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Geschichte Franz von Papen

Der Lügenbaron, der über die Leichen Verwandter ging

Franz von Papen bahnte Hitler den Weg ins Kanzleramt und gab sich nach 1945 als Judenretter aus. Eine neue Biografie zeigt die Abgründe des vorletzten Kanzlers der Weimarer Republik.
Franz von Papen wird in Nürnberg freigesprochen

Dem ehemaligen Reichskanzler Franz von Papen wird unter anderem als „Wegbereiter“ Hitlers und Botschafter in Wien nach den Anklagepunkten 1 und 2 angeklagt und in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Quelle: STUDIO_HH

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Selten so geirrt: „Wir haben ihn uns engagiert“, sagte Franz von Papen Anfang Februar 1933 über Adolf Hitler. Einen Kritiker beschied der erzkonservative Katholik knapp: „Was wollen Sie denn? Ich habe das Vertrauen Hindenburgs. In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.“

Sicher war dies eine der folgenschwersten Fehleinschätzungen der deutschen Geschichte. Geäußert hatte sie ein Mann, der nach langjähriger Tätigkeit in der Politik eigentlich ein besseres Gespür für die Ambitionen des Nazi-Chefs hätte haben können oder sogar müssen. Der pensionierte Diplomat Reiner Möckelmann hat sich jetzt auf die Spur von Papens begeben und beschreibt ihn als „Hitlers ewigen Vasall“.

Franz-von-Papen
Franz von Papen als junger Offizier mit Pickelhaube
Quelle: Public Domain

Seine politische Laufbahn hatte Franz von Papen, 1879 in Werl geboren und zunächst Berufsoffizier, 1921 als Mitglied des Preußischen Landtags begonnen. Als Abgeordneter für den Wahlkreis Westfalen-Nord vertrat er den monarchistischen Flügel der katholischen Zentrumspartei. Das führte zu Spannungen mit dem republikanisch-demokratischen Flügel dieser damals einzigen echten, wenn auch kleinen Volkspartei.

Von Papens Weltsicht beruhte auf einem konservativen Verständnis des Christentums. Ziel seiner Politik war die Restauration einer christlich geprägten, autokratischen Monarchie. Über das Ende des zwar nicht katholischen, aber konservativen preußisch-deutschen Kaiserreichs 1918 kam er zeitlebens nicht hinweg.

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Damit verkörperte er Anfang der 1930er-Jahre die reaktionären Eliten. Überraschend rückte der bis dahin nur wenigen Beobachtern bekannte von Papen im Juni 1932 zum Reichskanzler auf. Gestützt von Reichspräsident Paul von Hindenburg, hob er als Regierungschef das Verbot von SA und SS auf. Nach seiner unfreiwilligen Ablösung im Dezember 1932 wurde er zum Steigbügelhalter Hitlers – um selbst wieder an die Macht zu kommen.

Über Hitlers Ernennung zum Reichskanzler ist viel geforscht und geschrieben worden. Möckelmann ergänzt das bisher Bekannte um die Erkenntnis, dass von Papen Hitler – in Anlehnung an das mittelalterliche Gottesgnadentum – als von Gott Auserwählten und als Nachfolger der Monarchen des Kaiserreiches betrachtete. Unter anderem machte ihn seine erzkatholisch-rechtskonservative Prägung zum „ewigen Vasall Hitlers“.

30. Januar 1933, kurz vor 17 Uhr: Nach dem ersten Fototermin der neuen Regierung Hitler schaut der Reichskanzler seinem Vize tief in die Augen
30. Januar 1933, kurz vor 17 Uhr: Nach dem ersten Fototermin der neuen Regierung Hitler schaut der Reichskanzler seinem Vize tief in die Augen
Quelle: picture-alliance / akg-images

Hinzu kam übertriebene Geltungssucht: Von Papen wollte bedeutend sein und vor allem immer dabei. Deshalb hatte er auch keinerlei Bedenken, als Vizekanzler dem Kabinett Hitler beizutreten, das die erste Demokratie in Deutschland endgültig beseitigte.

Es störte ihn nicht, dass sein Neffe ersten Grades, Felix von Papen, selbst 1928 bis 1932 Mitglied der NSDAP, dann aber zum Regimegegner gewandelt, mehrere Jahre im KZ saß; er starb wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner unter ungeklärten Umständen in einer Heilanstalt in Jena.

Auch ein Hilfegesuch der Ehefrau Erwin Plancks, des Sohns von Nobelpreisträger Max Planck und 1932 in der Reichskanzlei von Papens Staatssekretär, lehnte er im November 1944 ab. Als Grund nannte er den „Willen des Führers“; am 23. Januar 1945 starb Planck am Galgen.

** ARCHIV **Vize-Kanzler Franz von Papen, links, und Adolf Hitler erschienen am 17. Juni 1933 zum Reichswehrkonzert im Berliner Stadion. Am 30. Januar 2008 jaehrt sich die Machtuebernahme Hitlers zum 75. Mal. (AP Photo)
Franz von Papen und Adolf Hitler am 17. Juni 1933 bei einem Reichswehrkonzert im Berliner Stadion
Quelle: AP
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Möckelmann zeigt in seiner Biografie an mehreren Fällen, dass von Papen keine Skrupel hatte, auch über die Leichen naher Verwandter und Bekannter zu gehen. Das belegt zweifellos seine Nähe zum NS-Regime.

Nach seinem Ausscheiden als Vizekanzler ging Papen erst als Gesandter des Deutschen Reiches nach Wien, später als Botschafter nach Ankara. Auch dort vertrat er die NS-Politik: In Wien bereitete er vier Jahre lang den Anschluss Österreichs vor; dafür verlieh Hitler ihm das goldene Parteiabzeichen der NSDAP.

In der Türkei forcierte er die Entlassung türkischer Juden aus führenden Funktionen. Außerdem drangsalierte er in die Türkei geflohene deutsche Emigranten, darunter Ernst Reuter. Und von Papen hintertrieb die Weiterreise verfolgter Juden über die Türkei nach Palästina.

Der nationalsozialistische Politiker Franz von Papen in seiner Zelle in Nürnberg während der Nürnberger Prozesse. Deutschland. Photographie. 1945. |
Franz von Papen (1879-1969) in seiner Zelle während der Nürnberger Prozesse. Es gelang ihm, sich als Judenretter darzustellen und freigesprochen zu werden
Quelle: picture alliance / IMAGNO/Votava

Besonders abstoßend: Als Angeklagter bei den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozessen behauptete Papen 1945/46 genau das Gegenteil. Nachweislich hatte sich Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., als päpstlicher Legat in der Türkei ab 1941 für verfolgte Juden eingesetzt. In Nürnberg nun beteuerte von Papen, sich an den Rettungsaktionen von Roncalli umfangreich beteiligt und so 10.000 Juden gerettet zu haben.

Gestützt unter anderem auf eine entgegengesetzte Darlegung Roncallis weist Möckelmann nach, dass es sich dabei um eine dreiste Erfindung von Papens handelte: Zu keinem Zeitpunkt hat er zugunsten verfolgter Juden in NS-besetzten Ländern interveniert. Er konnte sich als „Lügenbaron“ durchaus mit Hieronymus von Münchhausen messen, wie der frühere Diplomat feststellte.

Dennoch: Ein Mal bewies von Papen Mut und Gewissen – jedenfalls auf den ersten Blick. In einer Rede an der Marburger Universität am 17. Juni 1934 kritisierte er die fehlende Pressefreiheit und den üppigen Lebensstil mancher NS-Größen; er distanzierte sich sogar von der Terrorherrschaft Hitlers.

Für diese gewagte Rede erhielt von Papen zwei Tage Hausarrest und verlor seinen Posten als Vizekanzler. Inwieweit aber stand er überhaupt hinter dem Inhalt seiner Rede? Möckelmann betont, dass von Papen bereits am darauffolgenden Tag einen Brief an Hitler schrieb. Mit seiner Rede habe er die „Bewegung“ vor dem Untergang bewahren wollen und deshalb ihre Auswüchse kritisiert. Sie sei keinesfalls gegen Hitler persönlich gerichtet gewesen, sondern bemühe sich vielmehr um die Erhaltung seiner Macht.

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Hinzu kommt, dass von Papen die Rede nicht selbst verfasst hat, sondern sein Mitarbeiter Edgar Julius Jung. Fakten, die Möckelmanns Zweifel belegen: Die Marburger Rede taugt nicht als Generalentlastung des Steigbügelhalters Franz von Papen. Dennoch trug sie wohl dazu bei, dass er in Nürnberg freigesprochen wurde. Fortan sah er überhaupt keinen Grund zur Reue mehr.

Möckelmann, Reiner: „Franz von Papen. Hitlers ewiger Vasall“. (Philipp von Zabern Verlag, Darmstadt, 480 S., 39,95 Euro).

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