Was wurde aus...? Aufstieg und Niedergang des Warenhauskonzerns Hertie

Hertie spiegelt ein Stück deutscher Geschichte: Expansion, Enteignung durch die Nazis, Wirtschaftswunder, Insolvenz. Die Marke existiert weiter – allerdings nur noch online.

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Oscar Tietz träumt von einem eigenen Geschäft. Dass dieser Traum 1882 Wirklichkeit wird, verdankt er seinem Onkel. Der Kaufmann gibt ihm das nötige Startkapital und finanziert damit einen Laden in Gera, Thüringen. Zum Dank nennt sein Neffe diesen „Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weiß- und Wollwarengeschäft Hermann Tietz“.



Dieses wird später viele Nachahmer finden: feste Preise, großes Angebot, keine Stundungen. Die Warenhausgruppe expandiert schnell. Mitte der 1920er-Jahre übernimmt die deutsch-jüdische Familie Tietz die Warenhauskette A. Jandorf & Co. – samt Kaufhaus des Westens (KaDeWe).



Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlieren die Söhne und der Schwiegersohn von Oscar Tietz dessen Lebenswerk. Schrittweise enteignen die Nationalsozialisten die Familie. Die Hermann Tietz OHG wird zur Hertie GmbH, die Geschäftsführung ausgetauscht. Der Profiteur: Georg Karg, zuvor Zentraleinkäufer der Warenhauskette. Er erwirbt die Warenhäuser für einen Schleuderpreis von den Banken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verlangen die Tietz-Erben ihr Eigentum wieder. Karg weigert sich zunächst. Am Ende einigen sich die Parteien auf einen Vergleich. Die Familie erhält die Häuser in München, Stuttgart und Karlsruhe zurück – und verpachtet die Immobilien mit einer Laufzeit von 20 Jahren wiederum an Hertie. Danach kauft Karg die Häuser mithilfe einer festgelegten Kaufoption erneut.

In der DDR folgt die Enteignung vieler Hertie-Filialen. Allein in Berlin ist mehr als die Hälfte der Geschäfte betroffen. Im Westen sind die Warenhäuser ein wichtiges Symbol des Wirtschaftswunders, doch die Konkurrenz wächst. Niedrigpreiskonkurrenten wie Woolworth gewinnen an Bedeutung. Herties Antwort: die Billigkette Bilka. Ende der 1980er-Jahre brechen die Umsätze schließlich ein. Die Karstadt AG erwirbt 1994 die Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH. Sechs Jahre später fusioniert Karstadt zur KarstadtQuelle AG, welche wiederum zu Arcandor wird.

Mit der Übernahme werden die Hertie-Filialen geschlossen oder umbenannt. 2005 verkauft Arcandor 75 Karstadt-Häuser samt der Hertie-Namensrechte. Der Käufer: der britische Finanzinvestor Dawnay Day. Unter seiner Ägide öffnen 2007 erste Hertie-Filialen erneut die Türen. Kurz darauf folgt die Pleite. Insolvenzverwalter Biner Bähr zufolge war Investor Dawnay Day gar nicht daran interessiert, die Geschäfte am Laufen zu halten, sondern wollte die Immobilien lukrativ verkaufen.



Am 15. August 2009 öffnen die Hertie-Kaufhäuser zum letzten Mal die Pforten. Die HDL AG kauft die Markenrechte aus der Insolvenzmasse. Der Name der Kaufhauskette lebt somit weiter – jedoch nur online.



Dieser Artikel erscheint in unserer Reihe WiWo History.

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