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  3. Erster Weltkrieg: „Gelbkreuz“ sollte die ultimative Waffe werden

Geschichte Erster Weltkrieg

Der Tod kroch aus großen, gelblichen Pfützen

Mit einem neuartigen chemischen Kampfstoff wollte die kaiserliche Armee im Juli 1917 das Patt des Grabenkrieges aufheben. Senfgas wirkte nicht über die Atemwege, sondern tötete durch die Haut.

Eigentlich schien es ein ganz normaler Artillerieüberfall zu sein, der in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli 1917 über den britischen Stellungen bei Ypern in Flandern niederging. Allenfalls die Zahl – 50.000 deutsche Granaten an einem eher ruhigen Frontabschnitt – hätten vielleicht stutzig machen können. Und dann war da dieser merkwürdige Geruch nach Senf oder nach Knoblauch, der über den Schützengräben hing, sowie eine leichte Reizung der Augen und Rachen. Keine Gründe für die erfahrenen britischen Truppen, die unbequemen Gasmasken aufzusetzen.

Erst am nächsten Morgen sahen die Soldaten der betroffenen Einheiten aus, als seien sie von einer „biblischen Plage“ befallen. Mit brennenden Augen stolperten die Soldaten durchs Gelände. Am Körper vieler Betroffener bildeten sich bis zu 30 Zentimeter lange eitrige Blasen. Vielen stand ein quälend langsamer Tod bevor, weniger durch die äußerlichen als vielmehr durch innere Verletzungen. Sanitäter berichteten, dass sich bei einigen Patienten die Schleimhaut von der Luftröhre löste. Die hilflos hustenden und keuchenden Opfer erstickten. In den folgenden drei Wochen zählte man 14.200 Verletzte, von denen fast 500 starben.

View of World War I-era gas masks worn by a horse and a soldier to protect them from mustard gas attacks, France, 1918. (Photo by PhotoQuest/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Der Gaskrieg brachte immer neue Schutzgeräte hervor
Quelle: Getty Images

Schon im April 1915 hatte die kaiserliche Armee bei Ypern zum ersten Mal Gas als Massenvernichtungswaffe eingesetzt. Dabei hatte es sich um Chlorgas gehandelt, das aus Tanks abgelassen wurde und mit dem Wind auf die feindlichen Linien zutrieb. Gut zwei Jahre später wurde am gleichen Ort eine weitere Stufe der Eskalation des Schreckens erreicht. Erstmals kam Dichlordiethylsulfid zur Anwendung, besser bekannt als Senfgas. Und es wurde mit Geschützen zielgerichtet auf den Gegner abgefeuert, eine ölige Flüssigkeit, die nicht einfach mit einer guten Brise verflog, sondern sich breitflächig auf dem Schlachtfeld verteilte.

Das in Granaten abgefüllte Senfgas komplettierte die Palette an chemischen Waffen, die der besseren Unterscheidbarkeit halber mit verschiedenfarbigen Markierungen versehen wurden: „Grünkreuz“ stand für das lungenschädigende Chlorgas und Phosgen, „Weißkreuz“ für Tränengas, „Blaukreuz“ für Schwebstoffe, die den Nasen- und Rachenraum reizten. Nun kam noch „Gelbkreuz“ für das Senfgas hinzu.

Gasmasken gehörten bald zur Ausrüstung der Soldaten im Grabenkrieg
Gasmasken gehörten bald zur Ausrüstung der Soldaten im Grabenkrieg
Quelle: pa/United Archiv/United Archives

Obwohl die Haager Landkriegsordnung von 1899 die Verwendung von erstickenden oder giftigen Gasen verbot, hatte nach dem deutschen Einsatz von Chlorgas 1915 ein regelrechter Rüstungswettlauf auf diesem Gebiet eingesetzt. Denn Gas, so die trügerische Hoffnung, schien endlich eine Waffe zu sein, mit der das Patt des Stellungskrieges aufgebrochen werden könnte.

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Um die Abhängigkeit von der Windrichtung zu entgehen, entwickelten die Briten den Livens Projector, eine Art Granatwerfer, mit dem man Gasgranaten einigermaßen zielgenau abfeuern konnte. 1918 hatte die Royal Army 200.000 Exemplare in ihrem Bestand. Ihr Konstrukteur William Howard Livens soll für die Massenproduktion seiner Erfindung mit den Worten geworben haben, dass „die Kosten für das Töten eines Deutschen auf nur 16 Schilling pro Stück reduziert werden könnten“. Das Phosgen, das die Franzosen ab Januar 1916 einsetzten, war die „erste wirklich tödliche chemische Munition“, die eine „extrem wirksame Menge von Phosgen“ freisetzte, schreibt der Historiker Rolf-Dieter Müller.

Geschichte / 1. Weltkrieg: Gaskrieg. Deutsches Warnschild vor gasverseuchtem Gebiet in Armentières (Westfront). Foto, 1917. |
Gelbkreuz erschwerte die Lebensbedingungen an der Front
Quelle: picture alliance / akg-images

Zum Schutz vor Gas wurden immer neue Generationen von Atemschutzgeräten entworfen. Aus diesem Grund suchten deutsche Chemiker fieberhaft nach einem Stoff, der nicht über die Atemwege, sondern über die Haut wirkte. Das Ergebnis war das Senfgas.

Aber trotz des Überraschungseffekts erzielte die neue Waffe im Sommer 1917 nicht den erhofften Effekt. Die britischen Linien blieben intakt. Das Senfgas hinderte die Engländer und ihre Verbündeten nicht einmal, ihre Planungen für die dritte Flandernschlacht fortzusetzen, deren Beginn für Ende Juli vorgesehen war. Erst 1918 verfügten die Briten über eine ähnliche Substanz. Zur gleichen Zeit hatten Wissenschaftler der Katholischen Universität von Washington D.C. das Lewisit entdeckt, dem eine noch grausamere Wirkung zugeschrieben wurde. Als im November 1918 der Waffenstillstand geschlossen wurde, war gerade die erste Schiffsladung auf dem Weg nach Europa.

Doch schlacht-, geschweige denn kriegsentscheidend wurde der Einsatz von C-Waffen nicht. Das zeigte einmal mehr der Einsatz von Senfgas, das sich weniger beim Angriff als in der Defensive als ausgesprochen wirkungsvoll erwies. Weite Flächen konnten mit der öligen Flüssigkeit nämlich unbenutzbar gemacht werden. Der sesshafte Stoff gefror im Winter zu großen, gelblichen Pfützen, die bei Tauwetter eine extrem tödliche Wirkung entwickelten, schreibt Rolf-Dieter Müller: „Nicht die Tötung des Gegners wurde zum eigentlichen Ziel, sondern die unerträgliche Erschwerung der Kampf- und Lebensbedingungen.“

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Das spiegeln auch die Verlustziffern. An der Westfront entfielen rund 3,4 Prozent der Kriegsopfer auf den Einsatz von Gas, das sind 500.000 Verletzte und 20.000 Tote. Zahlen für die Ostfront sind nicht bekannt, doch dürfte die Überlegenheit, die die deutsche Armee an schwerer Artillerie und Gasmunition besaß, einiges zur Demoralisierung der zarischen Truppen beigetragen haben. Von den rund 112.000 Tonnen Gas, die von allen Kriegsparteien eingesetzt wurden, entfiel fast die Hälfte auf die kaiserliche Armee. Man hat errechnet, dass sich der Einsatz chemischer Munition von vier Prozent 1915 auf 30 Prozent 1917/18 erhöhte.

Nur vor einem schreckten die Militärs des Ersten Weltkriegs zurück, dem Einsatz von Gas gegen das Hinterland, gegen Städte und Zivilisten. Machthaber der Gegenwart haben diese Skrupel nicht.

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Quelle: N24

mit KNA

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