WirtschaftsWoche: Laut Angaben des Statistischen Bundesamts sind in Deutschland knapp 5,7 Millionen Menschen überschuldet. In den sozialen Medien gibt es bereits seit längerem den Trend #Klarnaschulden: Jugendliche zeigen ihre Schuldenstände bei Klarna. Was steckt dahinter?
Nicole Defren: Mit Klarna kann bei nahezu jedem Onlineshop eingekauft werden. Dabei schauen wir, dass das Kreditniveau, das wir vergeben, nicht zu hoch angesetzt ist. Damit die Zahlungen immer sauber zu uns zurückkommen. Hohe Schuldenakkumulationen, wie sie in den Videos gezeigt werden, sind daher nicht möglich. Die Kunden müssen also zunächst ihre ausstehenden Beträge begleichen, bevor sie einen neuen Kauf tätigen können.
Dennoch stand Klarna lange Zeit aufgrund dieser Videos in der Kritik. Wie geht Klarna damit um?
Im Gegensatz zu anderen Anbietern haben wir einen anderen Umgang mit der jüngeren Zielgruppe. Gerade bei den Jüngeren kann das Buy-Now-Pay-Later-Konzept der erste Berührungspunkt mit der Finanzwelt sein. Mit Erklärvideos und der App versuchen wir dafür ein Verständnis zu schaffen.
Und was hat das bisher gebracht?
Wir haben eine sehr hohe Rückzahlquote: Das heißt, 99 Prozent der Rechnungen werden fristgerecht zurückgezahlt. Und die junge Zielgruppe ist da nochmal extremer als die Älteren.
Zur Person
Nicole Defren arbeitet seit 2010 bei dem Zahlungsdienstleister Klarna. Seit Oktober 2022 ist sie Deutschlandchefin des FinTechs.
Bei der Klarna-Umfrage „So denken die Deutschen über Schulden“ kam heraus, dass 41 Prozent der Gen Z ihre Rechnungen innerhalb eines Tages bezahlen. Womit hängt das zusammen?
Selbst bei niedrigen Beträgen von 100 Euro wartet die Gen Z, bis das Paket ankommt – und bezahlt dann direkt. Die etwas ältere Zielgruppe ist mit Rechnungskäufen aufgewachsen. Sie wägt ab, zu welchem Zeitpunkt es sinnvoll ist, eine Rechnung zu zahlen. Oft besitzen sie auch schon Kreditkarten. Und die Gen Z gab bei unserer Umfrage an, dass sie sich bei offenen Rechnungsbeträgen unwohl fühlt.
Und wie sieht es mit Mahnungen aus?
Junge Menschen reagieren sehr sensibel auf die Folgen von ausbleibenden Zahlungen. Sie machen sich Gedanken, ob sie zu viel ausgegeben haben. Auch da reagieren die älteren Generationen entspannter.
Inflation und hohe Energiekosten haben es der Gen Z erschwert, Rücklagen aufzubauen. Wie spielen die geringen Ersparnisse mit rein?
Das ist natürlich ein großer Unterschied, ob man noch Rücklagen besitzt oder eben nicht. Die älteren Generationen sind in der Regel schon einige Karriereschritte voraus und haben mehr Polster aufbauen können. Aber auch der Generationsunterschied wird dabei deutlich: Wir Millennials wurden beispielsweise sehr in das Thema hineingeworfen und uns wurde keine Erklärung dazu gegeben. Der Gen Z wird da mehr unterstützt. Aus meiner persönlichen Sicht wächst da gerade auch eine Generation heran, die Verantwortung für ihr Handeln übernimmt und sich der Folgen von offenen Rechnungen sehr wohl bewusst ist. Wenn du weniger Rücklagen hast, dann reagierst du auch nervöser auf Rechnungen.
Wie äußert sich das konkret?
Wir geben ihnen zum Beispiel nur einen Kreditrahmen, bei dem wir wissen können, dass sie sich den leisten können. Wir geben der jüngeren Zielgruppe bei ihrem ersten Einkauf im Schnitt 50 bis 80 Euro. Da verschuldet sich niemand. Und wenn sie die Rechnung fristgerecht zurückzahlen, dann gibt es vielleicht das nächste Mal 100 Euro.
Wie hoch liegt denn der durchschnittliche Kreditrahmen von Klarna in Deutschland?
Der durchschnittliche offene Kreditrahmen liegt hier bei etwa 250 Euro.
Sie bezeichnen die Gen Z als verantwortungsbewusste Generation. Wie macht sich das in den Zahlen bemerkbar?
Wir sehen einen klaren Trend: Die Rückzahlungsquote steigt, obwohl wir wachsen und die Zielgruppen immer diverser werden. Besonders stark steigt der Boomer-Anteil. Das hängt wahrscheinlich mit der Pandemie zusammen. Sie sind einfach beim Onlineshopping geblieben.
Was erwarten Sie für die Zukunft?
Der Zahlungsverzug bei den 18- bis 25-Jährigen ist in den vergangenen zwei Jahren um 23 Prozent zurückgegangen. Wir rechnen damit, dass diese Zahl noch weiter zurückgeht. Da die jüngeren Generationen mit einem stärkeren Finanzbewusstsein aufwachsen.
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