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Geschichte Pflicht-Lektüre

Das sind die besten Bücher zum Ersten Weltkrieg

Mehr als 10.000 verschiedene Bücher zur „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ hält die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt / Main bereit. Die folgende Auswahl ist höchst subjektiv.
Leitender Redakteur Geschichte

Runde Jubiläen regen Autoren und Verlage von jeher zu Höchstleistungen an. Das ist im Hinblick auf die hundertste Wiederkehr des August 1914 nicht anders: Allein im vergangenen Herbstprogramm der großen deutschsprachigen Verlage sind mehr als zwei Dutzend neue Bücher zum Ersten Weltkrieg erschienen, und für das kommende Frühjahr sind noch mehr Titel angekündigt.

Dabei hält die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt / Main schon jetzt mehr als 10.000 verschiedene Bücher zum Thema bereit. Eine solche Fülle kann niemand mehr vollständig überblicken, schon gar nicht „objektiv“. Zum Auftakt des Gedenkjahrs deshalb eine subjektive Empfehlung, welche neuen und vor allem nicht ganz so neuen Bände man gelesen haben sollte.

Hineingeschlittert

Seit Monaten hält sich Christopher Clarks voluminöses Buch über die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs auf den Topplätzen aller Sachbuch-Bestsellerlisten; inzwischen ist laut Amazon die 11. Auflage im Verkauf. Der Band, mit enorm breitem Horizont und dazu ausgesprochen spannend geschrieben, beschreibt die Konstellation in Europa zwischen 1903 und 1914. Im Kern ist Clarks These, dass alle europäischen Mächte in unterschiedlichem Maße für den Beginn des Krieges verantwortlich seien am stärksten Serbien. Allerdings führt, wie Clark selbst gelegentlich einräumt, der Titel „Die Schlafwandler“* in die Irre. Denn die Staatsmänner waren in jenen Jahren vor der „Urkatastrophe“ hoch wach und wussten genau, was sie taten.

Wie bei anderen Publikumsfavoriten auch wächst nach anfänglicher Begeisterung die Skepsis der Fachwelt gegenüber manchen Thesen des sympathischen Autors. Das ist keineswegs nur Neid, denn entscheidend für den Ausbruch des Krieges waren nicht die elf Jahre, die Clark eindrucksvoll Revue passieren lässt, sondern die elf Tage vom 23. Juli bis zum 3. August 1914. In dieser Zeit verzockten sich vor allem die deutschen Politiker und Militärs – mit fürchterlichen Folgen. Das wichtigste neue Buch zum Ersten Weltkrieg ist Christopher Clarks Werk trotzdem und wird es wohl auch bleiben.

Juli-Krise

Diplomatische Depeschen sind selten leicht zu lesen und noch seltener schnell zu verstehen. Nicht einmal, wenn sie sorgfältig und genau ins Deutsche Übertragen wurden. In zwei gewaltigen Bänden hat der Historiker Imanuel Geiss schon 1963/64, seinerzeit Assistent von Fritz Fischer auf dem Höhepunkt der Historikerstreits um die deutsche Kriegsschuld, viele hundert solcher Depeschen von allen Mächten herausgegeben.

Die wichtigsten davon fasste er 1965 in dem handlichen dtv-Taschenbuch „Juli 1914“* zusammen, das mehrere Auflagen auf Deutsch und Englisch erlebte. Natürlich enthalten diese Akten nicht die ganze Wahrheit über den Kriegsausbruch, aber doch so viel, dass das völlige Versagen der europäischen Politiker deutlich wird, ihr hilfloses Aneinandervorbeireden. Der Band ist seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr neu lieferbar, aber oft antiquarisch im Angebot.

Kriegsverbrechen

Zum „Krieg der Waffen“ gehört seit Menschengedenken der „Krieg der Worte“. Nach der Invasion deutscher Truppen in Belgien am 4. August 1914 verbreiteten sich binnen weniger Tage Nachrichten von furchtbaren Gewalttaten. Nonnen seien geschändet, Kindern die Hände abgeschlagen, kulturell wertvolle Städte aus Zerstörungslust abgebrannt, Tausende Zivilisten massakriert worden. Die deutsche Seite hielt dagegen und beklagte schießende Priester oder Überfälle durch bewaffnete Zivilisten. Der ganze Erste Weltkrieg wurde von dieser Gräuelpropaganda geprägt.

John Horne und Alan Kramer ist es mit ihrem Buch „Deutsche Kriegsgräuel 1914“*  gelungen, Wahrheit und Übertreibung sorgsam voneinander zu trennen. Dank Archivrecherchen in acht Staaten konnten sie feststellen, welche Kriegsgräuel tatsächlich stattfanden in Belgien 1914 – und was Übertreibung war. Ihre auch zehn Jahren nach Erscheinen noch lieferbare Studie im Backsteinformat zeigt, wie sich die Propaganda verselbstständigte und schon früh auch die kleinste Chance auf einen Verständigungsfrieden zunichte machte (Hamburger Edition. 740 S., 40 Euro).

Berliner Reflektionen

Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Am 23. Juli 1914, dem Tag des österreichisch-ungarischen Ultimatums an Serbien, begann der Chefredakteur des liberalen „Berliner Tageblatts“, Theodor Wolff, systematisch Tagebuch zu führen. Als ebenso gut in deutschen Regierungskreisen wie international vernetzter Journalist konnte er wie wohl niemand sonst die Politik seines Vaterlandes beurteilen.

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Wolffs Tagebücher*, die der Berliner Historiker Bernd Sösemann 1984 in einer nahezu perfekten Edition vorlegte, sind die wichtigste geistig unabhängige Quelle über die Berliner Sicht auf den Weltkrieg. Es gibt so gut wie kein politisch, militärisch oder gesellschaftlich relevantes Thema, dass Wolff nicht mit hochrangigen Gesprächspartner diskutiert hätte. Die Verlässlichkeit dieser Aufzeichnungen, die mindestens jeden zweiten Abend gegen Mitternacht am Stehpult in Wolffs Büro entstanden, ist außergewöhnlich. Die Edition ist auch nach 30 Jahren noch lieferbar.

„Weißbluten“

Das Gesicht des Ersten Weltkriegs ist auf deutscher Seite Paul von Hindenburg, der „Held von Tannenberg“ und Oberbefehlshaber von 1916 bis 1918. Doch auch wenn er nicht so ein tumber Greis war, wie das später oft behauptet wurde: Der wichtigste deutsche General war er keinesfalls. Dieser zweifelhafte Rang kommt viel eher Erich von Falkenhayn zu, seit 1913 preußischer Kriegsminister und 1914 bis 1916 Generalstabschef. Auf Falkenhayn geht das mörderische Konzept der Abnutzungsschlacht zurück, mit dem Ziel des „Weißblutens“ des Gegners.

Schon 1994 hat der Historiker Holger Afflerbach eine materialreiche und intellektuell beeindruckende Biografie gewidmet, die besonders das politische Denken dieses führenden Militärs der Kaiserzeit analysiert. Das Buch hat, ungewöhnlich genug für eine Dissertation, eine zweite Auflage erlebt, ist aber seit Jahren nur noch antiquarisch erhältlich (Oldenbourg Verlag. 586 S.).

Gesammeltes Wissen

Selbst wenn es bedeutend mehr Forschungen zum Zweiten Weltkrieg gibt: Auch die Literatur zum Krieg 1914 bis 1918 kann längst niemand mehr auch nur annähernd umfassend kennen. Zu vielfältig sind die Kriegsschauplätze, zu unterschiedlich die kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Fragestellungen.

Wer gründliche Information über oft oberflächliche Internet-Recherchen hinaus sucht, greift am besten zur „Enzyklopädie Erster Weltkrieg“*, die Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz herausgegeben haben. In 25 Essays und mehr als 650 lexikalischen Stichwörtern leuchten fast 150 Historiker aus 15 Ländern nahezu alle Facetten des Themas aus. Zur Zeit ist das erstmals 2004 erschienene großformatige Werk nur antiquarisch zu bekommen, doch für April 2014 ist eine erweiterte Neuausgabe angekündigt (UTB Stuttgart. 1060 S., 49,99 Euro).

Im Schützengraben

Auch Bücher haben eine Biografie – jedenfalls einige von denen, die besonders erfolgreich sind, also viele Auflagen erlebt haben. Sechsmal hat Ernst Jünger zwischen 1920 und 1978 sein Debütbuch „In Stahlgewittern“* überarbeitet, entweder dem Publikumsgeschmack angepasst oder seinen eigenen Vorstellungen.

Der Jünger-Biograf Helmuth Kiesel hat sich für seine zweibändige Edition der Fleißarbeit unterzogen, alle Varianten zu vergleichen und die Entstehung des berühmten Buches nachzuzeichnen, das man ebenso als Kriegsverherrlichung wie als schonungslosen Antikriegsbericht lesen kann. Erst in dieser vor wenigen Monaten erschienenen Fassung kommt man dem Rätsel Ernst Jünger wirklich nahe.

Im Westen nichts Neues

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Kein Buch hat das Genre des Antikriegsromans so sehr geprägt wie Erich Maria Remarques Klassiker „Im Westen nicht Neues“*, erstmals erschienen 1929. Die Geschichte des Kriegsfreiwilligen Paul Bäumer, der begeistert an die Front zieht und nach vier Jahren Überleben an der Front wenige Wochen vor dem Waffenstillstand fällt, vermittelt durch ihren nüchternen Ton den Wahnsinn im Schützengraben noch direkter als viele Feldpostbriefe.

Remarque war selbst nur zwei Monate im Kampfeinsatz und hatte doch seine ungeheure Gewalt am eigenen Leib gespürt. Bäumers Erlebnisse, in Ich-Form geschrieben, sind sorgfältig komponiert und nehmen dem Krieg all jene Überhöhung, die in den 1920er-Jahren üblich geworden waren, keineswegs nur durch Ernst Jünger. Zum 100. Jahrestag im kommenden August ist eine textkritische Neuausgabe mit klugen Erläuterungen des Remarque-Experten Thomas F. Schneider erschienen.

Kriegsland im Osten

Wer an den Ersten Weltkrieg denkt, hat in aller Regel die Schützengräben und Materialschlachten an der Westfront im Sinn. Die andere Front, jene im Osten, ist kaum präsent. Den weit ausgreifenden Bewegungskrieg dort und die brutale Besatzungsherrschaft in den eroberten Gebieten schildert in vielen Details der amerikanische Historiker litauischer Herkunft Vejas Gabriel Liulevicius in seiner Arbeit ��Kriegsland im Osten“*.

Nicht alle seine Schlüsse sind ganz überzeugend – wie eng etwa die Verbindungen zwischen deutscher Besatzungsherrschaft im Ersten und im Zweiten Weltkrieg sind, bedarf noch weiterer Studien. Aber ohne Zweifel ist Liulevicius’ Arbeit das bisher wichtigste Buch über den Krieg an der vergessenen Front.

Hitlers erster Krieg

Keine der annähernd hundert seriösen Biografien Adolf Hitlers hat je die Schilderung seiner Erlebnisse im Ersten Weltkrieg in der pseudobiografischen Hetzschrift „Mein Kampf“ grundsätzlich in Frage gestellt. Das tat erst 2011 der deutsche, im schottischen Aberdeen und in Harvard lehrende Historiker Thomas Weber. Sein Band „Hitlers erster Krieg“* geht aber noch weit hinaus über die quellengestützte Kritik an der Selbstdarstellung des NSDAP-Chef, über seine Entlarvung als Etappenhengst statt Frontschwein und über die Feststellung, dass Hitler erst 1919 in München zum radikalen Antisemiten wurde.

Schlüssig legt Weber nämlich dar, dass die meisten von Hitlers Regimentskameraden, auch und gerade die mit jahrelangen Fronteinsätzen, durch ihre Kriegserfahrungen nicht „traumatisiert, radikalisiert oder politisiert“ wurden. Jedenfalls nicht in einem Maße, dass sie nach 1918 nicht in ihre „Städte, Dörfer oder Weiler zurückgekehrt wären mit politischen Ansicht mehr oder weniger wie vor dem Krieg“. Sein Buch enthält viele Anknüpfungspunkte, die spannende Anschlussstudien erwarten lassen.

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