G7-Gipfel in Borgo Egnazio Der Krieg zu Gast im Luxusresort: Wie die Ukraine um Unterstützung beim G7-Gipfel wirbt

Wolodymyr Selenskyj ist zu Gast bei Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Quelle: REUTERS

Wolodymyr Selenskyj bekommt beim G7-Gipfel in Italien ein bemerkenswertes Hilfspaket – ein erster Erfolg auch für Gastgeberin Meloni, die mit Kanzler Scholz nicht den einzigen geschwächten Regierungschef empfängt. 

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So hat Olaf Scholz seinen Geburtstag auch noch nicht gefeiert. Am Freitag wird der Kanzler 66 – und dürfte sogar vom Papst persönlich Glückwünsche bekommen. Die beiden Männer sind zu Gast beim G7-Gipfel. Italien richtet in diesem Jahr das Treffen der mächtigsten sieben Industriestaaten aus, zu denen auch die USA, Japan, Kanada, Großbritannien und Frankreich zählen. 

Im südlichen Apulien, in Borgo Egnazia, sind die Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag in einem Luxusresort zusammengekommen, das einem traditionellen italienischen Dorf nachempfunden ist: enge Gassen, bilderbuchhafte Olivenhaine, lauschige Plätzchen und in der Küche belegt Nonna Mimina noch selbst die Pizza, so präsentiert sich das Resort. Eine herrliche Illusion – in der in diesen Tagen bitterer Realitäten diskutiert werden.  

Gleich zum Auftakt geht es um die Ukraine, Präsident Wolodymyr Selenskyj ist noch vor dem Kanzler und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Italien gelandet, er will im Kreis der G7 um mehr und um bessere Unterstützung werben.

135 Bomben in nur 24 Stunden, jede davon eine Tonne schwer, so massiv greife Russlands Präsident Wladimir Putin täglich die Ukraine an, berichtete Selenskyj bereits am Dienstag bei seinem Besuch der Wiederaufbaukonferenz in Berlin. Viele Bomben treffen ihr Ziel, weil es der Ukraine weiter an Flugabwehrsystemen mangelt. 80 Prozent der Wärmekraftwerke und 40 Prozent der Wasserkraftwerke wurden bereits angegriffen, mehr als neun Gigawatt der Kraftwerksleistung zerstört. Der nächste Winter könnte der härteste in der Geschichte der Ukraine werden, warnt Energieminister German Galushchenko im Interview mit der WirtschaftsWoche.  

Drei Treffen mit dem Kanzler 

Für Selenskyj ist es eine entscheidende Woche: Nach der Wiederaufbau-Konferenz in Berlin und dem G7-Gipfel geht es dann am Sonntag weiter zur Friedenskonferenz ins schweizerische Bürgenstock, dreimal trifft er den Kanzler damit in einer Woche – und zumindest am Donnerstag gab es für den Präsidenten eine erste gute Nachricht.

Noch 2024 soll die Ukraine auf einen Kredit in Höhe von etwa 50 Milliarden US-Dollar (etwa 47 Milliarden Euro) zurückgreifen können, der aus den Zinserträgen von eingefrorenem russischen Vermögen finanziert wird. Die EU hatte bereits entschieden, dass die Erträge direkt genutzt werden können, auch für Waffenkäufe zur Verteidigung gegen Russland – doch über den Kredit kann die Wirkung nun deutlich gehebelt werden.  

von Daniel Goffart, Max Haerder, Max Biederbeck, Cordula Tutt

Warum nur die Zinserträge?

Rund 280 Milliarden US-Dollar (rund 260 Milliarden Euro) wurden in westlichen Ländern bisher an russischen Zentralbankgeldern eingefroren – ein Großteil davon Europa: rund 210 Milliarden Euro sind es nach Angaben der EU-Kommission. Rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen sind daraus 2023 eingenommen worden, erklärte das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear.

Selenskyj hatte bereits beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar gefordert, nicht nur die Zinserträge, sondern das gesamte eingefrorene Vermögen für die Ausrüstung und den Wiederaufbau der Ukraine zu nutzen. Die Weltbank schätzt die bisher entstandenen materiellen Kriegsschäden inzwischen auf mehr als 486 Milliarden US-Dollar.

Tatsächlich hatten die USA auch eine Nutzung des eingefrorenen Vermögens selbst geprüft – doch die EU-Staaten und allen voran Deutschland hatten sich vehement dagegen gewehrt. Sie haben nicht nur völkerrechtliche Bedenken, sondern fürchten auch um den Investitions- und Finanzstandort. Andere Länder könnten womöglich ihre Vermögen abziehen, wenn sie fürchten müssten, dass es unter Umständen zu einer Beschlagnahmung kommen könnte.  

„Bezahlt aus den Erträgen von Herrn Putin“

Aus Sicht von US-Finanzministerin Janet Yellen ist der G7-Beschluss nun eine gute Lösung: Mit den Mitteln bekäme die Ukraine Ressourcen an die Hand – „bezahlt aus den Erträgen von Herrn Putins eigenem Vermögen“, schrieb sie in einem Gastbeitrag für die „New York Times“. Das Paket sei eine klare Botschaft an Putin: dass die Verbündeten auf lange Sicht zu Kiew stünden. Eine Botschaft, die auch die Bundesregierung teilt.

Für Gipfelgastgeberin Giorgia Meloni ist der Beschluss ein erster Erfolg. Die umstrittene Rechtspopulistin sticht in dem Kreis der Staats- und Regierungschefs in diesen Tagen bemerkenswert heraus. Während sie bei den Europawahlen einen Sieg eingefahren hat, ist ein Großteil ihrer Gäste politisch erheblich geschwächt. 

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Scholz hat mit der SPD das bisher schlechteste Ergebnis bei einer Europawahl überhaupt verzeichnet. Macron schnitt so miserabel ab, dass er nun Neuwahlen ausgerufen hat. Großbritanniens Premier Rishi Sunak wird bei den kurzfristig angesetzten Wahlen am 4. Juli wohl haushoch gegen Herausforderer Keir Starmer verlieren und US-Präsident Joe Biden liegt in den Umfragen für die Wahlen im November hinter Donald Trump – in dieser Konstellation, so viel dürfte klar sein, sieht sich die Runde nicht wieder. Kanzler Scholz bekommt zum Geburtstag deshalb ein Ständchen, das er so wohl nie wieder hören wird.   

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