Abkürzung durch die W��ste So feierte die Welt die Eröffnung des Suezkanals

Der Suezkanal verringert den Seeweg von Europa nach Indien um rund 7000 Kilometer. Die Wasserstraße wurde vor 155 Jahren eingeweiht – und ist bis heute bedeutsam für den Welthandel.

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Es ist eine Weltpremiere. Ein Meisterwerk der Ingenieurkunst. Noch nie sind zwei Ozeane miteinander verbunden worden. Daher versammelt sich im November 1869 die politische Prominenz Europas im Norden Ägyptens. Die Gattin des französischen Kaisers Napoleon, Eugénie, darf als erster Mensch überhaupt den Suezkanal passieren. Der kaiserlichen Yacht folgen 80 weitere Schiffe.

Die neue Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Rotem Meer revolutioniert den Welthandel. 30.000 Menschen feiern mit dem Suezkanal ihren Fortschrittsglauben, umsorgt von 500 Köchen und 1000 Bediensteten. Es gibt Gottesdienste, Segnungen, ein Feuerwerk und Verdis Rigoletto. Der Suezkanal ist stolze 162 Kilometer lang. Und die Fahrt von einem Ende zum anderen dauert 16 Stunden.

Zehn Jahre Bauzeit sind dem mehrtägigen Eröffnungsspektakel vorangegangen. 1,5 Millionen Menschen, vor allem zwangsrekrutierte Ägypter, haben dafür geschuftet – haben zunächst mit Schaufeln eine tiefe Rinne in den Wüstensand gegraben, dann Wasser einlaufen lassen und erst danach mit Baggerschiffen die Straße befestigt.

Schon in der Antike träumte man davon, Schiffen die Fahrt ums Kap der Guten Hoffnung zu ersparen und Handelsrouten abzukürzen. Doch erst Anfang des 19. Jahrhunderts gibt es die technischen Möglichkeiten dazu. Bereits Napoleon reist nach Ägypten. Er hofft, mit dem Bau eines Kanals Britisch-Indien angreifen zu können. Weil Messungen aber einen Höhenunterschied von fast zehn Metern zwischen beiden Meeresspiegeln ergeben, lässt er den Plan fallen.

Dann befasst sich unter anderem der Ingenieur Alois Negrelli aus Österreich mit dem Thema. Er erkennt, dass die Messungen im Auftrag Napoleons fehlerhaft sind und ein Suezkanal sehr wohl realisierbar ist – stirbt aber ein halbes Jahr vor Beginn der Umsetzung. Der französische Diplomat Ferdinand Lesseps erhält die Konzession für den geplanten Kanalbau, wird Präsident der Kanalgesellschaft mit Sitz in Alexandria und Hauptverwaltung in Paris.

Ende 1875 erwirbt Großbritannien den Aktienanteil der schwer verschuldeten Ägypter – was weitreichende Auswirkungen auf die Geschichte in der Region haben wird, wie ein Sprung ins Jahr 1956 zeigt: Damals will Präsident Gamal Abdel Nasser das formal souveräne Ägypten endgültig dem Einfluss der Briten entziehen – und verstaatlicht die Kanalgesellschaft. Sein Vorgehen löst die Suezkrise aus: Großbritannien, Frankreich und Israel greifen Ägypten an. Den Rückzug der Truppen kann nur eine ungewöhnliche Allianz von USA und Sowjetunion erzwingen.

Auch heute ist der Suezkanal immer noch ein bedeutender (und gelegentlich umkämpfter) Ort für die Welt und ihre Wirtschaft. 2021 stellt sich das Frachtschiff Ever Given quer – und blockiert mit der Wasserstraße die globalen Warenströme. 2024 entscheiden einige Großreedereien, den Suezkanal zu meiden und den langen Umweg über Afrika in Kauf zu nehmen, weil islamistische Huthi-Rebellen mit Israel in Verbindung stehende Schiffe im Roten Meer angreifen.

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