

Das gelang mit 1398 Flügen, also durchschnittlich alle 62 Sekunden einem. Das Ziel, wirklich jede Minute eine Maschine in der blockierten Stadt landen zu lassen, wurde knapp verfehlt. Weil aber jedes gelandete Flugzeug auch wieder starten musste, gab es tatsächlich alle 31 Sekunden eine Flugbewegung auf einem der drei West-Berliner Flughäfen.

Titelseite der Task Force Times (Die Luftbrückenzeitung für die beteiligten US und GB-Truppen) Geplanter Rekord: Ostersonntag, der 17. April 12.00 Mittags bis Ostermontag 18, April 12.00 Uhr MIttags war der Zeitraum. Geflogen wurde fast nur Kohle (Das macht es logistisch viel einfacher, wenn nur 1 Gut geflogen wird.) Auf den Tag hin wurde gezielt gearbeitet, um einen Rekord aufzustellen. 12.941 (US Short Tons) in 1398 Flügen. Von diesem Tag kommt die Zahl, das jede Minute in Berlin ein Flugzeug gelandet ist (alle 62 Sekunden –über einen zeitraum von 24 Stunden)
Mit einer Sonderausgabe berichtete die "Air Lift Times" über den Rekord zu Ostern 1949
Quelle: AlliiertenMuseum e.V.
Anzeige

Ein Rekord, der auch 70 Jahre später fast alle Flughäfen der Welt alt aussehen ließe. Selbst der meistfrequentierte Flughafen, Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, kam 2016 auf durchschnittlich eine Flugbewegung alle 33 Sekunden. In Frankfurt/Main zählte man durchschnittlich eine Flugbewegung alle 68 Sekunden.

Die Sowjets verstanden die Botschaft hinter Tunners Rekord: Die Luftbrücke war nicht nur nicht am Ende, sie könnte nahezu unbegrenzt fortgesetzt werden. Die West-Berliner standen zu den Alliierten und trugen die massiven Einschränkungen mit. Kurz nach der „Oster-Parade“ begannen insgeheim am Rande einer Konferenz bei den Vereinten Nationen in New York amerikanisch-sowjetische Konsultationen über ein Ende der Blockade. Stalins Diplomaten wollten verhindern, dass die UdSSR ihr Gesicht verlor. Doch die Sackgasse, in die sich der Diktator in Moskau manövriert hatte, war ausweglos.

Schließlich hoben die Sowjets um Mitternacht des 12. Mai 1949 die Sperrung der Verkehrswege nach West-Berlin auf. Der Westen hatte die erste große Schlacht des Kalten Krieges gewonnen. Ohne einen Schuss abzufeuern, allerdings nicht ohne Opfer: 41 Briten, 31 Amerikaner und 13 Deutsche verloren ihr Leben bei Unfällen während der Luftbrücke.

Sie finden „Weltgeschichte“ auch auf Facebook. Wir freuen uns über ein Like.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema