Eine neue Empörungswelle schwappt durch den politischen Raum. Von einer Diskriminierung von Inländern ist plötzlich die Rede. Das Stichwort für den Aufreger lautet: „Arbeitsaufnahme in Deutschland steuerlich begünstigen.“ Gemeint ist ein Passus aus der „Wachstumsinitiative“, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) neben dem Haushaltsentwurf 2025 vergangene Woche ausbaldowert haben. Konkret geht es darum, dass „neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen“.
Wettlauf um die Klügsten weltweit
Die Initiative zu dem (hierzulande) ungewöhnlichen Vorschlag kommt von der FDP. Den Liberalen geht es darum, mehr ausländische Fachkräfte ins Land zu locken. „Im Wettlauf um die klügsten Köpfe weltweit“, verteidigt der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Markus Herbrand die Initiative, „stehen wir im Wettbewerb mit vielen anderen Ländern, in denen u.a. umfangreiche Steuervorteile Anwendung finden.“ Tatsächlich ist der FDP-Vorschlag, den das Ampel-Triumvirat absegnete, weder neu noch einzigartig.
„Dafür gibt es gute Gründe und im Übrigen auch funktionierende Beispiele aus anderen Ländern“, sagt Michael Gschwandtner von der Steuerberatungsgesellschaft Ernst & Young. Der Steuerberater ist dort für Auslandsentsendungen von und nach Deutschland zuständig. „In anderen Ländern wie Österreich, Niederlande, UK, Spanien und Belgien gab beziehungsweise gibt es ähnliche Modelle und in unserer Beratungspraxis hat sich immer wieder gezeigt, dass diese Instrumente sinnvoll eingesetzt werden können.“
Steuervorteile für Ausländer: Vorbild Niederlande
Große Ähnlichkeit hat der Ampel-Vorschlag mit dem niederländischen Modell. Laut Ernst & Young können dort Arbeitgeber hoch qualifizierten Migranten einen Teil des Einkommens steuerfrei auszahlen, 30 Prozent in den ersten 20 Monaten, 20 Prozent in den nächsten 20 Monaten und 10 Prozent in weiteren 20 Monaten. Voraussetzung sei, dass die Arbeitskräfte spezifische, in den Niederlanden schwer zu findende Qualifikationen mitbringen und eine Gehaltsgrenze von rund 42.000 Euro 2024 überschreiten. Zudem müssten sie in den letzten zwei Jahren mehr als 150 Kilometer von der holländischen Grenze entfernt gelebt haben.
Schweden erhöht Anreize
Schweden hat laut Ernst & Young sogar zum 1. Januar 2024 die steuerlichen Anreize noch vergrößert. Qualifizierte nicht schwedische Angestellte ab einem Einkommen von etwa 10.000 Euro monatlich bräuchten nun sieben statt fünf Jahre lang nur 75 Prozent versteuern.
Im benachbarten Dänemark müssen Angestellte ab einem Monatsgehalt von rund 10.000 Euro nur eine Flattax von 32,84 Prozent zahlen (der Spitzensteuersatz liegt in Dänemark bei 53 Prozent). Dieses Angebot gelte für maximal sieben Jahre und nur für Personen, die in den letzten zehn Jahren nicht der dänischen Steuerpflicht unterlegen hätten sowie frühestens einen Monat vor dem ersten Arbeitstag ins Land gezogen seien.
Erst mal zuhören
Angesichts der verbreiteten Begünstigungen in zahlreichen europäischen Ländern plädiert EY-Partner Gschwandtner für neugierige Gelassenheit zum FDP-Vorstoß: „Mir wäre es also lieber, man hört sich den Vorschlag bis zum Ende an und diskutiert fair, statt gleich wieder alles negativ zu sehen.“
Auch der finanzpolitische FDP-Sprecher Herbrand wehrt sich gegen die Kritik vor allem aus den Reihen von SPD und Grünen: „Wenn wir die verzweifelte Suche unserer Unternehmen nach Fachkräften nur mit dem verstaubten Instrumentenkasten der GroKo-Jahre unterstützen, fallen wir als Auswanderungsziel immer weiter zurück, während andere Volkswirtschaften an Attraktivität gewinnen.“ Ein zeitlich und in der Höhe begrenzter Steuernachlass könne hier zum Gamechanger werden, hofft Herbrand.
Wichtig sei aber auch die Flankierung mit Begleitmaßnahmen vom Kita-Platz über Sprachkurse bis hin zum beschleunigten Wohnungsneubau. Herbrand: „Niemand bleibt nur für einen Steuernachlass in einem fremden Land, wenn die anderen Parameter nicht stimmen.“
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