Weltmarktführer Schunk Der Zehnkämpfer der Industrie

Sonnenlicht-Simulationstest von Schunk: die Autoindustrie ist einer der fünf wichtigsten Märkte für Schunk. Quelle: PR

Die Firma Schunk aus Mittelhessen ist ein Meister der Diversifizierung – mit nicht weniger als zehn Unternehmensbereichen. Der neue Chef verspricht: Wenn ein Segment schwächelt, gleichen andere das aus.

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Der Schunk ist schwer zu greifen. Ist er ein Maschinenbauer? Keramikspezialist? Zulieferer für die Halbleiter- oder die Batterieindustrie? Apothekenausrüster oder Autozulieferer? Weltmarktführer? Der Schunk ist all das. „Der Schunk“, so spricht Peter Manolopoulos von jener Firma, deren Geschäfte er seit November als neuer CEO leitet: einer Firma mit nicht weniger als zehn Geschäftsbereichen. Versucht man, die vielschichtige Firma als Ganzes zu verstehen und einzuordnen, verliert man schnell den Überblick. Manolopoulos versucht es begreiflicherweise ins Positive zu drehen: „Unsere diversifizierte Aufstellung ist unsere Stärke.“

„Es ist ein sehr komplexer Laden“, sagt auch Stefan Sachs, Geschäftsführer der IG Metall Mittelhessen und stellvertretender Aufsichtsratschef der Schunk GmbH. Und er bestätigt den neuen CEO: „Schunk ist für die nächste Dekade sehr gut aufgestellt.“ Immerhin, Manolopoulos' Behauptung von der Stärke lässt sich leicht überprüfen: Im vergangenen Jahr hat die Schunk GmbH, mit Hauptsitz im hessischen Heuchelheim bei Gießen, den Umsatz um 14 Prozent gesteigert auf 1,6 Milliarden Euro. Das teilte Manolopoulos in Frankfurt mit. Doch was genau bedeutet das nun? In welchen Branchen erzielt der Zehnkämpfer der Industrie nun dieses Wachstum?

Manolopoulos ist gewillt, für Klarheit zu sorgen. Dazu hat er die Organisationsstruktur von Schunk neu aufgestellt und verschlankt. Die zehn Geschäftseinheiten gliederte er in zwei grundsätzlich zu unterscheidende Bereiche: Werkstofftechnik auf der einen, und Maschinen- und Anlagenbau auf der anderen Seite. Der Bereich Werkstofftechnik ist der größere der beiden, hier befinden sich sechs sogenannte Business Units, in denen insgesamt 5600 Menschen beschäftigt sind. Im Bereich Maschinen- und Anlagenbau sind folglich vier Geschäftseinheiten gruppiert, mit zusammen 3800 Beschäftigten.

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Wie viel welches der zehn Segmente zum Umsatz beisteuert, verrät Schunk nicht. Nur so viel: Die sechs Werkstofftechnik-Einheiten setzten 2023 rund 880 Millionen Euro um, die vier Maschinenbau-Einheiten zusammen etwa 770 Millionen Euro. Genauer möchte er das aus Wettbewerbsgründen nicht aufschlüsseln, erklärt Manolopoulos. Na schön. Neuer Versuch: Welche Schunk-Bereiche wachsen denn am stärksten? „Das wechselt schnell“, erklärt der Chef. „Vor zwei Jahren waren es andere als heute, und in zwei Jahren kann es wieder anders sein.“ Besonders dynamisch wachsen derzeit die Geschäftseinheiten Ceramics, Microelectronics und Umweltsimulation.

Klimakammern für Autohersteller oder Flugzeuge

Die Gefahr bei Schunk besteht darin, dass man sich auf ein, zwei Einheiten konzentriert, und dabei die anderen außer Acht lässt. Dabei gibt es keine Einheit, die herausragt und den Großteil des Geschäfts ausmacht. Fast scheint es, als seien alle gleich wichtig. Aber irgendwo muss man ja anfangen – vielleicht bei jener Disziplin, in der es Schunk zum Weltmarktführer geschafft hat: Umweltsimulation. Gemeint sind damit Anlagen, mit deren Hilfe man den Einfluss von verschiedenen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit auf Produkte testen kann. Schunk baut Klimakammern, in denen etwa Hersteller von Laptops die Leistungsfähigkeit ihrer Geräte bei Hitze simulieren. Aber auch große Anlagen für fast alle Autohersteller, die damit testen können, ob das Auto auch bei minus 40 Grad noch anspringt oder wie sich der Lack verhält bei 45 Grad. Diese Prüfstände können auch größer ausfallen: Auf Wunsch baut Schunk sie auch für LKWs oder Flugzeuge; für die China Railway Rolling Stock Corporation, den weltgrößten Schienenfahrzeughersteller, lieferten die Hessen eine Klimakammer, in die ein ganzer Zug hineinpasst.

CEO Peter Manolopoulos. Quelle: Presse

Auch wegen dieser Umweltsimulationsanlagen ist die Autoindustrie für Schunk eine der fünf wichtigsten Branchen, neben der Halbleiter- und der Elektronikindustrie, der Bahnindustrie sowie der Industrieproduktion. 2023 sei ein „gutes Auto-Jahr“ gewesen, betont Manolopoulos. „Das sehen viele nicht, weil viele Zulieferer Probleme haben. Aber die letzten Jahre waren geprägt von hohen Investitionen in E-Mobilität.“ Tatsächlich ist die weltweite Automobilproduktion 2023 um 9,7 Prozent gewachsen. Und wenn Autohersteller in neue E-Auto-Modelle neue Elektronikbauteile einsetzen, müssen sie diese auch prüfen davon profitiert Schunk. Auch Komponenten für Erdungssysteme für Elektromotoren sowie Komponenten für Nockenwellen liefert Schunk für die Autoindustrie. Allerdings ist ein großer Teil des E-Auto-Booms auf China zurückzuführen und viele der dort ansässigen kleineren Hersteller würden sich vermehrt für günstigere, einheimische Prüfkammern entscheiden, sagt der Schunk-Chef.

„Die Chinesen fragen nicht unbedingt in Heuchelheim nach“

„Vor Corona ist fast jeder chinesische E-Auto-Hersteller auf uns zugekommen wegen unserer Testanlagen“, sagt Manolopoulos. „Aber in der Zwischenzeit gibt es so viele chinesische Hersteller, die haben inzwischen eigene lokale Lieferketten gebildet. Die E-Auto-Hersteller richten sich nicht nach unseren Tests.“ Auch Aufsichtsrat Stefan Sachs konstatiert: „Die Chinesen fragen nicht unbedingt in Heuchelheim nach.“ Deshalb sind die Aussichten im Autosektor eher schlecht: Im laufenden Jahr, auch das präsentiert Manolopoulos in Frankfurt, werde die Automobilproduktion um 0,4 Prozent schrumpfen.

Davon ist auch die Schunk-Geschäftseinheit Sinter Metals betroffen. Der Bereich verdankt seinen Namen dem speziellen Pressverfahren, mit dem Metallpulver zu Sintermetall verarbeitet wird. Aus diesem Grundstoff produziert Schunk viele Vorprodukte für die Autoindustrie; und längst nicht alles davon ist auch für Elektroautos nutzbar. „Sinter Metals hängt sehr stark am Verbrennungsmotor“, sagt Manolopoulos.

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Doch wenn es in einem Bereich schlecht läuft, so lautet ja theoretisch das Versprechen von Diversifikation, sollen andere Bereiche diese Schwäche ausgleichen können. Auch Manolopoulos setzt auf diesen Effekt: „Wir werden in diesem Jahr im einstelligen Prozentbereich wachsen.“ Unter anderem soll der Geschäftsbereich Mobility Carbon mit neuen Bauteilen für die Elektromobilität das nachlassende Sinter-Metals-Geschäft wieder ausgleichen. Ebenfalls wachsen soll das Geschäft mit Reinräumen, die Schunk etwa für Pharma- und Medizintechnikindustrie liefert, aber auch für Apotheken und Batterieproduzenten. Für diesen Geschäftsbereich zog Schunk vergangenes Jahr einen Großauftrag an Land: Für die kürzlich eröffnete Forschungsfertigung Batteriezelle der Fraunhofer-Gesellschaft in Münster hat Schunk Trockenräume geliefert.

Halbleiterindustrie: 2023 Flop, 2024 Top

Und das gegenteilige Bild zur Autoindustrie liefert derweil die Halbleiterindustrie. Im vergangenen Jahr war sie mit minus 9,4 Prozent die schwächste der fünf Kernbranchen von Schunk; in diesem Jahr aber soll sie mit 13,1 Prozent am stärksten von allen wachsen. Für die Halbleiterindustrie stellt Schunk sogenannte Waferträger aus Graphit her, liefert aber auch 3D-Druck-Bauteile für Halbleiter-Maschinen, mit extrem extrem hoher Festigkeit und Steifigkeit. Gerade in den USA rechnet Manolopoulos für die nächsten Jahre mit vielen Aufträgen. Ein Großauftrag kam aber aus Deutschland: Am Standort in Willich am Niederrhein eröffnete Schunk im Oktober eine neue Produktionshalle. Dort fertigen die Facharbeiter große Bauteile aus Siliziumkarbid im 3D-Druck-Verfahren, unter anderem für Präzisionsmaschinen der Halbleiterindustrie. Die Kunden darf Manolopoulos nicht nennen.

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