Es ist eine Nachricht, der zumindest in Karlstein am Main in Franken mit Aufatmen begegnet werden dürfte: Das japanische Unternehmen Muroosystems Corp mit Sitz in Tokio will den insolventen Kernkraftentsorger Nukem Technologies Engineering Services übernehmen, möglichst schon Mitte August. Das hat Thomas Seipolt, Geschäftsführer von Nukem Technologies Engineering Services, der WirtschaftsWoche bestätigt. Bisher hatte das Unternehmen mehrheitlich der russischen Nuklearholding Rosatom gehört.
Der neue japanische Eigner ist nach eigenen Angaben bisher auf Dienstleistungen und die Einrichtung von Infrastruktur rund um die digitale Transformation spezialisiert, mit Niederlassungen in Shanghai und Hongkong, aber auch in Kirgisistan und Kasachstan. Nun will das Unternehmen auch in die Nukleartechnik vorstoßen. In Japan sollen still gelegte Kernkraftwerke wieder ans Netz gehen – ältere Reaktoren nach und nach durch neue ersetzt werden. Zu dem Kaufpreis machte Nukem Technologies Engineering Service keine Angaben. Man habe Stillschweigen vereinbart, sagte Seipolt.
Der Name Nukem ist mit der Geschichte der Atomkraft in Deutschland eng verwoben. Sogar mit einem ihrer größten Skandale. In den 1980er-Jahren residierte die RWE-Tochter, die vor allem Brennstäbe herstellte, im sogenannten Hanauer „Atomdorf“, einer Ansammlung von Atomunternehmen, als ihre Tochter Transnuklear in den Verdacht geriet, radioaktiven Müll illegal entsorgt zu haben. Bis in die 90er-Jahre wurde prozessiert, der Skandal hatte politische Sprengkraft.
„Rosatoms Brückenkopf im Westen“
Anfang des Jahrtausends hat RWE seine Tochter verkauft. Längst stellt Nukem auch keine Brennstäbe mehr her, sondern hat sich als Nukem Technologies und mit seiner Tochter Nukem Technologies Engineerings Services auf das Management von radioaktiven Abfällen und Sonderabfällen, den Rückbau von Atomkraftwerken und Ingenieursdienstleistungen spezialisiert. Bei der Tochterfirma sind derzeit 108 Mitarbeiter beschäftigt. Seit 2009 gehört die Firma über verschiedene Zwischengesellschaften zum Reich der russischen Nuklearholding Rosatom. Ein früherer Geschäftsführer hat Nukem einst sogar „als Rosatoms Brückenkopf im Westen“ bezeichnet.
Anfang April hatte das Unternehmen beim Amtsgericht Aschaffenburg Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Beraten hat bei diesem Schritt der Insolvenzrechtler Christian Feketija von der Kanzlei JFK – Jesse & Feketija. Nukem Technologies Engineering Services hatte den Schritt mit der veränderten geopolitischen Weltlage erklärt. Demnach sei dem Unternehmen aufgrund des russischen Eigentümers der Zugang zu westlichen Märkten – etwa in den USA, Großbritannien und Japan – verwehrt gewesen.
Bereits Ende vergangener Woche hat das Amtsgericht Aschaffenburg die Anordnung der vorläufigen Insolvenz in Eigenverwaltung aufgehoben. Nach einem Eigentümerwechsel bestünden bei „westlichen Kunden“ keine Beschränkungen zur Beauftragung der Nukem mehr, sagte Seipolt. Das biete vor allem auf dem japanischen Markt Chancen. Nukem werde nun „praktisch ein einheimisches Unternehmen und erhält einen besseren Marktzugang.“
Auch in Philippsburg noch tätig
„Muroosystems möchte mit Nukem sein Geschäftsfeld in der Nukleartechnik entwickeln“, sagte Seipolt. An mehreren japanischen Standorten würden die bisherigen Reaktoren durch Neubauten ersetzt. „Das bedingt den zügigen Rückbau der bisherigen Einrichtungen, wozu wir zweifellos beitragen können.“ Weiterhin stellten sich „nach wie vor erhebliche Herausforderungen“ beim Umgang mit radioaktiven Reststoffen am Standort Fukushima. „Auch hier können wir eine Lösung unterstützen“. Eine Verlegung des Sitzes der Firma sei jedoch „nicht geplant.“
Nukem Technologis Engineering Service ist als Teil eines Konsortiums auch an einem Rückbau-Projekt des süddeutschen Energieriesen EnBW im still gelegten Atomkraftwerk Philippsburg beteiligt. Diese Arbeiten, so heißt es von Seiten von EnBW, sollten im zweiten Halbjahr 2024 abgeschlossen werden.
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