Die Idee
Es ist paradox: Einerseits sollen Gebäude immer mehr natürliches Licht hineinlassen, durch immer größere Fenster und Glasfronten – andererseits sollen sie im Sommer immer besser gegen Hitze isoliert sein. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben nun einen Werkstoff entwickelt, der beide Ziele vereinigen soll. Das neue Material soll künftig Glas in Wänden und Dächern teilweise ersetzen. Obendrein soll Schmutz an ihm abperlen – wie an einem Lotusblatt.
Die Köpfe
Erfinder des neuen Supermaterials sind Bryce Richards, Direktor des Instituts Nanophotonics of Energy am KIT, und der Materialforscher Gan Huang. Richards, der in Neuseeland zur Schule ging und unter anderem in Australien studierte, hat in seiner Laufbahn intensiv an neuartigen Solarzellen gearbeitet. Huang, zeitweise Forscher an der Universität Oxford und dem Imperial College London, hat sich unter anderem mit Sonnenwärme beschäftigt: wie man aus ihr nutzbare Energie gewinnt – und wie man sie loswird, wenn es kühl sein soll.
Die Umsetzung
Mehr Licht ins Gebäude lassen, aber weniger Wärme: Das wollen Richards und Huang mit einem sogenannten Metamaterial erreichen. Metamaterialien sind künstlich hergestellte Stoffe, die ungewöhnlich mit elektrischen und magnetischen Feldern interagieren. Im konkreten Fall handelt es sich um Silikon, das zu mikroskopisch kleinen Pyramiden geformt ist; jede nur etwa zehn Mikrometer groß, ein Zehntel so dünn wie ein Haar. Die Pyramidenform verleiht dem Silikonfilm ganz spezielle Eigenschaften. So kann er Wärmestrahlung der Sonne sehr wirksam reflektieren, und zwar in einem infraroten Wellenlängenbereich, in dem Wärmestrahlung ungehindert durch die Atmosphäre zurück ins Weltall dringen kann. Experten sprechen von sogenannter Strahlungskühlung.
Bei Versuchen konnten die Forscher in Karlsruhe mit ihrem Material die Temperatur um sechs Grad Celsius gegenüber der Umgebung senken. Gleichzeitig lässt ihr Metamaterial mehr sichtbares Licht durch als herkömmliches Glas. So bleibt es in Gebäuden schön hell. Weil die winzigen Pyramiden die Lichtstrahlen streuen, sind Fensterscheiben daraus undurchsichtig und schützen vor ungewollten Blicken. Künftig soll das Supermaterial Glas in Gebäuden ersetzen – und so deren Energieverbrauch senken. Bis nächstes Jahr hoffen die Forscher eine Methode zu finden, es in Fenstergröße herzustellen.
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