Prognose bei Android und iPhone „Das ist die erbärmlichste Wettervorhersage, die man haben kann“

Regenwolke über den Dünen von Norderney. Vorinstallierte Wetter-Apps auf dem Smartphone liefern für solche Wetterereignisse nur unbefriedigend gute Vorhersagen.  Quelle: imago images

Vorinstallierte Wetter-Apps von Android und Apple sorgen wegen ungenauer Prognosen immer wieder für Verdruss bei den Nutzern, können Gastwirten sogar finanzielle Verluste bescheren. Die Wetterprofis Joachim Klaßen und Jörg Kachelmann erklären, warum das so ist.

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Die Tourismusregion Vinschgau in Südtirol hat ein Problem: Häufig, wenn potenzielle Gäste Google nach der Wetterprognose für die kommenden Tage befragen, ist für die Gegend Regen vorhergesagt. Selbst wenn später nicht ein einziger Tropfen fällt, erzählt eine Mitarbeiterin des örtlichen Tourismusverbandes. Die auf Geräten mit Apple- und Google-Betriebssystem vorinstallierten Wetter-Apps, aber auch Dienste wie Wetter.com, liefern offenbar mangelhafte Ergebnisse. Und Meteorologen zufolge ist das Vinschgau nicht das einzige Opfer unzureichender Prognosen.

Was für Gastwirte und Hoteliers der Südtiroler Gegend einen finanziellen Schaden bedeuten kann, weil es Besucher abschreckt, ist rund um die Welt für Millionen Nutzer solcher Vorhersagen zumindest einmal ärgerlich. Mal gewittert es, obwohl gar kein Gewitter angesagt ist. Mal sagen Menschen ihre Grillfeste ab, weil ein regnerisches Wochenende prophezeit wird – und dann scheint die Sonne.

Vor allem bei Regionen mit schwieriger Topographie und an Tagen mit komplizierten Wetterlagen sei die Vorhersage nicht immer einfach, nimmt Joachim Klaßen, Gründer und Chef des deutschen Anbieters Wetter-Online im WirtschaftsWoche-Podcast Chefgespräch die vorinstallierte Konkurrenz auf dem Smartphone in Schutz. Das gelte trotz immer neuer Fortschritte, die die Meteorologie in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat.



So sorgen immer besser werdende Algorithmen und immer leistungsfähigere Supercomputer laut Deutschem Wetterdienst dafür, dass ungefähr alle zehn Jahre die Dienstleister einen Tag weiter in die Zukunft blicken können. Jene Genauigkeit, mit der man vor zehn Jahren für den dritten Tag das Wetter vorhersagen konnte, wird heute für den vierten Tag vorhergesagt.

Völlig falsche Erwartungen

Der wohl bekannteste Meteorologe im deutschsprachigen Raum, Jörg Kachelmann – dafür berüchtigt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen – wird deutlicher: „Die Leute denken erstens, nur weil die App von Google oder Apple ist, muss das die Spitze der Technologie sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das ist die erbärmlichste Wettervorhersage, die man haben kann“. Hinzu komme, dass die Menschen völlig falsche Erwartungen haben, was heutzutage in der Meteorologie möglich ist und was nicht.

„Wenn an einem sonnigen Tag um 16 Uhr ein Gewitter angesagt ist, denken viele wirklich, dass das eine Bedeutung hätte“, holt Kachelmann aus. Doch kein Modell der Welt wisse schon am Morgen, ob am Nachmittag um 16 Uhr irgendwo ein Gewitter stattfindet. Heißt: Es kann weit und breit kein Gewitter geben, das Gewitter kann schon um 14 Uhr stattfinden, oder es gibt einen Zufallstreffer und man bekommt tatsächlich ein Gewitter um 16 Uhr.

Wetter-Online-Chef Klaßen bestätigt: „Das größte Ärgernis ist, wenn wir nicht sagen können, wie das Wetter in der nächsten Stunde wird.“ Es sei beispielsweise wesentlich schwieriger, einen leichten Regen vorherzusagen, als ein Starkregenereignis. Erfasse etwa das Regenradar einen Regentropfen, der gerade aus einer Wolke fällt, könne es dennoch sein, wenn die Luft unten so trocken ist, dass der Tropfen unterwegs verdunstet und den Boden nie erreicht. Auch wenn seine Experten versuchen, so etwas einzuberechnen, gelinge das nicht immer.

Joachim Klaßen, Gründer und Chef von Wetteronline, erzählt im Podcast, wie ihm Bildschirmtext beim Aufstieg half, ob der Klimawandel Wetterprognosen komplizierter macht – und wer eigentlich den Regenradar erfunden hat.
von Konrad Fischer

Ein Blick in die Apps der Smartphonehersteller zeigt, dass Apple und Google dieses Missverständnis offensiv befördern. Sie suggerieren regelrecht punktgenaue Vorhersagen. Steht etwa bei der Wetter-App auf dem iPhone in neun Tagen, dass es bei 15 Grad in Düsseldorf bewölkt sein wird, Regen nicht vorhergesagt ist, dann ist das: auf etwas höherem Niveau geraten. Über einen so langen Zeitraum lässt sich zwar recht sicher vorhersagen, dass es keinen Frost geben wird. Heute können Meteorologen die ganz grobe Temperatur mittelfristig prognostizieren, weil die von der Großwetterlage abhängt und diese nicht plötzlich über den Haufen geworfen wird, sagt Klaßen.  

Aber die Temperaturen werden sich dennoch in einer Bandbreite bewegen, die Tiefstwerte etwa zwischen 10 und 14 Grad, die Höchstwerte zwischen 15 und 21 Grad liegen. Noch schwieriger ist es beim Regen. Es kann in neun Tagen gar nicht regnen. Es kann aber genauso gut 4,5 Stunden regnen.

„Diese Apps aber nehmen eine der 50 möglichen Lösungen und zeigen sie an, nicht die Bandbreite“, kritisiert Kachelmann. Das sei problematisch, denn es gebe viele Menschen, die in zwei Wochen etwas aufgrund dieser einen Lösung planen, einen Kurzurlaub beispielsweise oder eine Gartenparty. „Und das wird fast nie funktionieren“, so der Schweizer.

Doch die suggerierte Genauigkeit ist nur ein Problem. Hinter den Smartphone-Apps der Hersteller stehen Kachelmann zufolge auch noch ungenaue Rechenmodelle. So ist das gerechnete Gitternetz bei diesen integrierten Apps sehr weitmaschig, zwischen den einzelnen Punkten liegen oft 10 oder 20 Kilometer. Der nächste Gitterpunkt ist also im Zweifel weit entfernt vom Standort des Nutzers, dazwischen wird einfach interpoliert. Das sei aber vor allem dann schwierig, wenn es starke topografische Höhenunterschiede gibt oder der Standort an der See liegt. Ob der Mensch im Tal ist oder auf dem Berg, mache riesige Unterschiede. Das gelte auch für Küstenorte. Liege der nächste Gitterpunkt weit auf dem Meer, werde die Temperatur am Ort des Nutzers an Land oft viel zu niedrig angezeigt.

Wolkenbruch und Sonne gemittelt: Regen

Das gilt laut Andreas Walter vom Deutschen Wetterdienst auch bei zu großen Gittern in der aktuellen Niederschlagserfassung. Wenn in Frankfurt die Sonne scheint und sich über Wiesbaden ein Wolkenbruch ergieße, die Werte dann gemittelt werden, dann regne es in beiden Städten. Der Vorteil solcher weitmaschigen Gitter sei jedoch, dass sie weniger Rechenpower benötigen und damit für die Anbieter billiger sind. 

Dass es besser geht, machen unter anderem Kachelmann und der Deutsche Wetterdienst vor. Ihre Rechenmodelle basieren auf einem Gitternetz, das sehr viel engmaschiger ist, im Fall von Kachelmann ein mal ein Kilometer. Etwas, wofür sein Unternehmen jeden Monat nur für den deutschsprachigen Raum eine fünfstellige Summe ausgibt.

„Die meisten vorinstallierten Apps dagegen basieren auf dem US-Wettermodell, das jeder Anbieter kostenlos im Internet abrufen kann“, sagt Kachelmann. Es reicht 16 Tage in die Zukunft, was es so beliebt macht bei den App-Anbietern. Da ist es egal, ob die Daten stimmen oder nicht. Das US-Modell sei dabei ganz besonders ungenau, rechne beispielsweise im Vinschgau in einer Höhe von deutlich mehr als 2000 Metern und leite davon die höhere Temperatur für niedriger gelegene Orte ab. 

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Natürlich vermögen auch große private Wetterdienste in den USA, die hinter den Prognosen der Smartphone-Konzerne stecken, das Wetter deutlich genauer zu errechnen. Doch solche Anbieter würden sich das Geschäft mit jenen Kunden kaputt machen, die hohe Beträge für eine genaue Vorhersage zahlen, wenn sie diese Daten kostenlos der breiten Masse schenken, sagt Kachelmann. „Die leben stattdessen einfach davon, dass es sie schon lange gibt“.

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