Reiche besteuern Vermögensteuer wieder einsetzen? Einfacher gesagt als getan

Quelle: imago images

Soll es hohe Steuern auf Vermögen über einer Million Euro geben? Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland spricht sich dafür aus. Doch der Teufel steckt wie so häufig im Detail.

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Wiedereinführung der Vermögensteuer? Eine Mehrheit der Deutschen hält das für eine gute Idee. 62 Prozent der Bürgerinnen und Bürger befürworteten in einer aktuellen Forsa-Umfrage, dass Privatpersonen und Unternehmen eine solche Abgabe auf Vermögen ab einer Million Euro zahlen müssen. Doch das ist leichter gesagt als getan – und um das zu verstehen, braucht es einen Blick in die Details:

Bis 1996 gab es in Deutschland bereits eine Vermögensteuer. Doch das Bundesverfassungsgericht setzte dem ein Ende. Der Grund: die steuerliche Bevorzugung von Immobilien und Grundvermögen. Die vom Gericht geforderte Neuregelung ließ die Regierung aus Union und FDP schleifen. Nach Ablauf einer Schonfrist durfte die Steuer nicht mehr erhoben werden. Dabei ist es bis heute geblieben.

Eine Wiedereinführung müsste nun zum einen die im Urteil geforderte Gleichbehandlung von Vermögen umsetzen und zum anderen sicherstellen, dass nur Vermögensgewinne besteuert werden, der Vermögensstamm aber unangetastet bleibt. Eine Vermögensabgabe – bei der die Vermögenden nominal ärmer werden – darf nach dem Grundgesetz nur in Ausnahmesituationen und auch nur einmalig erhoben werden.

Wie könnte Vermögen besteuert werden?

Die Diskussion über das Für und Wider einer Vermögensteuer ist nicht neu. Bereits 2013 hatten zwei niederländische Ökonomen in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung verschiedene Optionen durchgespielt. Die aussichtsreichsten Kandidaten wären demnach eine Besteuerung von Vermögenszuwächsen – wie es sie in vielen angelsächsischen Ländern gibt – oder die sogenannte Box-III-Besteuerung nach niederländischem Vorbild.

Das Grundprinzip der Niederländer: Für eine bestimmte Auswahl von Vermögensarten wird ein fiktiver Jahresgewinn festgelegt, der dann als Einkommen besteuert wird. Dadurch, so die Autoren, wird eine Reihe von Faktoren eliminiert, die die Besteuerung von Vermögen teurer und ineffizienter machen. Ausgeschlossen werden unter anderem Vermögensformen wie Kunst, Edelmetalle, private Darlehen oder Tiere, deren Wert besonders schwer zu ermitteln ist.

Ausklammern ließen sich auch Betriebsvermögen. Deren Besteuerung wird von Kritikern – wie dem Verband „Die Familienunternehmer“ – als besonders schädlich angesehen. In einem Leitfaden argumentiert die Interessenvertretung, dass eine Wiedereinführung zu Kollateralschäden führen könnte, die das Wirtschaftswachstum um bis zu sechs Prozent bremsen würden. Dabei wird allerdings unterstellt, dass die Steuer auch dann anfällt, wenn aus dem Vermögen kein Gewinn erzielt wird. Dies ist jedoch nach dem Grundgesetz ausgeschlossen, da dadurch die Vermögensbasis geschmälert würde.

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Genau dies könnte jedoch in einer anderen Konstellation eintreten, zeigt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Eine Kombination aus Vermögensteuer, Abgeltungsteuer und Erbschaftsteuer könnte demnach im Extremfall zu einer effektiven Besteuerung führen, die höher ist als der Vermögensertrag. Da die Erbschaftsteuer an sich eine besondere Form der Substanzsteuer ist, stellt sich allerdings die Frage, ob ihre Wirkung vom Bundesverfassungsgericht überhaupt beanstandet würde. Klar wird gleichwohl, dass der Gesetzgeber mehr tun müsste, als nur das Vermögenssteuerrecht zu ändern, um die Neuregelung gerichtsfest zu machen.

Lohnt sich der Aufwand einer Vermögensteuer?

Ein weiteres Argument gegen die Vermögensteuer ist der Aufwand für die Erfassung des Vermögens und die damit verbundenen Kosten. „In der Praxis frisst der komplexe Bewertungsaufwand die Erträge daraus auf“, schreibt auch FDP-Spitzenpolitiker Marco Buschmann auf der Plattform X. Doch gerade bei dieser Frage gibt es eine enorme Bandbreite an Schätzungen, die Studienautoren über die Jahre erstellt haben. Das Bundesfinanzministerium ging 1996 von einem Kostenanteil von drei Prozent des Aufkommens aus. Spätere Studien kamen dagegen auf deutlich höhere Werte von bis zu 65 Prozent.



Die Analyse der Hans-Böckler-Stiftung verweist auf die Niederlande, wo der Verwaltungskostenanteil bis 2001 bei bis zu zehn Prozent lag. Der vergleichsweise hohe Wert hing den Autoren zufolge mit mangelnder Automatisierung zusammen und dürfte inzwischen deutlich niedriger liegen. Was auffällt ist, dass der Aufwand in der Praxis wohl deutlich niedriger ist, als dies von Theoretikern angenommen wird. Ob dieser sich lohnt, hängt auch von den zu erwartenden Erträgen ab. Diese lassen sich zumindest grob abschätzen.

Zwischen 1995 und 2021 ist das Vermögen der privaten Haushalte nach Angaben des Bundesfinanzministeriums von 6,8 Billionen Euro auf knapp 20 Billionen Euro gestiegen, davon allein das Geldvermögen auf 7,8 Billionen Euro. Würde man die bis 2016 gültige Faustformel der Box-III-Steuer von vier Prozent fiktivem Jahresgewinn und 30 Prozent pauschalem Einkommensteuertarif anwenden, ergäben sich rein rechnerisch Staatseinnahmen von über 90 Milliarden Euro pro Jahr – allein auf Basis der Geldvermögen. Durch Freigrenzen für Normalverdiener würde der Betrag in der Praxis geringer ausfallen.

Wie auch immer die Steuer umgesetzt würde, es wäre eine deutliche Steuererhöhung. Die Frage ist: für wen? Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) befindet sich die Hälfte des Haushaltsvermögens in der Bundesrepublik in den Händen der obersten zehn Prozent der Vermögenden. Das oberste ein Prozent vereint 20 Prozent des Vermögens auf sich. In diesen Anteilen sind bereits die Altersvorsorgevermögen enthalten, die bei den übrigen Bundesbürgern einen erheblichen Anteil ausmachen. Das DIW sieht die Vermögensverteilung in Deutschland – auch im Vergleich zu anderen Industrieländern wie Frankreich – als besonders ungleich an.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher hält einen Abbau dieser Ungleichheit jedoch auch ohne eine Vermögensteuer für möglich. Er empfiehlt auf der Plattform X, Steuerbefreiungen bei Immobiliengewinnen und der Erbschaftsteuer abzuschaffen sowie die Grund- und Grunderwerbsteuer anzupassen. Dadurch könnten Mehreinnahmen auch ohne Steuererhöhungen erzielt werden.

Eine Parteienfrage

Die linken Parteien in Deutschland, von der SPD über die Grünen bis zur Linkspartei, fordern seit langem die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Ihre Wählerinnen und Wähler sehen das laut der Forsa-Umfrage genauso. Vor allem bei den Anhängerinnen und Anhängern der Grünen stößt der Vorstoß auf Zustimmung (84 Prozent). Aber auch die Anhängerinnen und Anhänger der SPD (79 Prozent) und der Bündnisgrünen (58 Prozent) sprechen sich dafür aus.

Auf der anderen Seite können sich auch FDP und AfD ihrer Klientel sicher sein. 87 Prozent der FDP-Wähler und 62 Prozent der AfD-Wähler wollen Vermögen weiterhin nicht gesondert besteuern. Auch die Union ist der Meinung, eine Vermögensteuer würde „die wirtschaftliche Substanz Deutschlands gefährden und Arbeitsplätze kosten“, wie die Parteien in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm schreiben. Die Anhänger von CDU und CSU sehen das jedoch offenbar anders, mit 55 Prozent würde auch hier eine Mehrheit die Einführung einer Vermögensteuer unterstützen.

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Vor diesem Hintergrund scheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Union ihre Haltung bis zur nächsten Bundestagswahl noch ändert. Denn auch eine Regierung unter einem Kanzler Friedrich Merz müsste sich die Frage stellen, woher das Geld für Investitionen in die Energiewende und die Ausrüstung der Bundeswehr kommen soll.

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Mit Material der Nachrichtenagentur dpa.

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