Energie „Derzeit ist eine Wärmepumpe auch im Betrieb teurer als eine Gasheizung“

Luft- und Wasserwärmepumpe an einem neuen Wohnhaus. Quelle: imago images

Bisher wurde der Hochlauf der Wärmepumpen oft als Belastung für die Stromnetze gesehen. Der Internationalen Energie Agentur zufolge könnte das Problem entschärft werden – wenn Deutschland es richtig anstellt.

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Die Energiewende setzt die deutschen Stromnetze unter Druck. Zuletzt hatten die Stadtwerke in Oranienburg den Anschluss neuer Verbraucher zeitweise gestoppt, die Begründung: zu viele Wärmepumpen wurden neu angeschlossen. Doch die neue Heiztechnik muss keine Be-, sondern kann sogar eine Entlastung für die Netze sein, heißt es in einer Untersuchung der Internationalen Energie Agentur IEA, die den Einsatz an 28 unterschiedlichen Standorten in Dänemark, Schweden, Österreich, den Niederlanden und Deutschland untersucht hat. Dieser Ansicht ist auch Dietrich Schmidt, Abteilungsleiter Thermische Energiesystemtechnik am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel.

WirtschaftsWoche: Herr Schmidt, einmal für Laien, bitte: Welche Funktion nimmt eine Wärmepumpe in einem System aus Strom- und Wärmenetzen ein?
Dietrich Schmidt: Eine Wärmepumpe ist im Allgemeinen ein Gerät, eine Komponente im Energiesystem, die Strom benötigt, um Wärme zu erzeugen. Im Zuge der Umstellung unserer Wärmeversorgung weg von Gas und hin zu mehr Wärmepumpen besteht daher die Notwendigkeit, eine stärkere Integration zwischen dem Strom- und dem Wärmesystem zu erreichen. Eine Wärmepumpe kann entweder in einem einzelnen Gebäude oder als Großwärmepumpe in Verbindung mit einem Nah- oder Fernwärmenetz eingesetzt werden.

Für welche Lösung – kleine oder große Wärmepumpen – haben sich Länder wie Dänemark und Schweden entschieden?
Für beide. Auch in Deutschland sehen wir aus den Simulationsrechnungen, dass sich Wärmenetze mit zum Beispiel Wärmepumpen vor allem in dichter besiedelten Räumen wie Städten lohnen. Weil es dort einfach wirtschaftlicher ist. Im Vergleich zu Schweden muss man aber auch sagen, dass Deutschland auch auf dem Land eine andere Siedlungsstruktur hat. Dort sind die Gemeinden viel zersiedelter, mit vielen einzelnen Häusern. Ein Dorf in Deutschland unterscheidet sich nicht wesentlich von einem Baugebiet in einer Großstadt und eignet sich daher genauso für ein Wärmenetz in Verbindung mit einer Wärmepumpe.

Zur Person

In dem Projekt wurden unterschiedliche Anwendungsfälle in unterschiedlichen Ländern verglichen. Deutschland steht beim großflächigen Einsatz von Wärmepumpen zum Heizen von Gebäuden noch relativ am Anfang, Länder wie Dänemark und Schweden sind wesentlich weiter. Wie unterscheiden sich denn die Energienetze in den nordischen Ländern?
Sowohl Schweden als auch die anderen nordischen Länder haben viel früher sowohl auf Wärmenetze als auch auf das Thema Wärmepumpen gesetzt. Sie sind in der Entwicklung weiter als wir. Damit verbunden sind auch andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

Welche sind das?
Zum Beispiel unterschiedliche Strompreise. In Deutschland ist der Strompreis vor allem wegen der hohen Netzentgelte relativ hoch. Wenn aber Gas wesentlich günstiger ist als Strom, wird die Entscheidung für eine Wärmepumpe nicht aus wirtschaftlichen Gründen getroffen, sondern weil beispielsweise eine möglichst große Selbstversorgung angestrebt wird, unter anderem durch die Kombination mit einer Photovoltaikanlage und einem Stromspeicher. Derzeit ist eine Wärmepumpe sowohl in der Anschaffung als auch potenziell im Betrieb eher teurer als eine Gasheizung. Wenn ich vom Gas wegwill und Wärmepumpen haben möchte, dann ist das natürlich kontraproduktiv.

Asiatische Hersteller, hieß es vor einem Jahr, würden bald den deutschen Markt fluten mit ihren Wärmepumpen. Jetzt zeigt sich: Es ist so weit.
von Stephan Knieps, Nils Wischmeyer

Die Studie sagt, dass Wärmepumpen Stromnetze flexibler machen. Wie ist das zu verstehen?
Die Nutzung von Wärme – also das Heizen – unterliegt einer gewissen Trägheit, das heißt, es dauert eine gewisse Zeit, einen Raum zu erwärmen, aber auch, ihn wieder abzukühlen. Diese Trägheit kann genutzt werden, um in Zeiten, in denen mehr Strom aus erneuerbaren Energien im Netz verfügbar ist, als aktuell benötigt wird, Wärme zu erzeugen und diese zu einem späteren Zeitpunkt zu nutzen. Andererseits können Wärmepumpen, die als Verbraucher das Stromnetz beanspruchen, auch abgeschaltet werden, wenn eine Überlastung des Stromnetzes droht. Dies schafft Flexibilität, da ich die Wärmepumpe nach dem Stromangebot ausrichten kann. Generell muss im Stromnetz hingegen eher der aktuelle Verbrauch durch die aktuelle Erzeugung ausgeglichen werden.

Muss eine Wärmepumpe mit einem Wasserspeicher kombiniert werden, damit das funktioniert?
Das funktioniert im Prinzip schon mit der normalen Wärmepumpe. Je nachdem sind diese sowieso mit einem kleinen Pufferspeicher ausgestattet, aber man kann auch die Böden und die Wände des Gebäudes, also die Baukonstruktion, als Speicher nutzen. Das heißt, wenn der Raum warm ist und die Wände entsprechend warm sind, dann kann man die Heizung eine Zeit lang auslassen, ohne dass es kalt wird, weil die Wände einfach entsprechend aufgeheizt sind.

Auch die Rohrleitungen, in denen das Warmwasser transportiert wird, können als Speicher dienen. Dies gilt vor allem in einem Nah- oder Fernwärmenetz.



In Oranienburg musste der Stromversorger sein Netz kürzlich aus Sorge vor einer Überlastung für neue Verbraucher sperren, als Grund wurden auch Wärmepumpen genannt. Wie passt das ins Bild?
Grundsätzlich ist jede elektrische Wärmepumpe, die irgendwo angeschlossen wird, auch ein zusätzlicher Energieverbraucher, genauso wie jede Ladestation für ein Elektroauto auch ein zusätzlicher Verbraucher ist. Jetzt kommt es darauf an, diese zusätzlichen Lasten möglichst in Zeiten zu verschieben, in denen keine Spitzenlast vorhanden ist. In Oranienburg sind die Stadtwerke vermutlich etwas überrollt worden von der Entwicklung, die der Krieg in der Ukraine ausgelöst hat.

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Damit diese zeitliche Verschiebung funktioniert, braucht es jedoch neue Energiezähler, sogenannte Smart-Meter, richtig?
Ja, der Versorger muss natürlich steuernd eingreifen können. Also zu sagen, ich schalte jetzt kurzfristig ab, um Kapazitäten freizumachen. Aber technisch wird es nicht so sein, dass jemandem der Strom abgedreht wird, und dann wird es kalt oder dunkel im Haus. Es geht eher um Anwendungen, bei denen es nicht wichtig ist, ob sie zehn Minuten früher oder später starten, wie zum Beispiel das Heizen oder das Laden eines Elektroautos über Nacht.

Lesen Sie auch: Um den Heizungsmarkt zu erobern, kommt es nicht auf die Qualität der Wärmepumpe an

Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 10. Mai 2024 bei der WirtschaftsWoche. Wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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