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  3. Erster Weltkrieg: Warum 1914 alle Pläne Makulatur wurden

Geschichte Erster Weltkrieg

Warum sich 1914 die komplette militärische Führung Europas irrte

Die Strategen Europas hatten den Großen Krieg als kurzen Bewegungskrieg geplant. Aber er erstarrte im Stellungskrieg, weil er zu langsam geführt wurde. Denn mit den technischen Möglichkeiten der Zeit waren großräumige Operationen nicht möglich.
Freier Autor Geschichte
Die Westfront des Ersten Weltkriegs

Innerhalb von acht Wochen wollte die deutsche Heeresleitung 1914 im Westen gesiegt haben. Doch aus dem schnellen Feldzug wurde ein vierjähriger Grabenkrieg, dessen Linien sich kaum verschoben.

Quelle: N24

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Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, gingen beinahe alle miliärischen Fachleute davon aus, dass es ein kurzes heftiges Ringen werden würde. Denn alle ihre Pläne – nicht nur der deutsche Schlieffenplan, sondern auch der französische Plan XVII – waren als großräumige Operationen entworfen worden, die auf Beweglichkeit und Geschwindigkeit setzten. Der Gegner sollte ausmanövriert, umfasst und umgehend vernichtet werden.

Warum aber irrte der komplette militärische Sachverstand Europas? Im Oktober lief sich der Krieg in Feldbefestigungen und Schützengräben fest. Nicht einmal Millionen Tote sollten daran in den folgenden vier Jahren auf dem westlichen Kriegsschauplatz etwas ändern. Im Osten gelang es zwar den Armeen wiederholt, die Front um Hunderte von Kilometern zu verschieben. Doch auch dort blieben kriegsentscheidende Durchbrüche aus. Erst die bolschewistische Revolution in Russland führte zum Frieden von Brest-Litowsk.

Warum der Erste Weltkrieg als Bewegungskrieg gedacht wurde, dieses Konzept aber in der Realität scheiterte, erklärt der Potsdamer Historiker Christian Th. Müller in seiner Studie „Jenseits der Materialschlacht. Der Erste Weltkrieg als Bewegungskrieg“ (Schöningh). Weil er zu langsam geführt wurde, lautet die plakative Antwort. Denn mit den technischen Möglichkeiten der Zeit konnten großräumige Umfassungsschlachten von Angreifern einfach nicht geschlagen werden. Das einzige Gegenbeispiel, der deutsche Sieg über die russische Narew-Armee bei Allenstein/Tannenberg im August 1914, wurde bezeichnender Weise aus der Defensive heraus errungen und war im Übrigen weit davon entfernt, eine militärische Entscheidung zu bringen.

Europas Generalstäbler dachten konservativ. Das hieß vor allem, dass sie sich an Feldzügen und Schlachten der Vergangenheit schulten und die Möglichkeiten, die ihnen die moderne Industrie zur Verfügung stellte (wie etwa das Maschinengewehr), schlicht nicht erkannten. In den Militärakademien wurden die schnellen Züge Napoleons I. als Maß aller Dinge gelehrt. Als neuere Varianten kamen der preußische Sieg 1866 über die Österreicher und Sachsen bei Königgrätz und der deutsche Sieg über die letzte Armee Napoleons III. 1870 bei Sedan ins Spiel.

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Dabei wurde allerdings übersehen, dass beide Kriege ihre baldige Beendigung weniger den Waffen als vielmehr der Diplomatie verdankten, die auf einen schnellen Frieden drang. Österreich hätte durchaus noch die Ressourcen gehabt, den Krieg fortzuführen, und Frankreich hat mit einer Levée en masse noch riesige Heere aufgestellt. Aber Otto von Bismarck war geschickt genug, die Konflikte wieder in politische Fahrwässer zu lenken.

Ausgerechnet der preußische General Helmuth von Moltke, der als Stabschef der militärische Architekt der Siege gewesen war, erkannte später, dass die bedingungslose Anerkennung des Primats der Politik die wichtigste Voraussetzung sein würde, einen drohenden Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland zu verhindern. Seine Nachfolger zitierten dagegen lieber aus seinen früheren Schriften, in denen Moltke den „Charakter der heutigen Kriegsführung … durch das Streben nach großer und schneller Entscheidung“ beschrieben hatte.

In diesem Sinn entwickelte der deutsche Generalstabschef Alfred von Schlieffen den nach ihm benannten Plan, im Fall eines Krieges zunächst mit dem Gros des deutschen Heeres binnen acht Wochen Frankreich zu schlagen, um sich dann gegen die zarischen Truppen zu wenden. Dieses Konzept ignorierte die Neutralität Belgiens und setzte die Militärs unter einen Zeitdruck, dem die Politik am Ende nicht gewachsen war. Ein Automatismus kam in Bewegung, der unweigerlich in den Großen Krieg führte.

Vor allem die Möglichkeiten der Eisenbahn begründeten die Vision vom Bewegungskrieg. Mit ihr ließen sich riesige Armeen innerhalb kurzer Zeit über große Entfernungen verschieben. Auch konnten Züge ganz andere Mengen an Nachschub transportieren, als es Napoleons Pferdefuhrwerke geschafft hatten. Doch an den Ausladestationen war Stopp. Von dort aus war Muskelkraft angesagt, für Menschen und Tiere.

Man hat errechnet, dass bei einer durchschnittlichen Marschleistung von 25 Kilometern am Tag die 1168 Wagen eines preußischen Armeekorps nach vier Tagen nicht mehr ausreichten, um die Truppe ausreichend zu versorgen. Die Operationsdistanz französischer Munitionstrains lag sogar nur bei 20 Kilometern. Auf der anderen Seite setzte die Eisenbahn Verteidiger in den Stand, schnell Reserven heranzuführen oder sich aber zurückzuziehen und damit einer drohenden Umfassung zu entgehen.

Many Horses and Carts. (Photo by: Pen and Sword Books/UIG via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Zwar gab es schon Lkw. Doch der meiste Nachschub wurde mit Pferdewagen transportiert
Quelle: UIG via Getty Images
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Da die Armeen 1914 aber nicht mehr über Hunderttausende, sondern über Millionen Soldaten verfügten, wuchsen die Anforderungen an die Logistik entsprechend. Die Truppen waren mit Pferden zu versorgen, die auch ihr Futter – fünf Kilogramm Hafer sowie eine Heuration pro Tag – brauchten. War 1870 noch ein Pferd auf vier Soldaten gekommen, waren es 1914 schon drei Soldaten.

Hinzu kamen die Anforderungen der verbesserten Artillerie und der Maschinengewehre, die mehr Munition verbrauchten, die herangeführt werden musste. Mit solchen Problemen mochte sich Schlieffen allerdings nicht beschäftigen. Er glaubte, schreibt Müller, „dass das Westheer in den wohlhabenden Landstrichen Belgiens und Nordfrankreichs analog zu 1870 genug Vorräte vorfinden würde, um Mann und Ross ausreichend zu ernähren, während er die Munitionsversorgung gar nicht erörterte“.

Artillerie und MGs veränderten auch das Schlachtfeld. Da ihre Kugeln und Granaten inzwischen von rauchfreiem Pulver angetrieben wurden, das Kampfgeschehen also leichter einsehbar war, mussten die Geschütze, die bis zu 20 Schuss pro Minute abgeben konnten, in verdeckten Feuerstellungen eingerichtet werden. Statt sich wie früher Duelle mit ihresgleichen zu liefern, verwandelten die Geschosse der Artillerie das Gefechtsfeld der Infanterie in einen tödlichen Sumpf. Und ihr Trommelfeuer, mit dem jeder Angriff eröffnet wurde, ruinierte jeden Überraschungseffekt.

Die Todeszone zwischen den Schützengräben wurde von MG’s beherrscht, mit denen ein paar Mann ganze Massenangriffe stoppen konnten. Wie wenig die Militärs die neue Technik begriffen hatten, zeigen die Zahlen. Bei Kriegsbeginn verfügte ein französisches Bataillon gerade einmal über zwei MGs, ein deutsches Infanterieregiment führt sechs mit sich. Bei Kriegsende aber lieferte das deutsche Heer 125.000 Maschinengewehre den Siegern aus.

Neben der Militärtechnik, die eindeutig die Defensive stärkte und damit großräumige Angriffe erschwerte, markierten mangelhafte Mobilität, überdehnte Nachschubwege und die Einschränkungen der Eisenbahninfrastruktur „die operativen Begrenzungen beweglicher Kriegführung“, resümiert Müller. Das hatten zuvor schon der Burenkrieg, der russisch-japanische Krieg und die Balkankriege gezeigt, doch zogen Europas Strategen keine Schlüsse daraus. Ihren trainierten und gut ausgerüsteten Heeren würde schon gelingen, was auf den „peripheren“ Schlachtfeldern gescheitert war.

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Dennoch suchten die Generäle immer wieder ihr Heil im Bewegungskrieg, um dem defensiven Abnutzungskrieg ein Ende zu bereiten. Um ihre Soldaten überhaupt dazu zu bringen, bei Verdun oder an der Somme den Schutz der Gräben zu verlassen und ins offene Feld zu stürmen, wurde der Angriffsgeist beschworen. Mit mutigem „Elan“ sollten die Soldaten in den Tod stürmen – was sie auch millionenfach taten. Der Glaube an die Überlegenheit des beweglichen Angriffs über die starre Verteidigung verflog so schnell nicht.

Erst die entscheidende Großoffensive der Entente nach dem Scheitern der deutschen Frühjahrsoffensive im Westen brachte 1918 die Entscheidung. Die Mittel, die damals erprobt wurden – gestaffelte Großangriffe, die mit mobiler Artillerie und Tanks vorgetragen wurden – schlugen Löcher in die deutsche Front, die nicht mehr geschlossen werden konnten.

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Einen Weltkrieg später zogen junge deutsche Generäle ihre Schlüsse daraus. Ihre Panzer umfassten und durchbrachen mit einer Geschwindigkeit die gegnerischen Fronten, die sich nicht einmal die glühendsten Anhänger des Bewegungskrieges im Ersten Weltkrieg hätten vorstellen können.

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Quelle: Die Welt/wochit

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