Elektrische Wohnmobile und Caravans So wird das nichts mit dem Camping-Urlaub der Zukunft

Oben die Sterne, unten der Benzinduft: Selbst bei den Campervans sind E-Modelle die absolute Ausnahme.Foto: Ford-Werke GmbH/Ford-Werke GmbH/obs Quelle: obs

Die Wohnmobilbranche hängt bei der Umstellung auf E-Mobilität hinterher. Hersteller experimentieren mit Pilotprojekten – und suchen die Schuld bei der Politik.

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Der kalifornische Traum ist vorerst ausgeträumt – zumindest für Volkswagen und seine Kunden. Eine Camping-Version des VW-Elektrobusses hatte der Automobilhersteller 2021 versprochen. Zwei Jahre später folgte vor ein paar Wochen nun der Rückzieher: Der E-Bulli ID.Buzz sei in der zum Campmobil ausgebauten „California“-Version zu schwer. Drei Tonnen Gesamtgewicht erlaubten nicht genug Spielraum für die nötigen Einbauten angesichts der 3,5-Tonnen-Grenze eines Führerscheins der Klasse B. Deswegen liegen die Ausbaupläne nun wieder in der Schublade. Erst 2030 können Kunden mit der California-Version des E-Bullis rechnen, berichtet das Branchenmagazin „Auto Motor und Sport“.

So enttäuschend der Schritt für viele Bulli-Fans kam: Er steht für einen breiteren Trend in der Caravan-Branche. Nicht nur VW hadert mit der Umstellung auf das elektrische Zeitalter. „Die Campingbranche hinkt fünf Jahre hinterher“, urteilt Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. Dabei lieferten die Hersteller in vergangenen Jahren zahlreiche Pilotstudien für E-Wohnmobile, E-Campervans und E-Anhänger. Kaufen kann man davon bis heute: Nichts. Die Studien blieben Studien und selbst angekündigte Serienproduktionen sagten Hersteller wieder ab. Bis Camping-Urlauber emissionsfrei unterwegs sind, wird „noch ein bisschen Zeit ins Land gehen“, kommentiert ein Sprecher des Wohnmobil-Herstellers Dethleffs, die Teil der Hymer-Gruppe ist. 

Auch auf dem Caravan Salon in Düsseldorf, der weltweit größten Ausstellung für Reisemobile und Camping-Anhänger, finden sich kaum E-Modelle. Eine Ausnahme ist in diesem Jahr immerhin ein E-Wohnmobil, das der deutsche Leichtbauer Vöhringer zusammen mit dem US-Unternehmen Winnebago Industries auf Basis eines Ford E-Transit-Fahrgestells gebaut hat. Das Fahrzeug wiegt 3,7 Tonnen und verfügt über eine Batterie mit 67 Kilowattstunden. Die Reichweite beträgt gerade einmal 108 Meilen. In den USA wird das Fahrzeug vielleicht mit einem Range Extender in Serie gehen. In Europa wird es nicht zu kaufen sein.

Klingt plausibel – und bekannt

Die Branche sieht die Schuld dafür bei anderen, klagt über fehlende Zulassungen aus der Politik und verweist auf ihre Abhängigkeit von den Chassis-Produzenten, also Automobilhersteller wie Fiat, die nicht nur das Fahrgestell, sondern auch den zugehörigen Aufbau inklusive Motor, Karosserie, Lenkung und Elektronik liefern. „Wir bauen nur das Häusle auf die Chassis, das ist unsere Kernkompetenz“, erklärt ein Sprecher des Wohnmobil-Hersteller Knaus Tabbert. Zudem, so erklären es viele aus der Branche, seien die Kunden skeptisch angesichts der hohen Preise bei geringeren Reichweiten und die EU-Institutionen verschleppten die nötigen gesetzlichen Anpassungen. Campingplatz-Betreiber sind verunsichert, ob es sich lohnt, Ladeinfrastruktur auszubauen. Klingt alles plausibel. Aber auch verdächtig ähnlich dem, was vorrangig die deutschen Autokonzerne noch vor wenigen Jahren zur Elektrifizierung des Pkw sagten – und darüber die Wende verschliefen und einen neuen, riesigen Markt anderen überließen. 

Die Trägheit der Branche dürfte sich auch daraus erklären, dass es ihr derzeit einfach zu gut geht. Auch nach dem Corona-Boom hat die Nachfrage hier anders als etwa bei Fahrrädern kaum nachgelassen. Die Preise steigen, die ohnehin meist zahlungskräftige Kundschaft kann sich die Fahrzeuge offenbar trotzdem leisten.

Immer mehr Auswahl – allerdings selten elektrisch
Automessen gelten ja zumindest auf dem alten Kontinent eher als Auslaufmodell. Der Düsseldorfer Caravan-Salon, der in diesem Jahr vom 25. August bis 3. September seine Pforten geöffnet hat, scheint das Gegenteil zu beweisen. Ihren Status der weltgrößten Messe für mobile Freizeit behauptet die Ausstellung souverän. Nirgends ist die Masse und Vielfalt der gezeigten Reisemobile und Wohnwagen größer. Über 750 nationale und internationale Firmen stellen in 16 Hallen aus und auf dem Freigelände wurde die bisherige Bestmarke erneut getoppt. Quelle: Messe Düsseldorf
Auch die Tatsache, dass eine aktuelle Studie der GSR-Unternehmensberatung erstmals ein leicht nachlassendes Interesse (von 19,8 auf 18,2 Millionen Menschen) am Caravaning in Deutschland registriert hat, versetzt niemanden in Alarmstimmung. Es ist wohl eher so, dass der in Corona-Zeiten massiv verstärkte Run auf die Caravaning-Produkte sich bei einigen im Nachhinein als Strohfeuer erwiesen hat und die Branche auch nach dem Rückgang der Lieferkettenprobleme wieder zu einer Normalität wie zu Zeiten vor der Pandemie zurückkehrt. Quelle: Volkswagen
„Alle Studien belegen, dass der Caravaning-Trend langfristig angelegt ist“, erklärt Daniel Onggowinarso, der Geschäftsführer des CIVD (Caravaning-Industrie Verband Deutschland), der gemeinsam mit der Messe Düsseldorf den Caravan-Salon ausrichtet. Tatsächlich haben nach einer Allensbach-Studie 1,2 Millionen Camper konkrete Kaufabsichten für Freizeitfahrzeuge in den nächsten ein bis zwei Jahren. Der für den Salon prognostizierte Publikumsandrang von rund einer Viertelmillion Besuchern – nahe an der Rekordmarke von über 270.000 – untermauert diese Zuversicht. Caravaning liegt weiter voll im Trend. Quelle: Crosscamp
Aber welche Trends zeichnen sich bei Reisemobilen und Wohnwagen aktuell ab? Die Vielfalt an Marken, Modellen und Konzepten ist riesig, bisweilen verwirrend. Nahezu 2.000 Freizeitfahrzeuge vom Micro-Camper bis zum Luxusliner oder Expeditionsmobil werden in den Ausstellungshallen das ganze Spektrum des mobilen Wohnens abbilden. Quelle: Crosscamp
Die Dickschiffe von Concorde, Morelo und Niesmann oder gar die millionenschweren Motorhomes von Phoenix oder Volkner mit Sportwagen-Garagen kommen zwar gut beim Publikum an. Aber keine Wagenklasse ist so beliebt wie die der Kastenwagen, Camper-Vans und Mini-Camper. Die schon in den vergangenen Jahren spürbare Entwicklung hin zu kleineren, kompakten Reisemobilen, die längst mehr als die Hälfte des kompletten Reisemobil-Absatzes ausmachen, hat durch eine immer stärker wachsende und über die Sozialen Medien intensiv kommunizierende Vanlife-Community noch einmal an Dynamik zugelegt. Quelle: Knaus
Urlaub, für ein Sabatical oder gar als Digital Native für einen langfristigen, flexiblen Lebens- und Arbeitsplatz. Ausziehbares Bett, Face-to-Face-Längsbänke, L-Küche, statt Toiletten-Raum nur Porta-Potti und kein Durchgang zum Fahrerhaus. Der Cara-Life ist fern vom klassischen Campingbus-Muster, aber trotzdem schick. Ab 60.000 Euro, man darf gespannt sein auf die Resonanz. Quelle: Weinsberg
Alle anderen Camper-Van-Premieren bewegen sich im üblichen Rahmen. Der Dethleffs Globetrail entwickelt sich mit 15 Grundrissen zum Varianten-König. Dabei besteht die Qual der Wahl unter fünf verschiedenen Bad-Versionen inklusive eines Raumbades. Die hessische Wohnmobil-Manufaktur La Strada hat unter Einsatz eines Längs-Hubbettes für zwei Personen in der Avanti-Reihe einen Familiengrundriss geschaffen. Crosscamp und Hannescamper verwenden erstmals den Opel Movano, jüngster Ducato-Ableger, als Basisfahrzeug. Bei Mercedes profitiert auch der Marco Polo vom V-Klasse-Facelift. Und Hobby, Pössl, LMC, Karmann und Bürstner betreiben Modellpflege. Quelle: Dethleffs Gmbh & Co.KG

Und immerhin, einen Vorteil haben die Hersteller: Neuartige Konkurrenz vom Typ Tesla ist derzeit nicht in Sicht, ein bisschen Zeit bleibt den vorrangig deutschen Herstellern also möglicherweise noch.

Die Erwin-Hymer-Gruppe (EHG) ist Marktführer für Wohnmobile und hat bereits einige E-Mobile als Studien gebaut. Bei den kompakten Urban Campern komme man schneller voran, berichtet die Gruppe. Die elektrischen Basisfahrzeuge für solche Modelle seien vergleichsweise weit entwickelt. Da ist zum Beispiel ein vollelektrischer Urban Camper der Hymer-Marke Crosscamp auf Basis des Opel E-Zafira. „Eine Aussage zum Start der Serienproduktion können wir heute noch nicht treffen“, teilt der Konzern aber mit. Auch unter der Marke Bürstner stellte Hymer einen serienreifen E-Campervan vor, der jedoch nicht, wie ursprünglich erhofft, dieses Jahr in Serie gehen wird. 

Dethleffs, ebenfalls Teil von Hymer, baute schon vor sechs Jahren ein erstes vollelektrischen Wohnmobil, umkleidet mit Solarzellen. Es blieb bei einer Studie. Auch der Konkurrent Knaus Tabbert präsentierte schon ein elektrisches Reisemobil mit Range Extender. Wann das Hybridfahrzeug serienreif sei, hänge von den Partnern – den Chassis-Lieferanten – ab, so das Unternehmen. Daniel Onggowinarso, der Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbands (CIVD), sagt: „E-Mobilität ist im Segment der Campervans ist unter Einschränkungen schon Realität. Bei Reisemobilen ist sie unter den aktuellen Bedingungen gerade noch eine Utopie.“ 

Nach 250 Kilometern muss er laden

Stefan Hentschke gehört zu den Ersten, die diese Utopie zum Leben erwecken. Der 45-jährige Informatiker aus Franken ist seit seiner Kindheit leidenschaftlicher Campingurlauber und führt dieses Hobby jetzt mit Frau, Kindern und Hund weiter. Hentschke begeistert sich für die Energiewende im Camping. Aus diesem Hobby hat er sogar einen eigenen Youtube-Kanal gemacht, „Elektro Camping“.

Als er vor zwei Jahren begann, seine Videos in sozialen Netzwerken zu teilen, stieß er auf viel Unverständnis. Die Camping-Community sei am Anfang „extrem verschlossen“ gewesen, berichtet Hentschke. Klar: Wer in einem Rutsch von Niedersachsen nach Kroatien fahren will, für den sind kürzere Reichweiten eine Zumutung. Für Stefan Hentschke: kein Problem. Mit zwei Kindern müsse er sowieso alle zwei bis drei Stunden eine Pause machen, sagt er. 

Seinen Volkswagen T5 hat er ausgetauscht gegen einen elektrischen VW ID.Buzz in der „normalen“ Version. Der elektrische Van hat eine Batteriekapazität von 77 Kilowattstunden, hintendran hängt einer der leichteren verfügbaren Wohnwagen, der Marke Kuckoo Camper. Und trotzdem: Der Anhänger halbiert fast die Reichweite seines E-Autos. Spätestens nach 250 Kilometern muss er neu laden. Doch Stefan Hentschke möchte umweltbewusster Urlaub machen und setzt das als Priorität. Andere bekehren will er nicht.

Große Caravans so wie dieser hier reduzieren die Reichweite eines E-Autos aktuell noch massiv. Wer elektrisch fahren will, steigt dafür auf kleinere Leichtbauten um.Foto: CIVD Quelle: PR

Von den großen deutschen Herstellern ist er aktuell enttäuscht. „Egal ob Knaus, Dethleffs oder Hobby, von allen drei großen Herstellern sticht aktuell keiner mit einer Innovation heraus.“ Seine Hoffnungen ruhten einst auf dem Hersteller Dethleffs, der einen Camping-Anhänger mit eigener elektrisch angetriebener Achse gezogen von einem Audi E-Tron auf eine Alpenüberquerung schickte. 400 Kilometer, ohne nachzuladen, denn der eigene Antrieb des E-Caravans konnte das Zugfahrzeug maßgeblich entlasten. Aber von dem Projekt aber ist seit längerem nichts mehr zu hören.

Das liege auch an den Genehmigungsbehörden, erklärt Daniel Onggowinarso vom Caravaning Industrie Verband CIVD: „Momentan gibt es noch keine Zulassung in der EU für Anhänger mit eigenem Antrieb. Dabei wäre die E-Achse für schwere Caravans ein großer Sprung nach vorne.“  

„Das ist doch alles möglich“

Auch ein zweites rechtliches Hindernis beschäftigt Onggowinarso: Der normale Führerschein der Klasse B erlaubt heutzutage nur ein Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen. Für elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge ist das oft zu wenig. Zum Beispiel wiegt ein 100-Kilowattstunden-Batterieblock allein rund 600 bis 700 Kilogramm. Das Problem aber dürfte sich bald lösen: Die EU-Kommission hat bereits vorgeschlagen, das erlaubte Gesamtgewicht eines alternativ angetriebenen Fahrzeuges auf 4,25 Tonnen zu erhöhen.



Automobil-Experte Dudenhöffer lässt diese Argumente nicht gelten: „Sich hinter dem Gesetzgeber zu verstecken, finde ich schwach. Das ist eine Strategie der Ausreden“, sagt er. „Eine innovative Branche würde nicht auf Brüssel warten, sondern selbst versuchen, Gewicht zu reduzieren. Das ist doch alles möglich.“ Wenn das die großen Hersteller nicht rechtzeitig schaffen, dann täten es eben andere, argumentiert Dudenhöffer. Er fordert skalierbare Modelle und verweist auf die zahlungsstarke Kundschaft der Caravaning-Branche. „Leute, die campen gehen, haben ein ökologisches Bewusstsein“, konstatiert Dudenhöffer außerdem. Für umweltfreundlichere Produkte seien sie bereit, zu zahlen. Anstatt sich hinter der Politik zu verstecken, sollten die Campingverbände sich lieber für eine bessere Ladeinfrastruktur einsetzen, fordert er.

Wie viele Campingplätze bereits über Ladesäulen verfügen, dazu gebe es keine Zahlen, sagt Christian Günther. Der Geschäftsführer vom Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) fühlt beim Thema Infrastrukturausbau die Verunsicherung unter den Inhabern von Campingplätzen. In was sollten sie wann investieren? „Wir wollen wissen, wo die Reise hingeht“, sagt der Vorsitzende. Er wünscht sich klare Zielmarken aus der Politik. „Wenn wir jetzt wüssten, dass zehn Prozent der Wohnmobile 2030 elektrisch fahren, dann könnten wir entsprechend planen.“ Weil die Camper auch für Licht, Heizung und Kochen immer mehr Strom aufwenden würden, komme auf manchen Campingplätzen das Stromnetz schon jetzt an seine Grenzen, berichtet Günther. Langfristig jedoch könnten Dauer-Camper mit Photovoltaikanlagen auf den Dächern sogar Netto-Einspeiser werden.

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Caravan-Besitzer und Youtuber Stefan Hentschke erwartet inzwischen weniger von den Ansagen der Hersteller und Verbände. Auf dem Caravan Salon wird er nicht sein. Er ist zu der Zeit zusammen mit Familie, E-Bulli und Caravan im Urlaub. Einmal nach Schottland und zurück. Alles elektrisch.

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