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Geschichte Materialschlacht

Was Sie jetzt über Verdun wissen sollten

Am 21. Februar 1916 begann jene Schlacht, die in Deutschland wie Frankreich symbolisch für die Gräuel des Ersten Weltkrieges steht. 350.000 Soldaten starben, bis zu 400.000 wurden schwer verletzt.
Leitender Redakteur Geschichte

Der Journalist blieb skeptisch – obwohl sein Gesprächspartner sich ganz siegesgewiss gab: „Der Erfolg sei absolut sicher“, hielt Theodor Wolff, Chefredakteur des liberalen „Berliner Tageblatts“, am 21. Februar 1916 die Äußerung eines Bekannten mit besten Verbindungen ins Preußische Kriegsministerium fest: „Alles sei mathematisch genau vorbereitet, ein Misslingen ganz ausgeschlossen.“

Wolff, prägende Gestalt der seinerzeit wohl wichtigsten deutschen Zeitung, mochte es nicht glauben. Denn so viele vermeintliche Gewissheiten hatten sich in den ersten beiden Jahren des Weltkrieges schon als falsch herausgestellt.

1916 - Die Hölle von Verdun

Eine Festung im Tal der Maas wird zum Sinnbild für den Materialkrieg. 1300 Geschütze hat die deutsche Heeresleitung aufgeboten, um die Franzosen an den Verhandlungstisch zu bomben.

Quelle: STUDIO_HH

Zuerst schien jedoch die Zuversicht seines Bekannten gerechtfertigt zu sein: Die Offensive erbrachte tatsächlich, trotz schwerer Verluste, binnen weniger Tage erste Erfolge, etwa die Eroberung des vorgelagerten Forts Douaumont. Die nationalistische Presse feierte die Mitteilungen aus der Obersten Heeresleitung, die liberalen Blätter berichteten distanziert. Öffentlich geäußerte Kritik wäre von der Zensur unterbunden worden.

Verdun: Der Name der Kleinstadt in Lothringen gilt bis heute, wenigstens in Deutschland und Frankreich, als Synonym für den Ersten Weltkrieg, für sinnlose Materialschlachten, für massenhaftes Sterben in verschlammten Schützengräben. Auf den rund 80 Quadratkilometern des eigentlichen Schlachtfeldes starben in zehn Monaten 350.000 Menschen, davon etwas mehr als die Hälfte Franzosen. Weitere bis zu 400.000 Mann trugen teilweise extreme Verletzungen davon.

Das deutsche Kalkül: schwere Artillerie

Viele der Toten wurden von Granaten bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt, sodass die in Jahrzehnten seit 1916 auf den trichterübersäten Todesfeldern gefundenen menschlichen Überreste gemeinsam in das riesige Beinhaus von Douaumont gebracht wurden. Dort allein sollen 135.000 Männer ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

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„Mathematisch“ gewiss sei der Sieg: Diese Einschätzung herrschte tatsächlich zu Schlachtbeginn im Kriegsministerium und im Großen Generalstab vor. Hatte die deutsche Seite doch enorme Feuerkraft zusammengezogen, nämlich 652 schwere Geschütze und 550 Rohre der normalen Feldartillerie. Mehr Feuerkraft war in der Weltgeschichte nie zuvor an einem Ort aufgefahren.

Für die Eröffnung der Offensive lagen gewaltige Munitionsmengen bereit, die von insgesamt 213 voll beladenen Zügen in die von 20.000 Mann aus Armierungsbataillonen und Kriegsgefangenen ausgebauten Stellungen gebracht worden waren. Es handelte sich, einer späteren Aufstellung des Reichsarchivs zufolge, unter anderem um 9210 Granaten für überschwere Mörser, 28.500 für mittlere und 69.000 für leichte Minenwerfer, außerdem 15 Mal so viele Schuss für Feldgeschütze. Trotz dieser irrsinnigen Menge an Vorräten mussten fortan Tag für Tag jeweils 34 Munitionszüge weiteren Nachschub anliefern.

Im Verhältnis drei zu eins überlegen

Drei deutsche Armeekorps standen am Morgen des 21. Februar 1916 bereit, also sechs Divisionen mit einer Gesamtstärke von etwa 90.000 Mann. Ihnen gegenüber lagen nur zwei reguläre französische Divisionen, die 72. und die 51., sowie einige unabhängig eingesetzte Bataillone. Statistisch war der Angreifer im Verhältnis drei zu eins überlegen.

Neun Stunden, von acht Uhr morgens bis 17 Uhr am Nachmittag, dauerte das fürchterlichste Vorbereitungsfeuer, das die Welt bis dahin gesehen hatte. Bis zu einer Million Granaten detonierten. Dann kletterten die ersten Regimenter aus den Laufgräben, in die sie während des Bombardements vorgerückt waren, um in der Abenddämmerung anzugreifen und französische Stellungen einzunehmen.

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Genau hundert Jahre nach den heftigen Kämpfen auf den Hügeln nördlich und östlich Verduns gibt es ab Februar und das ganze Jahr hindurch eine Fülle von Gedenkveranstaltungen vor Ort, außerdem Ausstellungen und TV-Dokumentationen; der deutsch-französische Kultursender Arte hat bereits einen Themenabend gesendet und wird weitere folgen lassen. Und natürlich gibt es eine Reihe von Neuerscheinungen.

Gerd Krumeich/Antoine Prost: „Verdun 1916“ (Klartext Verlag Essen. 272 S., 17,95 Euro) und Paul Jankowski: „Verdun. Die Jahrhundertschlacht“ (Fischer Verlag Frankfurt/Main. 427 S., 26,99 Euro)
Gerd Krumeich/Antoine Prost: „Verdun 1916“ (Klartext Verlag Essen. 272 S., 17,95 Euro) und Paul Jankowski: „Verdun. Die Jahrhundertschlacht“ (Fischer Verlag Frankfurt/Main. 427 S.,... 26,99 Euro)
Quelle: Verlage

Mit viel Vorschusslorbeeren tritt der Band „Verdun. Die Jahrhundertschlacht“ des US-Historikers Paul Jankowski an. Der Spezialist für französische Geschichte hat tatsächlich unglaublich viel Archivmaterial gesichtet. Dass darunter nur relativ wenig deutsche Quellen sind, liegt nicht an ihm, sondern an der Zerstörung der wichtigsten Bestände bei einem Bombenangriff auf Potsdam im April 1945.

Jankowski sind dabei einige interessante Einsichten gelungen, etwa die völlig neue Bedeutung von Karten für den Krieg: Im damals üblichen Maßstab 1:80.000, völlig ausreichend für die Planung von Feldzügen in Bewegung, waren sie auf einmal wertlos. Denn um Bäche, kleine Abhänge oder Hohlwege zu erkennen, braucht man schon eine Auflösung von 1:20.000 oder mehr. Um sie aber wurde auf dem Schlachtfeld von Verdun gekämpft.

Leider ist Jankowskis emotionales Buch jedoch seltsam unstrukturiert, sprunghaft und unlogisch aufgebaut. Zahlreiche Stilblüten der Übersetzung tun ein Übriges. Da ist etwa von einem „Pulverfass – egal ob Granaten oder Raketen“ die Rede, das explodierte. Von „klebrigem Lehm“, der „hinterlistig“ die Gelenke der Soldaten „umklammerte“. Oder vom „einsamen Meuterer“, der ein „Widerspruch in sich“ sei, ein „juristischer weißer Fleck“ – dabei gibt es für individuelle Befehlsverweigerung im Krieg einen klar definierten und auch juristisch eindeutigen Begriff: Deserteur.

Das genaue Gegenteil von Jankowskis Buch haben der Düsseldorfer Emeritus Gerd Krumeich und sein Pariser Kollege Antoine Prost in ihrem gemeinsamen Buch „Verdun 1916“ geschrieben: Nüchtern bis zur Zumutung, klar gegliedert in die Abschnitte „Entscheidungen“, „Kriegserlebnis“ und Mythos“, stets konsequent auf beide Seiten schauend, ist es ohne Zweifel jenseits des (übrigens gar nicht einmal so schlechten) Eintrages in der Online-Enzyklopädie Wikipedia zu Verdun sicher die beste Möglichkeit, sich sachlich über die ungeheure Schlacht zu informieren.

Wen vor allem das Erleiden dieser sinnlosen Kämpfe interessiert, sollte zusätzlich zu dem knapp zwei Jahre alten Band „Verdun. Urschlacht des Jahrhunderts“ von Olaf Jessen greifen. Der Publizist liefert eine furiose Collage von Hunderten Quellen ab, die förmlich in das Geschehen hineinsaugt.

Eine entscheidende Frage aber bleibt weiterhin offen: Warum Verdun? Widerlegt ist, dass der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn zielbewusst von Anfang an das „Ausbluten!“ des Gegners im Blick gehabt hätte. Zumal die lothringische Stadt auch erst nach Beginn der Offensive zu dem Symbol aufstieg, das angeblich die Voraussetzung von Falkenhayns zynischem Plan gewesen wäre.

Der tiefere Sinn bleibt weiter rätselhaft

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Vielleicht wollte Falkenhayn mit seiner harten, aber als begrenzt geplanten Offensive Franzosen und Briten zu schlecht vorbereiteten Entlastungsangriffen an anderen Frontabschnitten zwingen? Das legt Jessen nahe. Doch Vorbereitungen für dann notwendige Gegenattacken, stellen Krumeich und Prost fest, gab es eben nicht. So bleibt die tiefere Ursache für den deutschen Angriff auf Verdun weiter rätselhaft.

Nur eines ist klar: „Mathematisch“ sicher war der Sieg nicht: Am Ende wurde eine Niederlage daraus, für Deutschland, das den größten Teil seiner Reserven einbüßte, und für die Menschheit.

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