Angeklagter will sein Schweigen brechen Der Wirecard-Coup, der gar keiner ist

Stephan von Erffa Quelle: Bloomberg

Das Gericht hat Ex-Chefbuchhalter Stephan von Erffa einen Deal angeboten: Sechs bis acht Jahre Haft für ein umfangreiches Geständnis. Jetzt will er Mitte Juli aussagen. Viel erwarten sollte man davon erst mal nicht.

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Lange hat Stephan von Erffa im Wirecard-Prozess geschwiegen – am 17. und 18. Juli soll Schluss damit sein. Seine Strafverteidigerin Sabine Stetter hat am Mittwoch im Gericht eine Erklärung verlesen. „Unser Mandant hat sich dafür entschieden, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen“, heißt es darin. Von Erffa werde an den beiden Tagen Mitte Juli „seine Sicht der Dinge auch vor dem Hintergrund der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung schildern“. Er werde Fragen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten beantworten.

Was das Gericht von seiner Aussage erwarten kann, ließ Stetter offen. Richter Markus Födisch hatte den Druck auf von Erffa in den vergangenen Monaten erhöht.

Der Angeklagte war viele Jahre der Chefbuchhalter von Wirecard. Er ist im Prozess zusammen mit dem langjährigen Wirecard-Chef Markus Braun und Ex-Dubai-Statthalter Oliver Bellenhaus angeklagt. Sie sollen laut Anklage das Geschäft mit Drittpartnern im Ausland erfunden haben, um Wirecard als rasant wachsendes Unternehmen erscheinen zu lassen. Braun soll laut Staatsanwaltschaft der Boss der Bande gewesen sein, der die Zahlen vorgab, die Bellenhaus fälschte und von Erffa in die Wirecard-Bilanz einspeiste. Bellenhaus hat den Betrug gestanden, die beiden anderen schwer belastet. Er ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft. Braun bestreitet die Vorwürfe.

Ein Wirecard-Berater erzählt vor Gericht die Entstehungsgeschichte von Brauns folgenschweren Ad-hoc-Mitteilungen – und die Staatsanwaltschaft reagiert empört auf Anträge seiner Verteidiger zu Ex-Vorstand Marsalek.
von Volker ter Haseborg

Der bessere Kronzeuge

Sollte von Erffa die ihm vorgeworfenen Taten begangen haben und gestehen, wäre er für die Staatsanwälte ein besserer Kronzeuge als Bellenhaus. Er saß damals, anders als Bellenhaus, in der Wirecard-Zentrale, nahe bei Braun. Er könnte jetzt zur Schlüsselfigur in diesem Prozess werden. Zum Missing Link zwischen Bellenhaus und Braun.

Im Prozess fuhr von Erffa eine riskante Strategie. Vom Milliardenbetrug will er nichts mitbekommen haben – dabei gibt es Belege, die Zweifel an dieser Darstellung aufkommen lassen. Das Gericht hat zwei Psychiater und einen Psychologen beauftragt, den 49-Jährigen in der Hauptverhandlung zu begutachten. Es geht um die Frage, ob er im Tatzeitraum psychisch beeinträchtigt war. Wenn das so festgestellt würde, könnte dies von Erffas mögliche Schuld mildern oder sogar ausschließen. Die Fragen, die die Sachverständigen im Gericht stellen, deuten darauf hin, dass Autismus vermutet wird. Doch mittlerweile ist klar: Die Gutachter halten ihn für voll schuldfähig.

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Im März gab Richter Födisch ihm zu verstehen, dass er zeitnah ein Geständnis ablegen soll – sonst droht ihm eine Haftstrafe von mehr als zehn Jahren. Bis Februar 2025 hat das Gericht noch Zeugen geladen – wenn es nach Richter Markus Födisch geht, könnte ein Geständnis von Erffas den Prozessverlauf erheblich beschleunigen. Nach einem weiteren Rechtsgespräch konkretisierte Födisch sein Angebot und stellte von Erffa eine Haftstrafe zwischen sechs und acht Jahren in Aussicht. Wenn er gesteht. 

Doch ob von Erffa das Angebot so annimmt, ist eher unwahrscheinlich. Denn der Deal sieht vor, dass er die Vorwürfe umfassend einräumt. Vorwürfe sind das, die vor allem vom Mitangeklagten Bellenhaus erhoben wurden – und die von Erffas Verteidiger im Prozess mehrfach zurückgewiesen haben. Die Strategie seiner Verteidiger scheint es jetzt offenbar zu sein, das Angebot zugunsten ihres Mandanten zu verbessern. Denn in der Erklärung seiner Anwältin Sabine Stetter heißt es weiter: „Möglicherweise macht es Sinn, ein weiteres Rechtsgespräch nach der Einlassung oder einem Teil derselben durchzuführen.“ Sechs bis acht Jahre Haft sind eine lange Zeit für von Erffa. Zwar kam er im Sommer 2020 auch in U-Haft, sein Haftbefehl wurde jedoch ein Jahr später aus familiären Gründen außer Vollzug gesetzt.

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Stetter erklärte, es sei auch denkbar, dass von Erffa seine Angaben nach der Aussage Mitte Juli zu einem späteren Zeitpunkt noch ergänzt. Soll heißen: Zu einem Zeitpunkt, wenn ein besserer Deal für ihn möglich ist.

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