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Meinung Sicherheitspolitik

Warum wir einen Nationalen Sicherheitsrat brauchen

So stellt sich Kramp-Karrenbauer die Zukunft der Bundeswehr vor

Annegret Kramp-Karrenbauer spricht sich für mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates aus. Ein Land wie Deutschland könne nicht einfach nur am Rande stehen und zuschauen, sagte AKK.

Quelle: WELT/Michael Wüllenweber

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In einer Welt, die immer unsicherer wird, muss staatliches Handeln besser koordiniert werden, meint unser Gastautor. Kramp-Karrenbauer plädiert nun für einen Nationalen Sicherheitsrat. Zwei Fragen sind in diesem Zusammenhang zu beantworten.

Dieser Herbst steht wie schon lange nicht mehr im Zeichen einer intensiven Diskussion zur Verantwortung Deutschlands und der Europäischen Union bei der Gewährleistung von äußerer und innerer Sicherheit. Europa sollte „eigene Muskeln aufbauen, wo wir uns lange auf andere stützen konnten“, erklärte die künftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Außenminister Maas plädiert für einen Europäischen Sicherheitsrat, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für einen Nationalen Sicherheitsrat in Deutschland.

Die Einsicht, dass die bestehenden Potenziale und Strukturen angesichts neuer Risiken und Herausforderungen nicht mehr ausreichen, bekommt auch im öffentlichen Diskurs zunehmend Raum. Die Folge: Neben einer Bestandsaufnahme von Personal und Material stehen auch die Entscheidungsprozesse auf dem Prüfstand. In diesem Kontext steht die Forderung nach einem nationalen oder auch einem europäischen Sicherheitsrat.

Staaten wie die USA und Großbritannien, die sich traditionell als eigenständige sicherheitspolitische Akteure verstehen, verfügen seit Langem über derartige Gremien. In den USA ist es der National Security Council, bei den Briten der National Security Council in the Cabinet Office.

Was ist der Sinn eines Sicherheistsrates?

Sie existieren aber nicht im luftleeren Raum. Ihnen sind umfangreiche Analyse- und Beratungskapazitäten wie die „Joint Intelligence Organization (JIO)“ des Cabinet Office in London und das „Office of the Director of National Intelligence (ODNI)“ in Washington direkt zugeordnet. Zwei Fragen sind also zu beantworten: Was ist der Sinn eines Sicherheitsrates? Und wie sollte er aufgebaut sein?

Grundsätzlich dient ein Sicherheitsrat in einer Welt, die immer unsicherer und komplizierter wird, der Koordination gesamtstaatlichen Handelns. Wir alle sind uns dessen bewusst: Sicherheit ist ebenso komplex wie die Verwundbarkeiten moderner Gesellschaften und Staaten. Sie umfasst internationale wie nationale, externe wie interne, wirtschaftliche, zivilgesellschaftliche, ökologische wie militärische und technisch-wissenschaftliche Dimensionen.

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Ein Sicherheitsrat bietet den institutionellen Rahmen für eine in Zielsetzung, Verfahren und Folgenbewertung abgestimmte Politik. Er umfasst damit ein breites Spektrum von Ressorts und Sicherheitsbehörden und untersteht als koordinatives Regierungsgremium direkt der politischen Leitung der jeweiligen Regierung und der Kontrolle von Parlament und Justiz.

Die Beispiele USA und Großbritannien verdeutlichen, dass auch in Deutschland ein Sicherheitsrat kein Ad-hoc-Gremium sein kann. Die Koordination gesamtstaatlicher Entscheidungsfindung erfolgt vielmehr in einem kontinuierlichen und strukturierten Prozess, mit klar geregelten Verantwortlichkeiten, Verfahren und Zuständigkeiten. Ein Sicherheitsrat muss auf einen Unterbau zurückgreifen können, der den Entscheidungsträgern fundierte Analysen schnell und in geeigneter Form vorlegen kann.

Wie kann der Unterbau für einen Sicherheitsrat aussehen?

Angesichts der im Cyber-Zeitalter exponentiell gewachsenen Dynamik und Wirkungsmacht von Risiken und Gefahrenlagen müssen derartige Strukturen besonders stabil und hochgradig leistungsstark sein. Klar ist: Das erfordert Personal und produziert Kosten. Auf der anderen Seite steht ein Gewinn an Sicherheit durch sachkompetente Entscheidungsfindung in komplexen und dynamischen Bedrohungslagen.

Wie sollte der Unterbau für einen Sicherheitsrat aussehen? Am Anfang eines gesamtheitlichen Entscheidungsprozesses steht eine umfassende, integrierte Lagefeststellung und -beurteilung. Die einem Sicherheitsrat zuzuarbeitende Lage- und Analysefunktion muss breit aufzustellen sein und über eine hohe fachliche und politische Deutungskompetenz verfügen. Fachkompetenz basiert auf abrufbarer Expertise in Ressorts, Nachrichtendiensten und Wissenschaft. Politische Deutungskompetenz entsteht in enger Anbindung an die politische Entscheidungsebene.

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Ein Lage- und Analysezentrum wird darum an der Schnittstelle zwischen beiden Bereichen anzusiedeln und adäquat zu besetzen sein. Ein regulärer direkter Zugang zur politischen Entscheidungsebene und eine Partizipation an den Entscheidungsprozessen sind daher essenziell. Es ist kein Zufall, dass die Leiter der entsprechenden Strukturen in den USA und Großbritannien Kabinettsrang haben.

Ein Lage- und Analysezentrum muss über leistungsstarke Unterstützung in den zuständigen Ressorts und Behörden verfügen, aus denen Personal abgeordnet und Expertise zur Verfügung gestellt werden.

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Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es hier um die zeitgerechte Bereitstellung von Analyse geht, nicht um die unkommentierte Zusammenstellung und Weiterleitung von Informationen. Diese wird bereits heute in verschiedenen Lagezentren mit 24/7-Kapazität geleistet, sie hat jedoch wenig mit Informationsverdichtung und nichts mit Analyse zur Unterstützung dynamischer Entscheidungsprozesse zu tun. Eine fachlich fundierte Lagebeurteilung muss mit der Dynamik von Bedrohungen Schritt halten können, wenn sie entscheidungsrelevant sein soll.

Ablauforganisation und technische Infrastruktur für die integrierte Lageanalyse müssen ebenfalls den zentralen Erfordernissen von Zeitgerechtigkeit und Sicherheit entsprechen. Nur so können zeitnahe Auftragssteuerung und verzugslose Unterrichtung sichergestellt werden. Erforderlich ist die größtmögliche räumliche, personelle und organisatorische Nähe eines Lage- und Analysezentrums zum Sicherheitsrat bei gleichzeitiger fachlicher Autonomie in Lagefeststellung und Beurteilung sowie eine leistungsstarke sichere Vernetzung mit den unterstützenden Bereichen. Dies wird nicht ohne Investitionen in bauliche und technische Infrastruktur möglich sein.

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Im Zusammenhang mit Überlegungen zu einem europäischen Sicherheitsrat mag es überraschen, dass in der EU bereits seit Längerem Elemente einer vernetzten Lagefeststellung und -beurteilung von den Mitgliedstaaten im Rat und später im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) geschaffen und weiterentwickelt worden sind. Hier erstellen das zivile „Intelligence Analysis and Situation Centre (INTCEN)“ und das „Intelligence Directorate“ des Europäischen Militärstabes (EUMS INT) in Zusammenarbeit Analysen zu entscheidungsrelevanten Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der Sicherheitsgewährleistung angesichts terroristischer und hybrider Bedrohungen.

EU INTCEN und EUMS INT sind institutionell eng und hochrangig mit den Entscheidungsstrukturen der EU verbunden, und sie können zugleich auf ein breites Spektrum freiwillig unterstützender ziviler und militärischer Nachrichten- und Sicherheitsdienste zurückgreifen, die Fachpersonal ebenso wie Expertise zur Verfügung stellen. Ein eventueller Sicherheitsrat in der Europäischen Union würde somit im Bereich der vorgelagerten integrierten Lagefeststellung und -beurteilung bereits auf erprobte Grundstrukturen aufsetzen können, die gegebenenfalls weiter ausgebaut werden müssten.

Gerhard Conrad ist Islamwissenschaftler und war Agent des Auslandsnachrichtendienstes BND im Nahen Osten
Gerhard Conrad ist Islamwissenschaftler und war Agent des Auslandsnachrichtendienstes BND im Nahen Osten
Quelle: EU

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