Ex-Vodafone-Chef Aufseher über ein fragwürdiges Business

Ex-Vodafone Deutschland CEO Hannes Ametsreiter (Mitte) mit den 1Global-Gründern Pyrros Koussios und und Hakan Koç Quelle: PR

Der frühere Vodafone Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter wird Aufsichtsrat beim neuen Mobilfunkanbieter 1Global. Die Praktiken der Tochter Truphone könnten gegen Gesetze verstoßen. Die Bundesnetzagentur prüft.

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„Ein Plan für mehr als 89 Länder.“ Der britische virtuelle Mobilfunkanbieter Truphone wirbt in Deutschland damit, Menschen weltweit eine eSim zu bieten. So bleiben sie auf Reisen günstig verbunden, ohne neue lokale Simkarten zu brauchen. Tatsächlich aber erhalten Truphone-Kunden zusätzlich noch eine ganz andere, weitaus verlockendere Dienstleistung: Sie können die weltweiten Telekommunikationsnetze nutzen – und bleiben dabei anonym. Auch in Deutschland. Die App funktioniert aber auch in so restriktiven Staaten wie Saudi Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, China, Myanmar oder Russland.

Beeindruckender noch als die App selbst sind die Menschen hinter Truphone. Ursprünglich finanzierte der Putin-nahe Oligarch Roman Abramowitsch das Startup. Auto1-Milliardär Hakan Koc kaufte es mit seinem Kompagnon Pyrros Koussios 2022 für nur ein Pfund – und das Versprechen, 15 Millionen Pfund zu investieren. Seitdem brachte der Digitalunternehmer Truphone in seinen neu gegründeten Telekommunikationsdienstleister 1Global ein.

Jetzt steigt auch der Ex-Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter bei 1Global ein – als Kapitalgeber und in den Aufsichtsrat. Für Ametsreiter, der auf eine illustre Vita in der Telekommunikationsbranche zurückblicken kann, eigentlich ein bemerkenswert kleiner Posten. Bis vor einem Jahr saß er noch im Kontrollgremium von Vodafone in Großbritannien. Aktuell fungiert er im Aufsichtsrat von Telia in Schweden.

Für Hakan Koc mögen die sicherheitskritischen Aspekte der Telekommunikation noch Neuland sein – der Milliardär kommt aus dem digitalen Handel mit Möbeln und Gebrauchtwagen. Bei Ametsreiter sieht es anders aus: Als früherer Manager des zweitgrößten deutschen Telekommunikationsunternehmens sollte er die einschlägigen Bestimmungen kennen wie seine Westentasche. Die Telekommunikationsindustrie spielt schließlich eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von Verbrechen und Terrorismus. Die WirtschaftsWoche konnte ihn für eine Stellungnahme nicht erreichen.

Eine eSim für Nele Mickeymaus

Truphone macht derzeit das meiste Geschäft in Großbritannien, bietet seine Services darüber hinaus aber in neun weiteren Märkten als Mobilfunk-Serviceprovider an, darunter auch Deutschland. Der jährliche Umsatz beträgt 42,6 Millionen Pfund. Rund 400 Mitarbeiter arbeiten für den Konzern. Als Kunde des Unternehmens kann man laut ihrer Internetseite in bis zu 200 Länder der Welt telefonieren und Daten roamen – das Unternehmen unterhält Vermarktungsverträge mit 400 Netzwerkbetreibern weltweit. Truphone war 2020 noch mit 410 Millionen Pfund bewertet – dabei hatte es seit seiner Gründung stets Verluste erwirtschaftet.

In Rezensionen wird Truphone gefeiert: „Meine Mutter reist viel, und dank Truphone braucht sie sich nie wieder eigene Sim-Karten in den verschiedenen Ländern zu besorgen“, lobt ein Kunde. Das Buchen einer Truphone-eSim, die für einen Monatspreis Zugang zu den meisten Mobilfunknetzen der Welt gewährt – sei es für den Gebrauch auf Reisen oder die Nutzung in einem iPad oder einer AppleWatch – ist einfach. Für einen Test mit einem Volumen von 100 Mbit an einem Tag ist nicht einmal die Hinterlegung einer Kreditkarte nötig. Geschweige denn eine Identifikation mit einem Ausweisdokument. Wer seine Hauptkarte deaktiviert und aus dem Telefon entfernt, kann über Messenger-Services wie Whatsapp, Threema oder Signal auch telefonisch in Kontakt bleiben – völlig unerkannt. Der WirtschaftsWoche gelang sogar die Anmeldung auf den Namen „Nele Mickeymaus“.

Die Datenschutzrichtlinien von Truphone halten es recht locker: „Unter Umständen müssen wir für aufsichtsrechtliche Zwecke in einigen Ländern von Ihnen Kopien Ihrer persönlichen Dokumente (Reisepass, Ausweis) anfordern. Diese Kopien werden dann bei uns hinterlegt und den Nationalen Aufsichtsbehörden zur Verfügung gestellt.“ Ein Mitarbeiter aus der Deutschland-Niederlassung von Truphone sagt am Telefon auf die Frage, ob man auch ohne Legitimation bei Truphone eine eSim erhält: „Schon möglich“.

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