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Geschichte Ende des Ersten Weltkrieges

So begann die (Un-)Friedenskonferenz von Versailles 1919

Am 18. Januar 1919 eröffnete Frankreichs Staatspräsident Raymond Poincaré die Verhandlungen über die Beendigung des Ersten Weltkrieges. Schon von Beginn an war klar: Es ging um Demütigung der Verlierer.
Leitender Redakteur Geschichte
Paris Peace Conference, to negotiate post World War I peace treaties at the Quai D'Orsay, Paris. Raymond Poincare, President of France, standing at the top left. Official U.S. Signal Corps photo, January 18, 1919. | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer. Paris Peace Conference, to negotiate post World War I peace treaties at the Quai D'Orsay, Paris. Raymond Poincare, President of France, standing at the top left. Official U.S. Signal Corps photo, January 18, 1919. | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Die Eröffnung der Pariser Friedenskonferenz am 18. Januar 1919
Quelle: picture alliance / Everett Collection

Natürlich der 18. Januar. Kein anderes Datum kam infrage für die Eröffnung jener Konferenz, die den Weltkrieg 1914 bis 1918 formal beenden sollte. Doch zugleich ließ die Wahl dieses Termins schon erwarten, ja, befürchten, dass die Beratungen zwar das Ende des Großen Krieges bringen würden, aber eben nicht das Ende des letzten aller Kriege in Europa.

Auf den Tag genau 48 Jahre zuvor, am 18. Januar 1871, hatten im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles vor den Toren von Paris die deutschen den preußischen König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamiert. Die Wahl des Ortes war eine bewusste Demütigung des darniederliegenden Frankreichs gewesen, die Wahl des Termins sollte seinerzeit an die Selbsterhebung des Kurfürsten Friedrichs III. von Brandenburg zum König in (nicht „von“) Preußen 1701 in Königsberg erinnern.

Genau für diese Demütigung revanchierte sich nun, am 18. Januar 1919, die nun vor Kraft und Selbstbewusstsein strotzende Siegermacht Frankreich. Staatspräsident Raymond Poincaré und Ministerpräsident Georges Clemenceau hatten dieses Datum gewählt, um die Scharte der Niederlage 48 Jahre zuvor symbolisch auszuwetzen.

Frankreichs Staatspräsident Raymond Poincare wollte 1919 Revanche für 1871
Frankreichs Staatspräsident Raymond Poincaré wollte 1919 Revanche für 1871
Quelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library

Die Eröffnung fand im französischen Außenministerium an der Seine statt, genauer gesagt im prächtigen Uhrensalon dort. Schon mit seiner Eröffnungsrede gab Poincaré die Tonlage vor, die aus der geplanten Friedenskonferenz eine „Unfriedenskonferenz“ werden ließ.

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„Was Ihnen die Autorität verleiht, einen Frieden der Gerechtigkeit zu schaffen“, sprach er die Vertreter der vier Siegermächte Frankreich, Großbritannien, Italien und USA sowie die Delegierten aus 28 weiteren assoziierten Mächte an, „ist die Tatsache, dass keines der von Ihnen vertretenen Völker irgendeinen Anteil hat an diesem Verbrechen, das zu einem noch nie da gewesenen Unheil geführt hat.“ Und der Staatspräsident fügte hinzu: „Die Menschheit kann Ihnen vertrauen, denn Sie gehören nicht zu denjenigen, die die Menschenrechte verletzt haben.“

Eröffnung der Friedenskonferenz in Deutschland kaum beachtet

Gemeint war damit natürlich das Deutsche Kaiserreich. Das war zwar in der Novemberrevolution fast wehrlos in sich zusammengebrochen und hatte einem Übergangsstaat Platz gemacht, dessen Bürger am Tag nach der Eröffnung der Konferenz in Paris erstmals in freien, allgemeinen, geheimen und gleichen Wahlen eine Nationalversammlung bestimmen sollten. Doch die Hoffnung vieler Deutscher, die Siegermächte und insbesondere Frankreich würden mit einer deutschen Republik milder umgehen als mit einer Monarchie, war trügerisch gewesen.

Premierminister Georges Clemenceau leitete die Pariser Friedenskonferenz
Premierminister Georges Clemenceau leitete die Pariser Friedenskonferenz
Quelle: picture alliance / United Archives/WHA

Aus zwei Gründen wurde die Eröffnung der Konferenz nicht besonders wahrgenommen in Deutschland: Der erste war, dass eben am 19. Januar 1919 die Wahlen anstanden; sie beherrschten das Bewusstsein und entsprechend auch nahezu alle Zeitungen jenes Wochenendes.

Der zweite Grund war, dass am 18. Januar 1919 eigentlich nur eine Vorkonferenz eröffnet werden sollte. Deren Aufgabe würde es sein, unter den vier Siegermächten und den anderen ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands Bedingungen für einen echten Friedenskongress festzulegen. Dieser Kongress sollte dann anschließend stattfinden, analog etwa zu den Beratungen, die 1645 bis 1648 in Münster und Osnabrück stattfanden und den Dreißigjährigen Krieg beendeten.

„Die Komplexität der Materie und der Wunsch, die wichtigsten Fragen einvernehmlich unter den Alliierten vorab zu klären, bevor sie dem deutschen Kriegsgegner präsentiert, mit ihm diskutiert und damit unter Umständen auch zur Disposition gestellt würden“, schreibt die Frankfurter Historikerin Verena Steller, „bedingten jedoch, dass die ursprünglich vorgesehene Zweiteilung in Konferenz und Kongress aufgegeben wurde und am Ende Friedenskonferenz und -kongress zusammenfielen.“

Aus Verhandlungen wurde ein Diktat

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Faktisch wurde damit aus dem eigentlich geplanten einvernehmlichen Austausch beider Seiten über die Schaffung eines dauerhaften Friedens in Europa ein Diktat. Ausgehandelt hatten es überwiegend die „Großen vier“, nämlich Clemenceau, der britische Premier David Lloyd George, US-Präsident Woodrow Wilson und Italiens Ministerpräsident Vittorio Orlando; den rund 10.000 übrigen Teilnehmern der Konferenz blieb nur mehr die Funktion von Helfern.

David Lloyd Geporge, Vittorio Orlando, Georges Clemenceau und Woodrow Wilson (v. l.) entschieden als "Große vier" alle wesentlichen Fragen unter sich
David Lloyd Geporge, Vittorio Orlando, Georges Clemenceau und Woodrow Wilson (v. l.) entschieden als "Große vier" alle wesentlichen Fragen unter sich
Quelle: picture alliance / CPA Media Co. Ltd

Das Ergebnis konnte Deutschland, dem es am 7. Mai 1919 bekannt gegeben wurde, akzeptieren oder ablehnen. In letzterem Fall wären jedoch die Kampfhandlungen sofort wieder aufgenommen und weite Teile des geschlagenen und wehrlosen Landes besetzt worden, vermutlich bis etwa zur Weserlinie.

Dieses Vorgehen von Poincaré und Clemenceau war politisch kurzsichtig und verstieß gegen grundlegende diplomatische Usancen. Man kann es auch schlicht dumm nennen. Allerdings war Deutschland, konkret das ehemalige Kaiserreich, nicht gerade unschuldig daran. Denn genau einen solchen Diktatfrieden hatten Anfang März 1918 in Brest-Litowsk die deutsche Reichsleitung, die zivile Regierung, und die Oberste Heeresleitung dem revolutionären Russland aufgezwungen.

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Dieser Vertrag hatte Russland ein Viertel seines Territoriums in Europa gekostet sowie fast drei Viertel seiner Eisenindustrie und Kohlegruben. Die abgetretenen Gebiete sollten kurzfristig ein Protektorat der Mittelmächte werden und mittelfristig ein System von Satellitenstaaten. Nur gegen große Widerstände im Politbüro der Bolschewiki hatte Lenin durchgesetzt, dass dieser harte Vertrag angenommen wurde. Denn er glaubte, schon bald werde eine Weltrevolution im Sinne von Karl Marx ausbrechen.

Ein Irrtum. Zwar stürzten Revolutionäre in Berlin und Wien die morschen Kaiserdynastien, aber nicht zugunsten bolschewistischer Regime, sondern für den schwierigen Weg zu demokratischen Republiken. Das jedoch würdigten die Siegermächte in der Konferenz von Paris nahezu gar nicht. Im Gegenteil demütigten sie die Nachfolgestaaten ihrer wichtigsten Kriegsgegner vorsätzlich. Keine zwei Jahrzehnte später folgte der nächste Krieg in Europa.

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