Batterien für Hybridautos Porsche und Varta – das klingt groß, ist es aber nicht

Beim möglichen Batterie-Deal zwischen Porsche und Varta treffen zwei Unternehmen in völlig unterschiedlicher Verfassung aufeinander. Für Varta geht es um die Sanierung, für Porsche um etwas ganz anderes.

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Die Nachricht von Freitag ruft bei Varta eine ungewohnte Reaktion hervor: Die Aktie steigt. Beim schwäbischen Batteriehersteller dürften sie mittlerweile vergessen haben, wie sich das anfühlt, so lange ist es her. Doch offenbar interpretieren viele Anleger den möglichen Verkauf der Varta-Tochterfirma V4Drive an Porsche als Hoffnungssignal.

Die beiden Akteure dieser möglichen Akquisition betrifft zwei deutsche Industrieunternehmen, die sich in gänzlich unterschiedlicher Verfassung präsentieren: Porsche (Umsatz: 40,5 Milliarden Euro) eilt von Rekord zu Rekord, während Varta (erwarteter Umsatz: 820 Millionen Euro) in einer tiefen Krise steckt. Diese offensichtlich fehlende Augenhöhe dürfte auch Auswirkungen auf die Verhandlungen haben.

Dabei sieht der mögliche Deal auf den ersten Blick bedeutender aus, als er tatsächlich ist. Es geht dabei nicht darum, dass Varta zum neuen Batterielieferanten für Porsche-Elektromodelle wird. E-Autos wie der Porsche Taycan benötigen etliche hundert Kilogramm schwere Batterien, die den Strom für den Antrieb speichern. Sie können üblicherweise 40 bis 100 Kilowattstunden Strom speichern und werden per Kabel am Stromnetz geladen. Solche Batterien könnte die verhältnismäßig kleine Varta AG nicht liefern. Diesen Markt beherrschen vor allem große chinesische, koreanische und japanische Hersteller.

Die einzige Batterie, die Varta für Autohersteller im Angebot hat, ist eine Batterie für Hybridautos. Diese vergleichsweise kleine Lithium-Ionen-Batterie mit dem Namen V4Drive kann nur wenige Kilowattstunden speichern. Der Strom wird nicht am Stromnetz geladen, sondern während der Fahrt erzeugt. Das passiert beispielsweise, wenn das Auto bremst. Die Energie, die beim Bremsen sonst verloren gehen würde, wird so gespeichert. Wenn das Auto wieder anfährt, treibt der in der Hybridbatterie gespeicherte Strom einen Elektromotor an, der den eigentlichen Antriebsmotor des Autos (Verbrennungsmotor) unterstützt. So spart die Hybridtechnik Sprit und gibt dem Auto mehr Leistung.

Vartas Batterie soll bereits im 911 verbaut sein

Diese vor allem von Toyota vorangetriebene und in der Autoindustrie inzwischen millionenfach genutzte Hybridtechnik kommt 2024 erstmals bei dem Sportwagen Porsche 911 zum Einsatz. Die ersten Exemplare des Porsche 911 Hybrid werden im Sommer ausgeliefert. Angeblich haben die Autos die Varta-Batterie V4Drive an Bord. Varta hat mit Porsche zwar einen prestigeträchtigen Abnehmer gefunden – ein wirklich großer Auftrag aber ist es nicht. Denn im vergangenen Jahr verkaufte Porsche nur rund 50.000 Exemplare des 911ers. Weil künftig nur ein Teil der Kunden die Hybridvariante kaufen dürfte, geht es für Varta zunächst also nur um einige tausend oder wenige zehntausend Batterien – verglichen mit den 14 Millionen Elektroautos, die 2023 weltweit verkauft wurden und deren Batterien etwa zwanzig Mal größer sind, also eine winzige Nische.

Was für Porsche eine Nische ist, ist für Varta ein Hoffnungsanker. Das liegt vor allem an der jüngeren, höchst turbulenten Geschichte der Firma. Bis Ende 2021 geht es steil bergauf. 2019 kauft Varta das sogenannte Konsumbatterie-Geschäft zurück, also im Wesentlichen Haushaltsbatterien, die man etwa in Fernbedienungen benutzt. Der Zukauf lässt vor allem den Umsatz sprunghaft ansteigen: von 362 Millionen Euro (2019) auf 870 Millionen Euro (2020). Weiterer Wachstumstreiber sind vor allem die kleinen, runden Lithium-Ionen-Knopfbatterien, die in kabellosen Kopfhörern eingebaut werden. Zu den Varta-Kunden gehören Bose, Sony, Bang & Olufsen, JBL, Samsung, Sennheiser – und auch Apple, auch wenn Varta das nie offiziell bestätigt. Apples Airpods sind lange Zeit die meistverkauften kabellosen Kopfhörer der Welt, entsprechend wächst Varta mit.

Vartas Höhenflug endet 2022 – wegen des Ukrainekrieges

Doch der Höhenflug endet im Jahr 2022. Der Absturz hat mehrere Gründe. Durch Russlands Ukraine-Krieg steigen die Gas- und Strompreise in Deutschland drastisch. Das trifft Varta schmerzhaft, denn die Batteriezellen produziert Varta in Ellwangen und Nördlingen. Und weil Russland einer der weltweit größten Exporteure von Nickel ist, steigt der Nickel-Preis nach Kriegsbeginn von einem auf den anderen Tag um mehr als 50 Prozent. Auch der Lithium-Preis vervierfacht sich zwischen 2021 und 2022. Schlecht für Varta: Lithium und Nickel sind die beiden wichtigsten Rohstoffe für Batterien. Die enormen Preissteigerungen kann Varta aber nicht an seine Kunden weitergeben, denn Vartas Wettbewerber kommen – im Bereich Lithium-Ionen-Batterien – allesamt aus Asien. Dort steigen die Energiepreise kaum.

Der Batteriekonzern Varta gab bekannt, dass die eingeleitete Restrukturierung nicht reicht, um wieder in die Gewinnzone zu kommen. Eine Überraschung ist das nicht: Der ursprüngliche Plan war zu optimistisch.
von Melanie Bergermann

Hinzu kommt: Halbleiter werden knapp. Da viele große Kopfhörer-Hersteller auch Smartphones herstellen, müssen sie sich entscheiden, in welche Produkte sie die knapp gewordenen Chips zuerst einbauen. Vartas wichtigster Kunde Apple entscheidet sich für die Handys – und nimmt Varta über Monate keine Lithium-Ionen-Batterien für seine Airpods ab. Die stark anziehende Inflation tut ihr Übriges, sodass Konsumenten ohnehin deutlich weniger Kopfhörer kaufen als noch im Jahr zuvor. Schließlich wird im September 2022 bekannt, dass Apple sich entschieden hat, für die neuen AirPod Pro 2 einen zweiten Batteriehersteller an Bord zu holen: Samsung SDI.

Vartas E-Auto-Erweiterung startet 2021

Nun könnte man einwenden, Varta habe diese Krise früh antizipiert. Denn bereits im Frühjahr 2021, also im erfolgreichsten Geschäftsjahr, vermeldete der Konzern eine strategische Geschäftserweiterung: Künftig wolle man auch Batterien für die Automobilindustrie liefern, erklärte Varta. Dazu präsentiert der Konzern die V4Drive 21700; eine neue, großformatige Lithium-Ionen-Zelle (7 cm hoch, 2,1 cm Durchmesser), für die Varta am Stammsitz in Ellwangen eine Pilotlinie aufbaut, und die als Zusatzbatterie vor allem in leistungsstarken Autos zum Einsatz kommen soll, etwa als kurzzeitiger Beschleuniger. Später bestätigt sich, was viele Beobachter früh vermutet haben: Der einzige Kunde für diese Batterie ist Porsche.

Solch ein Hoffnungssignal kann Varta im Krisenjahr 2022 gut gebrauchen – doch das Projekt 21700 stockt. Varta kann keine weiteren Kunden präsentieren. Im September 2022, nach einer Gewinnwarnung, tauscht Varta seine Führung aus. Herbert Schein verlässt das Unternehmen. Offiziell soll er sich um den Aufbau der nun ausgegliederten V4Drive Battery GmbH kümmern, tritt in dieser Rolle aber nie wirklich in Erscheinung. Mehrheitsgesellschafter Tojner setzt stattdessen seinen Landsmann Markus Hackstein als neuen CEO und Sanierer bei Varta ein. Im März 2023 startet der Konzern ein umfassendes Sanierungsprogramm. Zu den Wachstumsfeldern soll das neu aufgebaute Geschäft mit Energiespeichern gehören. Varta führt eine Kapitalerhöhung durch, um unter anderem in dieses Geschäftsfeld zu investieren, und holt zusätzlich noch den Sanierer Michael Giesswein in den Vorstand, der zuvor unter anderem bei der Brauerei Oettinger tätig war.

Vartas Sanierung dauert länger als geplant

Doch die Sanierung dauert offenbar länger, als ursprünglich angenommen. In einem „Handelsblatt“-Interview im Oktober 2023 sagt Hackmann: „Wir sind mitten in einer Restrukturierung, die uns noch mehrere Jahre begleiten wird. Das geht nicht in ein paar Quartalen.“ Im April 2024 dann muss Varta erneut eine schlechte Nachricht vermelden: Die zuvor definierten Maßnahmen zur Restrukturierung seien nunmehr „der aktuellen wirtschaftlichen Situation der Varta-Gruppe nicht mehr angemessen“. Neue Sanierungsmaßnahmen werden angekündigt.

Doch es bleibt unruhig: Im Mai tauscht Tojner erneut den Vorstandschef aus und holte den früheren Autoindustrie-Manager Michael Ostermann an die Spitze. Der muss nach wenigen Wochen schon die nächste schlechte Nachricht vermelden: Vor rund zwei Wochen reduzierte Varta die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr von ursprünglich 900 Millionen Euro auf nunmehr eine Spanne zwischen 820 Millionen und 870 Millionen Euro.

Inwieweit ein Verkauf der V4Drive-Tochterfirma Varta bei der schwierigen Sanierung helfen könnte, ist ungewiss. Auf dem Unternehmen lasten Schulden von fast einer Milliarde Euro. Es dürfte also eine diffizile Abwägung sein: Wie viel Geld kann Varta für die E-Auto-Batterie-Firma verlangen? Wie viel ist sie wert, kann sie in Zukunft wert sein? Offenbar übersteigt bei Varta die akute, drängende Zahlungsnot das möglicherweise in ferner Zukunft wartende Geschäft mit V4Drive. Andernfalls würde man einen Verkauf nicht in Erwägung ziehen.

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Und für Porsche? Der Autobauer scheint jedenfalls an der Varta-Technik Gefallen gefunden zu haben. Weil Varta finanziell angeschlagen ist, sorgt sich Porsche womöglich um die zuverlässige Versorgung mit den Batterien und denkt deshalb über einen Kauf der Technik nach. Ob es jemals dazu kommt, steht aber in den Sternen. Die Gespräche über eine Abspaltung der Technik in eine eigene Gesellschaft und einen Einstieg von Porsche in diese Gesellschaft stehen noch ganz am Anfang.

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