Ja, meint Franziska Zimmerer
Olaf Scholz hat viele Schwächen. Er ist nicht besonders schön, er ist nicht besonders unterhaltsam, er ist kein besonders guter Bundeskanzler. Aber eine Sache macht er richtig: Er stürzt sich ins TikTok-Getümmel und tanzt dabei nicht. Seit gut einer Woche ist er auf der datenfressenden chinesischen Video-Plattform unter dem Namen „TeamBundeskanzler“ aktiv.
Der Name ist raffiniert gewählt. Denn er ist kaum zu sehen. Sondern ein anderes Team-Mitglied: seine zerfledderte schwarze Lederaktentasche. Sie und Olaf bilden also Team Bundeskanzler. Zu sehen ist die durchgehangene Tasche auf Reisen oder im Büro des Kanzlers. Sie erinnert an die Tasche eines humorbefreiten Physiklehrers, der seine Kreide immer in einer kleinen Keks-Blechbüchse sammelte.
Und genau das ist wahrscheinlich die Idee des Teams hinter dem TeamBundeskanzler. Die Tasche soll etwas Ikonisches haben: Sie ist alt, steht für Scholz’ Bodenständigkeit. Sie ist weit gereist und symbolisiert die langjährige Erfahrung des Politikers. Über so viel Schlichtheit kann man die Nase rümpfen. Oder einfach anerkennen, dass es ziemlich genial ist.
Die Autorin will Tiktok verbieten, aber nicht wegen Olaf Scholz.
Nein, meint Jan Alexander Casper
TikTok ist ein Medium für Grenzdebile, seinen Zuschauern hämmert es so penetrant bunte Filmchen ins Hirn wie die Bildschirmwände in den dystopischen Wohnzimmern von Ray Bradburys „Fahrenheit 451“. Stumpf ist Trumpf: Sechs der zehn erfolgreichsten deutschen TikTok-Politiker waren im Herbst 2023 AfDler. Der einzige erfolgreiche CDU-Mann in den Top Ten ist der peinliche Altherrenwitzler Uwe Dorendorf. In einem Video flieht er vor der Überschrift „Wenn sie sagt, dass sie Die Grünen wählt.“
Bundeskanzler Olaf Scholz gibt sich diese Blöße nicht und lässt stattdessen seine Aktenasche inszenieren oder beantwortet Nutzerkommentare wie: „Dönerpreisbremse SOFORT“. „Eine Preisbremse wird es nicht geben“, antwortet der Kanzler, was langweilig ist und harmlos und trotzdem eines Bundeskanzlers nicht würdig, Abgeordnete haben da mehr Freiraum.
Scholz sollte lieber mehr virale Momente im echten Leben produzieren, so wie seine „Kriegstreiber“-Wutrede. Sie ging von selbst durchs Netz, und im Gegensatz zu trockenen Aktentaschen-Filmchen wirkte Scholz sogar menschlich.
Der Autor findet, Kindern sollte man die Smartphones wegnehmen.