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Meinung Wirtschaftlicher Aufschwung

Wie Griechenland die Wende schaffte – und was noch zu tun ist

Korrespondent Europäische Wirtschaft
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Die griechische Flagge über dem Parlamentsgebäude; WELT-Redakteur Tobias Kaiser
Quelle: ANGELOS TZORTZINIS/AFP; Marlene Gawrisch
Das ehemalige Problem-Land der Euro-Zone ist heute der Wachstumsstar Südeuropas. Die Politik der neuen alten Regierung in Athen wird darüber entscheiden, ob das Land zu reicheren Volkswirtschaften in der EU aufschließen kann.
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Griechenland ist eine europäische Erfolgsgeschichte. Es ist noch nicht einmal 15 Jahre her, da stand das Land am Rande der Staatspleite und drohte die Euro-Zone zu sprengen. Was für ein Kontrast zu heute. Der einstige Problemfall der Euro-Zone, der mit seinen Schulden die gesamte Währungsunion gefährdet hatte, ist heute der Wachstumsstar Südeuropas. Die griechischen Schuldenberge schrumpfen, und die Regierung hat sogar ihre IWF-Kredite vorzeitig zurückgezahlt.

Die griechische Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Wende hingelegt. Das ist Anlass für Zuversicht, aber noch keine Entwarnung. Denn wie nachhaltig diese Entwicklung ist, werden erst die kommenden Jahre zeigen. Der Absturz der griechischen Volkswirtschaft in der sogenannten Euro-Krise war tief und wirkt bis heute nach. Vorausgegangen war damals ein Boom, Griechenlands Beitritt zum Euro hatte Investoren angelockt und für historisch niedrige Zinsen in dem Land gesorgt.

Das billige Geld befeuerte Konsum und Investitionen, die Wirtschaft wuchs rasant, und der Wohlstand stieg. Weitgehend unbemerkt geriet die Wirtschaft aber parallel immer mehr in Schieflage, weil der griechische Staat, Unternehmen und Privatleute die niedrigen Zinsen nutzten, um im großen Stil auf Pump zu leben. Vor allem der Anstieg der öffentlichen Schulden fiel lange nicht auf, weil die nationale Statistikbehörde jahrelang die Statistiken fälschte.

Eine Rezession ab 2007 brachte das wahre Ausmaß der Verschuldung scheibchenweise ans Licht. Mit Bekanntwerden des Betrugs verloren Finanzmärkte und Ratingagenturen das Vertrauen in die offiziellen Zahlen und in die Zahlungsfähigkeit des Landes. Banken und andere internationale Geldgeber liehen der griechischen Regierung kein Geld mehr zu günstigen Konditionen, griechische Banken gaben keine Kredite mehr, und plötzlich fehlte das Geld.

In der Folge brach die Wirtschaft dramatisch ein. Die bereits laufende Rezession verschärfte sich, und bis Ende 2014 verlor Griechenland fast ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung. Der Internationalen Währungsfonds (IWF), die Europäische Zentralbank und die Europäische Union schnürten zwar Rettungspakete, um eine Staatspleite zu verhindern.

Aber harte Sparmaßnahmen, die Kreditgeber zur Bedingung für Hilfen machten, verschärften die Wirtschaftskrise zusätzlich. Bis 2017, rund zehn Jahre lang, steckte die Volkswirtschaft in der Rezession.

Tourismus und Immobilienboom helfen

Diese düsteren Zeiten hat das Land ein Stück weit hinter sich gelassen, heute ist Griechenland Südeuropas Wachstumsstar. Im vergangenen Jahr legte die Wirtschaft um 8,4 Prozent zu; im Jahr zuvor um kräftige 5,4 Prozent. Das ist ein Stück weit eine Erholung nach dem Corona-Einbruch; vor allem wegen der Rückkehr der Touristen, die während des ersten Pandemie-Jahres kaum kamen.

Getrieben wird der Aufschwung aber auch von Unternehmen, die wieder kräftig investieren. Das ist normal für die Erholung nach einer Rezession, schließlich haben die Firmen zehn Jahre lang gespart und müssen jetzt Investitionen nachholen. Das Geld fließt vor allem in die wichtige Tourismusbranche.

Ein Immobilienboom sorgt zusätzlich dafür, dass viele neue Wohnungen und Häuser gebaut werden. In bestimmten Gegenden von Athen und auf fast allen Inseln haben vor allem ausländische Käufer Schnäppchenpreise ausgenutzt und dafür gesorgt, dass die Immobilienpreise stark gestiegen sind. Dass die Zinsen lange niedrig waren, hat geholfen.

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Auch ausländische Unternehmen trauen sich wieder, in Griechenland zu investieren. Der im Juni wiedergewählte Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat seit 2019 eine wirtschaftsfreundliche Politik verfolgt und der internationalen Gemeinschaft vermittelt, dass Griechenland ein verlässlicher wirtschaftlicher Partner ist. Einen Austritt des Landes aus der Währungsunion oder gar der EU fürchtet niemand mehr.

Niedrige Preise, günstige Fachkräfte

Tatsächlich hat sich Griechenland in vielen Bereichen grundlegend reformiert. Steuerhinterziehung wurde eingedämmt, und die Regierung nimmt weit mehr Steuern ein, als von ausländischen Beobachtern prognostiziert.

Viele Gesetze wurden vereinfacht und die Verwaltung stark digitalisiert. Das hat das Ausland zum ersten Mal in der Corona-Pandemie wahrgenommen, als die digitale Verwaltung für effektive aber gleichzeitig maßvolle Maßnahmen sorgte, die dem Land viel Bewunderung eingebracht haben.

Die Krise hat Griechenland zudem wieder zu einem günstigen EU-Standort mit gut ausgebildeten Arbeitskräften gemacht. Viele Preise sind in den vergangenen 13 Jahren nicht gestiegen oder sogar gefallen, und die in der Wirtschaftskrise gesunkenen Löhne steigen zwar wieder, doch gut ausgebildete Tech-Spezialisten sind in Athen immer noch weit günstiger als in London oder Paris.

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Geld aus Brüssel unterstützt den Investitionsboom zusätzlich: Griechenland hat Anspruch auf mehr als 30 Milliarden Euro aus dem in der Corona-Krise geschaffenen EU-Wiederaufbaufonds. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist das Land einer der größten Profiteur der Maßnahme.

In den vergangenen knapp zwei Jahren hat das Land zudem von einer Sonderkonjunktur profitiert, denn mit den Versorgungsengpässen nach dem Ende der Corona-Maßnahmen sind die Preise für Transporte auf dem Meer stark gestiegen. Die Geschäfte der griechischen Reeder lassen sich zwar nur schwer aus den Statistiken herauslesen, aber in Griechenland gilt: Wenn es der internationalen Schifffahrt gut geht, gehören die griechischen Reeder zu den großen Profiteuren.

Stresstest steht bevor

Das kräftige Wachstum und die hohe Inflation sorgen zudem dafür, dass die Schuldenlast im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sinkt. Vor drei Jahren stand das Land noch mit 207 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in der Kreide. Seitdem ist der Verschuldungsgrad auf 168 Prozent gefallen. Hält der Trend an, könnte Griechenland schon in zwei Jahren besser dastehen als Italien – das neue Sorgenkind der Euro-Zone.

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Noch aber ist die Krise nicht ausgestanden. Griechenland wird noch Jahrzehnte damit kämpfen, die erdrückende Verschuldung in den Griff zu bekommen. Tatsächlich steht die Wirtschaft immer noch vor großen Problemen.

Das drängendste ist der Investitionsboom, der normal ist für die Erholung nach einer Rezession und in wenigen Jahren auslaufen dürfte. Dann wird sich zeigen, wie nachhaltig die griechische Wirtschaft auf Wachstumskurs ist und ob sie dauerhaft zu anderen Ländern in der Euro-Zone aufschließen kann.

Dafür ist noch viel zu tun. Das Land braucht weitere Reformen für starke und unabhängige Institutionen, eine effiziente Justiz, schnelle Gerichte, eine unparteiische Bürokratie und unabhängige Medien. In den vergangenen zehn Jahre ist die Regierung hier nur schrittweise vorangekommen.

Dass im Wahlkampf im Frühjahr praktisch gar nicht über Reformen geredet wurde, ist ein schlechtes Omen. Stattdessen hat der neue alte Ministerpräsident Mitsotakis mehr Geld für soziale Maßnahmen versprochen. Denn die lange Rezession und die strengen Sparmaßnahmen haben für soziale Verwerfungen gesorgt. Griechenland hat inzwischen eine der höchsten Armutsraten in der EU, und die hohe Inflation sorgt angesichts der niedrigen Löhne auch in der Mittelschicht für Existenzängste.

Dass Politiker im Wirtschaftsboom wichtige Strukturreformen gerne verschleppen, stellen die Bürger in Deutschland gerade schmerzhaft fest. Ob Griechenland solch folgenschwere Versäumnisse vermeiden kann, das muss die gerade erst ins Amt gekommene Regierung noch beweisen.

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