Die erste Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) im neuen Jahr begann mit einer Glückwunschformel: „Wir gratulieren dem neuen Euro-Mitglied Kroatien“, begrüßte EZB-Präsidentin Christine Lagarde das nunmehr 20. Mitglied im Währungsclub. Anschließend ging sie rasch zu ihrer eigentlichen Botschaft über: Entschlossenheit demonstrieren im Kampf gegen die weiterhin viel zu hohe Inflation im Euro-Raum.
Lagarde hat dafür eine neue verbale Formel gefunden, die sie im Verlauf der gut einstündigen Pressekonferenz fast ein Dutzend Mal wiederholt: „Kurs halten“ will die EZB nämlich, und zwar so lange, bis die Verbraucherpreise sich wieder in Richtung Preisstabilität bewegen.
Die Notenbank sieht dieses Ziel bei rund zwei Prozent Teuerung erreicht. Davon ist der Euro-Raum mit einer Inflationsrate von zuletzt geschätzten 8,5 Prozent allerdings immer noch sehr weit entfernt, auch wenn die Tendenz bei den Verbraucherpreisen seit dem Rekordhoch von 10,7 Prozent im Oktober nach unten weist.
Doch die sogenannte Kerninflationsrate, die die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel unberücksichtigt lässt, und die deshalb als wichtiges Indiz für mittelfristige Preistrends gilt, verharrt weiterhin auf dem Rekordwert von 5,2 Prozent. „Alive and kicking“ also „quicklebendig“ sei der zugrundeliegende Inflationstrend, sagt Lagarde.
Und in jedem Fall viel zu hoch, um jetzt geldpolitisch schon wieder nachzulassen. „Der Preisdruck bleibt stark, zum Teil, weil die hohen Energiekosten auf die gesamte Wirtschaft übergreifen“, warnt sie.
Deshalb hat die EZB die Leitzinsen im Februar wie bereits auf der vorherigen Sitzung im Dezember erneut um ein halbes Prozent erhöht. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun bei 3,0 Prozent, der Einlagesatz bei 2,5 Prozent.
Lagardes Kampf gegen die Inflation
Lagarde lässt keinen Zweifel daran, dass auch dieser Schritt noch längst nicht ausreicht. „Wir müssen noch mehr Boden gut machen. Wir sind noch längst nicht fertig“, sagt sie und wiederholt damit fast wortgleich die Botschaft des US-Notenbankpräsidenten Jerome Powell vom Vorabend.
Die Fed hatte die Leitzinsen ebenso wie die Bank of England ein weiteres Mal erhöht und dabei klargestellt, dass der Kampf gegen die Inflation in den USA damit noch längst nicht vorbei ist. Lagarde möchte offenkundig keinesfalls dahinter zurückstehen. Stattdessen äußerte sich die Notenbankpräsidentin sogar ganz besonders streng: „Niemand sollte daran zweifeln, dass wir die Inflation auf zwei Prozent drücken“, betont sie kämpferisch.
Es sind ungewohnte Töne, vor allem wenn man bedenkt, wie nachsichtig die EZB-Präsidentin trotz prominenter Warnungen von Ökonomen in der Vergangenheit auf die rasant steigenden Verbraucherpreise geschaut hat. Jetzt lässt Lagarde keinen Zweifel daran, dass die EZB den aggressivsten Zinserhöhungszyklus in ihrer Geschichte im Kampf gegen die hohe Inflation weiter fortsetzen will.
„Wir planen, die Leitzinsen auf der nächsten Sitzung im März um weitere 50 Prozentpunkte anzuheben“, kündigt sie an. Diese Art von Vorfestlegung ist durchaus überraschend. In der Vergangenheit hat die EZB oft betont, von Monat zu Monat und streng datengetrieben entscheiden zu wollen.
Und die Euro-Hüterin setzt noch einen drauf. Danach gefragt, wann denn das mögliche Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht sei, antwortet sie, dass es nicht ausreichen werde, die Zinserhöhungen nur auf ein restriktives Niveau zu heben: „Wir werden so lange auf diesem restriktiven Level bleiben, bis wir sicher sind, dass wir das mittelfristige Preisziel erreichen.“
Was das für die übernächste Zinssitzung im Mai konkret bedeuten könnte, so weit will sich die EZB-Präsidentin dann allerdings doch noch nicht festlegen. Es könne eine Erhöhung „um 50 Basispunkte oder 25 Basispunkte“ sein, sagt sie. „Was auch immer nötig ist, um unser Ziel zügig zu erreichen.“
EZB-Kurs kommt an Finanzmärkten gut an
An den Finanzmärkten kam der entschlossene Kurs der EZB gut an. Der deutsche Leitindex Dax legte nach der Entscheidung zu und notierte rund 1,5 Prozent höher. Hingegen notierte der Euro zum Dollar knapp 0,8 Prozent schwächer bei 1,0931 Dollar.
„Die EZB findet an der Zinsschraube immer mehr Gefallen“, kommentierte Alexander Krüger, Chefökonom bei der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank den Auftritt Lagardes. Mit dem Zinsschritt klopfe sie am konjunkturrestriktiven Zinsbereich an.
Als „folgerichtig“ bezeichnete Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW den Kurs der Notenbank. „Der EZB-Rat tappt derzeit im Dunkeln, wann mit einem nennenswerten Rückgang der Kerninflation zu rechnen ist. Er musste in den letzten zwei Jahren lernen, wie schlecht sich die Inflation jenseits eines Zeithorizonts von einem Jahr prognostizieren lässt“, so der Ökonom. Nun wolle die derzeitige Mehrheit im Rat erst einen substanziellen Rückgang in der Kernrate sehen, bevor mit einem Ende der Zinserhöhungen zu rechnen sei.
Unterdessen zeichnet sich bei den Lieferketten für Industriegüter in Deutschland eine leichte Entspannung ab. So meldete das Münchner Ifo-Institut, dass die Materialknappheit in der Industrie zuletzt abgenommen hat.
Wegen der vielfachen Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten waren die Preise in dem Sektor in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Im Januar berichteten 48 Prozent der vom Ifo-Institut befragten Firmen über Engpässe.
Im Dezember waren es noch fast 51 Prozent. Aber weiterhin könnten viele Unternehmen ihre hohen Auftragsbestände nur langsam abarbeiten, sagte Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe.
„Alles auf Aktien“ ist der tägliche Börsen-Shot aus der WELT-Wirtschaftsredaktion. Jeden Morgen ab 7 Uhr mit den Finanzjournalisten von WELT. Für Börsen-Kenner und Einsteiger. Abonnieren Sie den Podcast bei Spotify, Apple Podcast, Amazon Music und Deezer. Oder direkt per RSS-Feed.