Das schwedische Parlament hat ein neues Gesetz verabschiedet, über das die ganze Welt spricht: Seit dem 1. Juli dürfen nicht nur die Eltern eines Neugeborenen, sondern auch die Großeltern oder andere Personen stellvertretend Elternzeit nehmen. Ein solcher Vorschlag wurde erstmals 2020 im Reichstag vorgestellt und im vorigen Dezember bewilligt.
Das Gesetz soll damit vor allem Großeltern ansprechen, erlaubt es aber auch anderen Personen aus dem familiären Umfeld, sich um die Kinder zu kümmern. „Es wird flexibler sein und mehr Möglichkeiten bieten, vor allem für Alleinstehende oder Regenbogenfamilien“, sagt Alexandra Wallin von der dafür zuständigen Schwedischen Sozialversicherungsagentur gegenüber dem Nachrichtensender SVT. Als Regenbogenfamilien versteht man Familien, in denen mindestens ein Elternteil lesbisch, schwul, bisexuell oder transgeschlechtlich ist – per Gesetz haben die Partner weniger Rechte.
Nach der neuen Regelung können Großeltern und andere Personen während des ersten Lebensjahres des Kindes insgesamt bis zu drei Monate bezahlte Betreuungszeit beantragen. Dafür übertragen die Eltern einen Teil ihrer eigenen Elternzeit. Bei Paaren sind es 45 Tage pro Elternteil, bei Alleinerziehenden 90 Tage. Das jeweils andere Elternteil kann seine eigene Zeit parallel dazu nutzen oder beide gehen währenddessen arbeiten.
Großeltern unterstützen damit Karriere der Mütter
Das Elterngeld orientiert sich dabei am Einkommen der Betreuungsperson, nicht am Verdienst der Eltern. Einzige Bedingung: Die Großeltern, etwaige Partner oder Verwandte müssen in Schweden versichert sein und dürfen sich in der Zwischenzeit nicht auf Jobsuche oder im Studium befinden. Rentner dürfen ebenfalls Elternzeit übernehmen, sie erhalten dann eine Art Entschädigungsleistung auf Basis der Mindestzahlung.
In Schweden steht Eltern pro Kind über 480 Tage Elterngeld zu, wenn Vater und Mutter sich die Betreuung teilen. Das sind in etwa 16 Monate. In den ersten 390 Tagen erhalten Eltern volle Bezüge, die richten sich nach dem Einkommen und sind vergleichbar mit dem Krankengeld. Der Höchstsatz liegt pro Tag bei 1012 Schwedischen Kronen, also etwa 88 Euro. An den restlichen 90 Tagen gibt es einen Festbetrag von täglich 180 Kronen, umgerechnet rund 16 Euro.
Laut dem Gesetzesvorschlag von 2020 soll diese Neuregelung Familien helfen, die sich aus finanziellen Gründen keine vollständige Elternzeit oder gar Verlängerung leisten können. Der Entwurf argumentiert auch damit, dass die Beziehung zu den Großeltern gestärkt werden würde. Gegenüber dem Fernsehsender SVT äußert sich eine 35-jährige schwedische Mutter, dass dieses Gesetz vor allem Frauen bei der Karriere helfen würde.
Schweden ist für seine progressive Arbeits- und Familienpolitik bekannt. Das Ehegattensplitting hat das Land bereits vor 50 Jahren abgeschafft. Und als erster EU-Staat hat Schweden vor wenigen Wochen einen ersten Entwurf für die Umsetzung der neuen EU-Entgelttransparenzrichtlinie vorgelegt. Diese müssen die EU-Länder bis 2026 in nationales Recht umsetzen.
Das Bundesfamilienministerium will noch in diesem Jahr seinen Entwurf vorlegen. Ziel der Richtlinie ist es, Geschlechterunterschiede in der Bezahlung zu minimieren, nach dem Motto: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Schwedens Gender Pay Gap liegt bei elf Prozent und damit unter EU-Durchschnitt. In Deutschland liegt die Lohnlücke bei 18 Prozent.
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