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Die wachsende Macht der Orthodoxen gefährdet Israel

Senior Editor
Wütende Proteste – Ultraorthodoxe Juden demonstrieren gegen Wehrpflicht

In Israel haben Tausende ultraorthodoxe Männer gegen die gerichtlich verfügte Verpflichtung zum Wehrdienst in der israelischen Armee protestiert. Es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei.

Quelle: WELT TV

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Söhne und Töchter säkularer Israelis sterben in Konflikten, die orthodoxe Politiker schüren. Einen solchen Widerspruch kann auf Dauer kein Staat überleben. Die israelische Rechte muss die Gefahr abwenden.
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Es wäre eine gewaltige Untertreibung, Israel angesichts der Proteste von ultraorthodoxen Juden gegen den Wehrdienst als gespalten zu beschreiben. Die gewalttätigen Demonstrationen vom Wochenende zeigen nicht nur, dass der jüdische Staat mitten im Krieg höchst uneins ist, vielmehr verdeutlichen sie eine Hauptgefahr für den Bestand Israels, die vielleicht noch größer ist als jene, die vom iranischen Atomprogramm ausgeht. Denn der Widerstand verdeutlicht ein Paradoxon in der israelischen Gesellschaft, dass sich im Fall eines weiteren Rechtstrends zu einem unauflösbaren, zerstörerischen Widerspruch auswachsen kann.

Schließlich sind eben jene frommen Juden, die am Wochenende Autobahnen blockierten, um ihre Einziehung in die Armee zu verhindern, einer der Hauptgründe dafür, dass genau diese Armee immer mehr gebraucht wird und zugleich immer mehr unter Druck steht.

Es sind die politischen Vertreter der Orthodoxie, die eine Ausweitung der jüdischen Siedlungen im Westjordanland vorantreiben und sich immer wieder Kämpfe mit Bewohnern palästinensischer Dörfer liefern. Dass der Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben Gvir, der der orthodoxen Siedlerbewegung nahesteht, die Spannungen in der Westbank gezielt verschärfte, führte vor dem Hamas-Anschlag vom 7. Oktober unter anderem dazu, dass große Armee-Einheiten vom Rand des Gazastreifens ins Westjordanland verlegt werden mussten.

Dadurch war Israel dem mörderischen Massenansturm noch schutzloser ausgeliefert. Allein dieses Beispiel zeigt, dass die politische Orthodoxie einerseits Israels Sicherheitsprobleme verschärft, aber andererseits den Staat zunehmend daran hindert, diesen Gefahren zu begegnen. Wenn man diese absurde Tendenz in die Zukunft hochrechnet, dann wird deutlich, wie existenziell die Gefahr ist, die von der wachsenden Macht der Frommen im Land ausgeht.

Dass die Orthodoxen in der israelischen Demokratie an Einfluss gewinnen werden, ist eine demografische Tatsache. Während eine nichtreligiöse israelische Frau im Durchschnitt zwei Kinder gebiert, sind es bei orthodoxen Frauen durchschnittlich mehr als sechs Kinder. Auch unter der arabischen Bevölkerung Israels ist die Geburtenrate mit drei Kindern pro Frau deutlich höher. Doch genau diesen arabischstämmigen Teil der israelischen Bevölkerung wollen die Politiker der religiösen Parteien am liebsten abschieben oder politisch entrechten.

Und sie wollen weitere palästinensische Gebiete besiedeln. Wenn Israel auf diesem Weg voranschreitet, dann könnte das Land in ein paar Jahrzehnten deutlich jüdisch-religiöser sein, von noch deutlich mehr inneren und äußeren Konflikten destabilisiert als heute schon, von immer weniger säkularen Kriegerinnen und Kriegern verteidigt, und von einer wachsenden Klasse der Betenden regiert, die die Gefahr immer weiter anheizen – ohne selbst den Kampf zu kämpfen, den sie schürt. In diesem Szenario wird der demokratische Staat Israel nicht auf Dauer überleben können.

Relikt der Vergangenheit

Die Ausnahme von der Wehrpflicht für die Orthodoxen war bei der Gründung Israels eine Reverenz des weit überwiegend säkularen Landes an jene, die doch als Bewahrer des kulturellen und religiösen Erbes angesehen wurden. Damals machten sie nur sechs Prozent der Bevölkerung aus. Heute sind es je nach Berechnung bis zu 22 Prozent. Deshalb ist es nur logisch, dass Israels Oberster Gerichtshof diesen bedeutenden Teil der Bürger nicht länger von der Landesverteidigung freigestellt wissen will, und entsprechend urteilte.

Schon heute sterben die Söhne und Töchter säkularer Israelis in jenen Konflikten, die orthodoxe Politiker schüren. Einen solchen Widerspruch kann auf Dauer kein Staat überleben, weder ein demokratischer noch ein undemokratischer. Letztlich muss es die israelische Rechte sein, die diese Gefahr abwendet. Es war vor allem Benjamin Netanjahu, der im Austausch für politische Unterstützung den Orthodoxen immer mehr Spielräume gab.

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Dadurch konnte er eine Politik durchsetzen, die im Gegensatz zur israelischen Linken nicht zuerst auf Verhandlungen mit den Palästinensern setzte, sondern auf die Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit. Sicherheit zuerst. Das war immer Netanjahus Versprechen. Doch mittlerweile gefährdet sein Pakt mit den Religiösen Israels Sicherheit, weit über den 7. Oktober und seine Folgen hinaus. Sein Lager muss eine neue Strategie liefern, die Israels Sicherheit auf Dauer gewährleisten kann.

Mit der wachsenden Macht der frommen Kriegsdienstverweigerer wird das nicht gehen.

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