Flugzeughersteller Jetzt fehlen bei Airbus auch noch Klos und Küchen

Quelle: imago images

Schon wieder muss Airbus seine Lieferziele für Flugzeuge kürzen, weil ihm immer mehr Bauteile fehlen. Da keine Lösung absehbar ist, kostet der Mangel den Konzern Milliarden – auf Jahre.

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Wenn Airbus-Chef Guillaume Faury in seiner Karriere einen Satz besonders bereut, dann wohl jenen, den er am 16. Juni 2023 auf einer Dachterrasse im fünften Pariser Stadtbezirk sprach. „Die guten alten Zeiten sind zurück“, jubelte der sonst eher zurückhaltende Manager damals auf einem Empfang angesichts der vielen Aufträge für neue Flugzeuge und den Erfolgen beim Hochfahren der Produktion nach der Coronazeit.

Nun, ein Jahr später herrschen statt guter Zeiten Stress und Katerstimmung beim weltgrößten Flugzeughersteller. Nach langem Ringen musste der Konzern erneut seine Produktionspläne kürzen. Airbus müsse „die Flugbahn anpassen um spezifische Lieferketten-Herausforderungen in einem degradierenden operationellen Umfeld zu reflektieren“, heißt es in einer Mitteilung. Airbus will in diesem Jahr nur noch 770 Flugzeuge ausliefern, 30 weniger als bisher geplant. Das Ziel, pro Monat 75 Maschinen vom Typ A320 zu produzieren, bleibt zwar bestehen. Es werde nun „erwartet, es in 2027 zu erreichen“. Prompt sackte die Aktie um neun Prozent und der Börsenwert um gut zehn Milliarden ab.

Es fehlt die Produktion eines halben Jahres

Auf den ersten Blick erscheint die Reaktion übertreiben. Das wahrscheinlich von den Konzernjuristen erdachte Geschwurbel klingt erstmal harmlos, wie auch die Kürzung von 30 Maschinen in diesem Jahr.

Doch die Ankündigung hat einen brisanten Kern. Denn am Ende dürfte die Lücke deutlich größer sein, fürchten Analysten wie David Perry von der Investmentbank J.P.Morgan. Weil in der Produktion auf Jahre Teile fehlen, werde Airbus bis 2027 wahrscheinlich bis zu 340 Flugzeuge weniger ausliefern als bisher geplant, so Perry. Das entspricht fast dem Ausstoß eines halben Jahres. Damit dürfte der Konzern gegenüber der bisherigen Prognose gut 16 Milliarden Umsatz und 3,5 Milliarden Euro Gewinn verlieren, schätzt Perry.



Diese Vermutung basiert auch auf der Erfahrung vieler Analysten in den vergangenen Jahren, als Airbus seine Pläne immer wieder korrigieren musste. Eigentlich plante der Konzern vor der Covidpandemie, bereits in diesem Jahr pro Monat 75 Maschinen auszuliefern – und verkaufte entsprechend viele Flugzeuge. Aufgrund der Coronakrise verschob der Konzern den Termin dann auf 2025 und später auf 2026. Daher bekommen bereits jetzt viele Airlines ihre Maschinen bis zu einem dreiviertel Jahr später als zugesagt – und verlangen Entschädigungen, berichtet etwa der Vizechef des osteuropäischen Billigflieger Wizz Air, Robert Casey, der auf ein paar Dutzend Flieger wartet.

Der Grund für den Verzug war anfangs vor allem der Mangel an Rohstoffen durch die in der Pandemie unterbrochenen Lieferwege. Inzwischen liegt es aber vor allem an einem mehr oder weniger hausgemachten Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Als zu Beginn der Coronakrise die Fluglinien keine neuen Jets mehr wollten, kündigten viele Zulieferer außerhalb Europas in großen Stil Mitarbeitern. Vor allem in Europa suchten sich viele Beschäftigte trotz Hilfen wie Kurzarbeitergeld einen anderen Job. Darum fehlen nun Fachkräfte, vor allem solche, die all die strengen Anforderungen der Branche erfüllen. Zudem finanzierten viele Banken den Wiederaufbau der Produktion lange Zeit nur zögerlich.

Doch beide Probleme seien weitgehend überwunden, schworen Airbusmanager, nicht zuletzt, weil der Konzern die Lücken durch mehrere Tausend neue Mitarbeiter geschlossen habe und seinen Lieferanten mit Geld oder Wissen über effizientere Fertigung half.

Dass es nun trotz aller Anstrengungen wahrscheinlich erneut ein paar Monate Verspätung mehr werden, hat viele Airlines überrascht. Airbus entschuldigt sich mit „anhaltenden spezifischen Lieferkettenproblemen, vor allem bei Triebwerken, Rumpfbauteilen und Kabinengeräten“.

Am Anfang nur verunreinigte Triebwerksteile

Darin steckt eine weitere brisante Nachricht: Inzwischen fehlen Teile praktisch in allen Segmenten des Flugzeugs. Am Anfang waren es im Wesentlichen die Triebwerke, allen voran die von Pratt & Whitney aus dem Raytheon-Konzern. Von denen müssen wegen Verunreinigung im Metallpulver für einige Komponenten wie Turbinenscheiben in den nächsten Jahren rund 3000 Motoren statt an die Flügel in die Wartung. Dazu klagten Fluglinienchefs wie Carsten Spohr von der Lufthansa, dass sie ihre Flugzeuge nicht wie geplant mit neuen Sitzen ausstatten können. Weil nur wenige Hersteller so zuverlässig liefern wie Recaro aus Schwäbisch Hall, müssen sie neue Maschinen in der Regel teilweise ohne Sitze parken.

Das ist offenbar vorbei. „Nun fehlen auch immer öfter Teile von Toiletten und Küchen“, klagt ein Airliner. Auch ohne diese Monumente genannten Einbauten darf kein Flugzeug abheben.

Die Ursache dieses Mangels sehen Branchenkenner nicht bei den Herstellern, sondern vorrangig bei den Behörden. „Bei neuen Produkten verlangen sie von uns immer mehr und aufwendigere Sicherheitstest, haben aber dann nicht immer genug Leute, um die Checks zu überwachen“, klagt ein Zulieferer.

Erstmals bremsen die eigenen Fabriken

Die größte Überraschung war für viele in der Branche, dass Airbus nicht nur Zulieferer von außen, sondern offenbar zunehmend auch die aus dem eigenen Haus bremsen. Das ergibt sich aus den erstmals ausdrücklich erwähnten Rumpfbauteilen.

Zwar nennt Airbus in seiner Mitteilung keine Einzelheiten. Doch ein Blick in die Lieferkette des Konzerns zeigt: anders als etwa Triebwerke oder Bordelektronik stellt Airbus viele der Komponenten für den Rumpf und die Flügel selbst her. Der Konzern baut diese entweder direkt im Unternehmen oder bei Tochterfirmen, die Airbus mehr oder weniger komplett gehören, wie die deutsche Premium Aerotec. Die hatte der Konzern rechtlich verselbstständigt, um sie zu verkaufen und ihnen bessere Lieferbedingungen abnötigen zu können. Als das nicht klappte und bei anderen Unternehmen wie Boeing die Qualität unter der Konstellation litt, holt Airbus die Töchter zurück. Auch beim US-Zulieferer Spirit, dessen Qualitätsmängel bei Boeing-Flugzeugen fast zu Abstürzen geführt haben, geht Airbus nun diesen Weg und will einen großen Teil der dortigen Produktion übernehmen.

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Doch wann das die Probleme löst, ist unsicher, glauben Analysten wie George Zhao von der Societe Generale Group angesichts der immer mehr betroffenen Segmente. „Es steigt das Risiko weiterer Verspätungen“, sagt Zaho. Und damit weiterer Verluste.

Lesen Sie auch: Warum Christian Scherer trotz Boeing-Krise die Liefermenge nicht steigern kann

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