René Benko vor dem U-Ausschuss „Da kann i mi ned mehr erinnern“

René Benko muss am 22. Mai 2024 einem Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments Rede und Antwort stehen. Quelle: imago images

Bei René Benkos Vernehmung geht es um die Rolle der Ex-Kanzler Kurz und Gusenbauer im Signa-Skandal, um Partys am Gardasee und ein Luxus-Chalet. Doch der gefallene Immobilienkönig blockt vieles ab.

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Ist das wirklich der Mann, der mit seinem Charisma bei Investoren in aller Welt Milliarden locker machen konnte? Der René Benko, der an diesem Mittwochmorgen ins österreichische Parlament gekommen ist, hat so gar nichts Strahlendes. Schnellen Schrittes, starren Blickes und ohne Kommentar eilt er an den Kameras vorbei ins Ausschusslokal 1. Dort soll Benko im Untersuchungsausschuss „betreffend Zweiklassenverwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder“ aussagen. Vielmehr: Er muss aussagen. Die Abgeordneten haben sein Erscheinen angeordnet, nachdem er sie versetzt hatte.

Es geht um das Verhältnis zwischen René Benko und der Politik. Und damit um seinen  Aufstieg zum Immobilien-König, der ohne sein prominentes Netzwerk wohl nicht möglich gewesen wäre. Gleich zwei heute ehemalige Bundeskanzler zählten dazu: Alfred Gusenbauer von den Sozialdemokraten und Sebastian Kurz von der ÖVP.

In wenigen Jahren schuf Benko eines der größten Immobilienunternehmen Europas. Nach eigenen Angaben verwaltete seine Signa-Gruppe zuletzt Objekte im Wert von 24 Milliarden Euro und Bauprojekte mit einem Potenzial von weiteren 26 Milliarden Euro. Hinzu kamen Beteiligungen an Handelsunternehmen wie der deutschen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Prestigeobjekte wie das KaDeWe in Berlin zählten zur Gruppe, in Hamburg sollte der Elbtower zum Denkmal für Benkos Wirken werden.

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Doch dann stiegen die Zinsen, Kosten fürs Bauen und für Energie explodierten – und Benkos Firmenreich kollabierte. Die von ihm gegründete Signa-Holding und diverse Gesellschaften sind pleite, er steht mit Milliarden bei seinen Investoren in der Kreide. Seit der Insolvenz der Signa-Gruppe hat er sich nicht geäußert. Bis heute.

Benko trägt einen schwarzen Anzug, weißes Hemd, eine silber-blaue Krawatte, sein Gesicht ist leicht gerötet. Er nimmt vorne neben dem Ausschuss-Vorsitzenden Platz, mit dem Gesicht zu den Abgeordneten, die ihn in den nächsten Stunden grillen werden. Rechts neben ihm: sein Rechtsanwalt Norbert Wess, links neben ihm ein Prozessanwalt. Hinter ihm prangt der große Schriftzug „Demokratie“ an der Wand.

Ja, er wollte eine Eingangserklärung abgeben, sagt er: „Die wird aber sehr kurz sein.“ Es gebe eine „Vielzahl von Anzeigen und Vorwürfen, die mir gegenüber anhängig sind. Deshalb ersuche ich um Verständnis, dass ich jede einzelne Frage prüfen muss. Und ersuche auch um Verständnis, dass ich auf die meisten Fragen inhaltlich nicht eingehen werde.“

Die Rolle des Doktor Gusenbauer

Damit ist der Ton gesetzt: Benko wird in der folgenden Befragung mauern. Und es wird in der Tat sehr zäh. Jede Frage, die ihm die Abgeordneten stellen, bespricht er minutenlang mit seinem Anwalt Wess, teilweise beugen die beiden ihre Köpfe sogar unter den Tisch, der vor ihnen steht. Damit man ihre Lippen nicht lesen kann? Später wird die Sitzung mehrfach unterbrochen, damit sich auch die Parlamentarier beraten können, wie sie mit den zähen Zeugen umgehen sollen.

Ziemlich schnell geht es um Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der sich schon in seiner kurzen Zeit als Kanzler für Benkos Immobilienprojekte in Tirol starkgemacht haben soll. Und der im Jahr 2008, nur wenige Tage nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Kanzlers, als hochbezahlter Berater bei Benko anheuerte und später Aufsichtsratschef der Signa-Holding wurde. Wie passt die Kontrollfunktion eines Aufsichtsrats mit den Millionen-Honoraren zusammen? Sieht er keinen Interessenkonflikt? „Dazu habe ich keine Wahrnehmung“, sagt Benko.

Gusenbauer sei Aufsichtsratschef geworden, „weil er hochqualifiziert“ war, sagt er. „Doktor Gusenbauer hat seine Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender sehr ernst genommen und auch voll inhaltlich ausgefüllt.“

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Dass sich Gusenbauer im vergangenen Jahr beim Vorstand der österreichischen Finanzmarktaufsicht – der seiner SPÖ zugeordnet wird – um Kontakt zur Europäischen Zentralbank bemüht hatte, sei eine „legitime Aufgabe und Pflicht“ Gusenbauers als Chefkontrolleur gewesen und habe „nichts mit dem Beratungsmandat der Signa Holding zu tun“, sagt Benko. Die EZB hatte Banken damals vor Krediten an Signa gewarnt.

Zum ersten Mal lacht Benko an diesem Tag, als ein FPÖ-Abgeordneter fragt, ob Vertreter der SPÖ und der ÖVP bei ihm um Jobs oder Zuwendungen gebeten haben. „Wieso lassen Sie die FPÖ jetzt aus?“, fragt er und grinst. Danach beruft er sich aber auf sein Aussageverweigerungsrecht.

Die Abgeordneten fragen an diesem Tag auch nach eine Feier am Gardasee. Es geht um eine Signa-Party im Jahr 2017, bei der laut Benko nicht nur Gusenbauer anwesend war, sondern auch der damalige Außenminister der Republik Österreich: Sebastian Kurz. Jener Sebastian Kurz, der wenig später Bundeskanzler wurde und nach seinem skandalumwitterten Abgang einige Jahre darauf Berater von Signa.

Auch Kurz sei für die Beratertätigkeit qualifiziert gewesen, sagt Benko. Dass der Ex-Kanzler kein abgeschlossenes Studium hat, mache nichts. „Ich hab‘ auch keine Matura.“ Kurz „hat ein gutes internationales Netzwerk“, so Benko. Um dann wieder schmallippig zu werden, als die Abgeordneten nach Delegationsreisen in die arabische Welt fragen.

Erst geht es um eine Reise des Bundeskanzlers Kurz, auf der Benko mitreiste. Er bemühte sich in dieser Zeit um den Einstieg des Staatsfonds von Abu Dhabi, Mubadala. Aus Unterlagen, die die Abgeordneten zitieren, geht hervor, dass das Bundeskanzleramt über Benkos Ansinnen informiert war. „Wie der genaue Austausch war, da kann i mi ned mehr erinnern“, sagt Benko.

Kurz hat nach seinem Ausstieg aus der Politik Benko als Berater dabei geholfen, Hunderte Millionen Euro bei Geldgebern in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar zu organisieren. Weil diese Investoren auf ihr Geld warten und weil es Verfahren gegen ihn gibt, will sich Benko nicht dazu äußern. "Ich entschlage mich", sagt er häufig. Heißt: Er verweigert die Aussage.

Zu Gast im Chalet

Pikant wird es vor allem, als die Abgeordneten fragen, ob Benkos Firmen von Kurz und seinen Leuten ersucht wurde, Inserate in österreichischen Medien zu schalten. Sebastian Kurz war auch deshalb als Bundeskanzler in die Kritik geraten, weil herausgekommen war, dass Jubelstorys über den ÖVP-Hoffnungsträger im Gegenzug für Anzeigen veröffentlicht wurden. Benko gilt als ÖVP-nah. Er verweigert die Aussage, erklärt lediglich, dass Signa-Unternehmen in vielen Medien Anzeigen geschaltet hätten.

Benko bleibt die meiste Zeit ruhig und höflich. Als die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli nach den Tätigkeiten in der arabischen Welt nachbohrt, sagt er zu ihr: „Sie haben offensichtlich noch nie ein Unternehmen geleitet.“

Gegen Ende der Befragung geht es darum, welche politischen Gäste in Benkos Luxus-Chalet N in Oberlech zu Gast waren. Preis für die Absteige pro Woche: angeblich mehr als 200.000 Euro. Als der Abgeordnete Yannick Shetty von den Neos fragt, ob Sebastian Kurz im Chalet N zu Gast war, verweigert Benko die Aussage. Er verweist auf Ermittlungsverfahren, die gegen ihn laufen.

Um 15.13 Uhr ist die zulässige Befragungszeit von vier Stunden ausgeschöpft. Norbert Hofer von der FPÖ, der Vorsitzende der Sitzung, hatte wegen Benkos zähen Beratungen mit den Anwälten die Uhr oft anhalten lassen. Benko entschwindet kommentarlos.

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Der Vorsitzende Hofer hat vorher noch angekündigt, wegen Benkos Aussageverweigerungen beim Thema Chalet N beim Bundesverwaltungsgericht drei Anträge auf eine Beugestrafe in Höhe von bis zu 1000 Euro zu beantragen. Auch wenn Benko kein Milliardär mehr ist: Die Strafe wird er sich noch leisten können.

Lesen Sie auch: Der tiefe Fall des René Benko: eine Rekonstruktion. 

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