Wohnungsbau Die Lage am Bau stabilisiert sich – nun droht ein neues Problem

Das Statistische Bundesamt zählt 300.000 neue Wohnungen  Quelle: Monika Skolimowska/dpa

Das Statistische Bundesamt meldet den Bau von knapp 300.000 neuen Wohnungen im vergangenen Jahr. Bauministerin Klara Geywitz ist erleichtert, weil der Gau am Bau ausblieb. Doch es zeichnen sich neue Schwierigkeiten ab.

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Bauministerin Klara Geywitz (SPD) wird gar nicht einmal so traurig sein, wenn sie die aktuellen Bauzahlen sieht. Im Jahr 2023, so meldet das Statistische Bundesamt an diesem Donnerstag, wurden 294.400 neue Wohnungen in Deutschland gebaut. Klar: Das liegt deutlich unter dem einstigen Wohnungsbauziel der Bundesregierung, 400.000 neue Einheiten pro Jahr fertig zu bekommen und es sind auch rund 900 Wohnungen weniger als im Vorjahr.

Aber: Die Zahlen sind immer noch besser als viele Immobilienexperten befürchtet hatten. Das ifo Institut etwa prognostizierte für das vergangene Jahr gerade einmal 225.000 fertiggestellte Wohnungen. Unvergessen ertönten allerorten die Warnungen der Immobilienbranche vom „Kipppunkt“, vom „Absturz“ und sogar dem „Gau am Bau“.

Geywitz hatte zuletzt immer wieder gegen solche Hiobsbotschaften angeredet. Das Ministerium täte alles, um die Lage zu stabilisieren, betonte sie. Jetzt dürfte sie sich in diesem Kurs bestätigt fühlen. Auch im sozialen Wohnungsbau präsentiert ihr Ressort Überraschungen. Zwar ist die Gesamtzahl sozial geförderter Wohnungen 2023 leicht auf 1,07 Millionen gesunken, weil Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen sind. Aber: Die Fertigstellungen selbst sind um ordentliche 20 Prozent auf gut 49.400 Einheiten geklettert – was auch daran liegt, dass der Bund eine Summe von mehr als 18 Milliarden Euro bis 2027 als Bauhilfe bereitstellt. Allerdings entspricht auch das nur etwa der Hälfte des eigentlich angestrebten Zielwerts.

„Kehrtwende“ statt „Kollaps“ loben sie sich im Ministerium deshalb. Die Stimmung ist gut in der Krausenstraße in Berlin-Mitte. „Spürbar optimistischer“ schaut Geywitz nach eigenen Worten in die kommenden Monate. Immerhin hat ihre Politik des gezielten Förderns offenbar maßgeblich zur Trendwende beigetragen. Förderprogramme, die den Bau wieder ankurbeln sollten, so sind sie im Ministerium überzeugt, haben ihr Ziel erreicht.

Und genau hier folgt das große Aber, das so manchen in Berlin aktuell herumtreibt. Denn ausgerechnet diese Förderprogramme scheinen gerade auf der Kippe zu stehen. Ministeriumskreisen zufolge bereitet eine mögliche Überlastung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) „größte Sorgen“.

Droht ein Ende der Förderung?

Mit dem KTF werden Wohnungskaufprogramme für Privatpersonen und institutionelle Investoren ebenso finanziert wie beispielsweise der Ausbau der Elektromobilität. Der Fonds ist bereits auf Kante genäht, seitdem das Bundesverfassungsgericht ihm per Entscheidung Ende vergangenen Jahres 60 Milliarden Euro aus der Rücklage gestrichen hat. Danach blieben darin für zentrale Regierungspläne im Jahr 2024 noch rund 49 Milliarden Euro übrig. Zwischenzeitlich waren schon einmal Bauförderungen gestrichen worden, um die Grenzen nicht zu sprengen. Jetzt drohen weitere Kürzungen, weil dem Fonds neue Überlastung droht.



Das hat damit zu tun, dass er Bürgerinnen und Bürger auch beim Strompreis entlastet. Der KTF ersetzte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine seit Sommer 2022 die EEG-Umlage, die seitdem nicht mehr auf der Stromrechnung steht. Für etwaige Ungleichmäßigkeiten beim Strompreis kommt seitdem stattdessen der KTF auf. 10,6 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung.

Solange der Strompreis hoch war, war das kein Problem. Jetzt, wo der Strompreis aber wieder gesunken ist und es wegen zu viel Strom in den Netzen zuletzt sogar zu mehrtägigen negativen Preisen kam, wächst plötzlich auch der Druck auf den KTF.

Zu tun hat das mit dem rasanten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen und dem gerade erst beginnenden Sommer, der für eine stetige Überproduktion an Solarstrom sorgen wird. Das Problem: Dieser Strom drückt die Preise auf dem Markt nach unten. Weil aber die Betreiber von Erneuerbaren Energie gesetzlich festgesetzte Vergütungen aus dem KTF bekommen, während der Strom selbst an Wert verliert, entsteht eine wachsende Kostenlücke für den KTF. Finanzminister Christian Lindner (FDP) selbst sprach am Donnerstag von möglichen neun Milliarden Euro Zusatzkosten, die der Fonds bald stemmen müsse.

Reicht das Geld aus?

Hört man sich unter Haushältern im Bundestag um, gibt es die Sorge, dass es sogar noch mehr sein könnte. „Eine derartige Summe könnte der Finanzminister vermutlich nur über einen vorgezogenen Notfall-Nachtragshaushalt oder weitere Kürzungen wieder reinholen“, heißt es. Das würde den FDP-Finanzminister, der die Aufnahme neuer Schulden vehement ablehnt, in finanzielle Not bringen.

Die Frage ist also: Reicht das Geld aus? Und was bedeutet es für den Wohnungsbau, wenn die Mittel wieder erschöpft sind?

von Max Biederbeck, Philipp Frohn, Clara Thier

Im Hause Geywitz befürchtet man vor allem, dass einige zentrale KTF-Förderungen ganz gestrichen werden könnten, etwa das Programm für den klimafreundlichen Neubau. Dieses Programm können Selbstnutzer und Investoren bei der KfW beantragen, wenn sie eine besonders klimafreundliche Immobilie bauen oder erstmals eine solche kaufen. Voraussetzung ist, dass das Gebäude nur 40 Prozent der Energie eines gesetzlich definierten Referenzhauses verbraucht. Dafür gibt es attraktive Zinskonditionen. Mit 2,55 Prozent liegt der Zins deutlich unter dem Marktniveau. Darlehen mit zehnjähriger Laufzeit gab es zuletzt für 3,65 Prozent.

Experten lesen aus der Zinsentwicklung bei dem KfW-Programm die Sorge des Bauministeriums heraus, dass das Geld irgendwann knapp werden könnte. Als die Förderung im März vergangenen Jahres an den Start ging, gab es die Kredite mit einem Zinssatz von 0,01 Prozent praktisch zum Nulltarif. Nach Wiederauflage im Februar lag der Zins bei 2,1 Prozent – und seit neuestem eben bei 2,55 Prozent. Für das laufende Jahr sind bislang 762 Millionen Euro für das Programm vorgesehen, eine Aufstockung ist prinzipiell möglich.



Auf Anfrage der WirtschaftsWoche hieß es vom Bauministerium zuletzt, das Programm werde „auch weiterhin gut am Markt angenommen“. Offen ließ das Ministerium aber, wie viel Geld bereits verteilt worden ist und ob die Mittel für weitere Anträge reichen.

Für die Baubranche ist das Förderprogramm essenziell. Als im vergangenen Jahr das Paket kurzzeitig gestrichen worden war, klagten Unternehmer über Unsicherheit. Sollten sich die Sorgen über mögliche Überlastungen des KTF bewahrheiten, läge ein dunkler Schatten über dem neuen Frieden am Bau.

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Und auch ganz ohne Förderchaos dürfte es für große Jubelarien noch zu früh sein. Die aktuellen Neubauzahlen sind ein Blick in den Rückspiegel. Interessant ist auch ein Blick auf die Baugenehmigungszahlen – und die sind weiter rückläufig. Im März lag die gut ein Fünftel unter dem Vorjahreswert. Und nur weil eine Genehmigung vorliegt, wird noch lange nicht gebaut. Durchgestanden hat der Bau die Krise noch nicht.
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