Immobilien Grundsteuer-Drama: Hausbesitzer werden alleingelassen

Die Grundsteuerreform ist zum Bürokratiemonster mutiert. Quelle: dpa

Der Bundesfinanzhof stärkt mit zwei Urteilen zur Grundsteuer die Rechte von Eigentümern. Sie können nun den Grundsteuerwerten des Finanzamts widersprechen. Allerdings hilft das nur theoretisch. Ein Kommentar.

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mHaben Sie bereits Post vom Finanzamt zu Ihrer Grundsteuererklärung bekommen? Als pflichtbewusster Bürger haben Sie bestimmt fristgerecht Angaben zu Ihrer Immobilie gemacht und dürften von der Behörde schon längst die Bescheide erhalten haben. Darin setzt das Finanzamt den sogenannten Grundsteuerwert fest. Klingt kompliziert, ist kompliziert – aber eben auch wichtig: Denn dieser Wert ist Grundlage für die ab kommendem Jahr zu zahlende Grundsteuer. Heißt also erstmal: Je höher der Wert ist, desto schlechter für die Eigentümer.

Bislang hatten Eigentümer keine Möglichkeit, gegen zu hoch angesetzte Grundsteuerwerte vorzugehen. Das will der Bundesfinanzhof jetzt ändern und die Rechte von Eigentümern stärken. Zwei Wohnungseigentümer aus Rheinland-Pfalz hatten dagegen geklagt. In zwei am Donnerstag veröffentlichten Beschlüssen (Az. II B 78/23 und 79/23) räumen die Richter ein, dass ein Widerspruch gegen die angesetzten Werte möglich sein muss. Die Entscheidung des obersten deutschen Steuergerichts ist erstmal zu begrüßen.

In gut der Hälfte der Länder geht die neue Bewertung der Immobilien auf das sogenannte Bundesmodell zurück. Dabei sind vor allem die Bodenrichtwerte wichtig. Nur leider geht die neue Berechnungsgrundlage der Bodenrichtwerte an der Realität vorbei.

Ab 2025 gilt die neue Grundsteuer. Noch immer wissen viele Eigentümer nicht, wie viel sie dann zahlen müssen. Trotz neuer Urteile. Der Steuerzahler-Präsident klagt diesen Schwebezustand an.
von Philipp Frohn

Diese Bodenrichtwerte orientieren sich an den Verkaufspreisen von Häusern und Wohnungen. Wenn nun in guten Lagen nicht viel verkauft wird, dürfte der Bodenrichtwert tendenziell relativ niedrig ausfallen. In schlechteren Gegenden hingegen, wo Immobilien aber oft den Eigentümer gewechselt haben, liegt er hingegen höher. In Berlin zeigt sich dies besonders gut: Im feinen Wannsee fällt der Wert niedrig aus, in Kreuzberg und Charlottenburg deutlich höher. Der Grund: Wegen des Immobilienbooms bis 2022 waren die Preise immer weiter in die Höhe geschossen.

Eigentümer werden im Stich gelassen

Allerdings wird das Urteil des Bundesfinanzhofes den meisten Eigentümern erstmal wohl wenig bringen. Für viele sind Begriffe wie Grundsteuerwert, Bodenrichtwert und Grundsteuermessbetrag unverständliches Beamtendeutsch. Wie viele machen sich am Ende die Mühe, diese Dinge nachzuvollziehen und dann gegen vermeintlich überzogene Forderungen vorzugehen? Selbst wer sich im Laufe der Jahre Wissen angeeignet hat, stößt auf ganz praktische Hürden: Um eine Korrektur durchzusetzen, müssen Eigentümer nachweisen, dass der festgesetzte Grundsteuerwert 40 Prozent über dem tatsächlichen liegt.

Das passt ins Bild des gesamten Grundsteuer-Desasters: Eigentümer werden im Stich gelassen. Das Drama fing bereits vor gut zwei Jahren an, als der Staat von seinen Bürgern verlangte, selbst Angaben zu ihren Immobilien zu machen – und viele dafür nur auf das prähistorische Steuertool Elster zurückgreifen konnten. Wer kein Steuerfachmann war, scheiterte schnell.



Noch immer warten viele Eigentümer auf die Hebesätze der Kommunen, ohne die die letztliche Höhe der Grundsteuer nicht berechnet werden kann. Kurzum: Eigentümer werden in eine Bürokratiehölle hineingezogen, werden nur unzureichend informiert – und dürfen am Ende im Zweifel mehr Grundsteuer zahlen als vorher. Das zumindest ist die Prognose von Eigentümerverbänden wie Haus & Grund.

Unklar ist weiterhin auch, ob die neue Grundsteuer überhaupt verfassungskonform ist. Dass jetzt der Bundesfinanzhof Zweifel an der Berechnungsgrundlage der neuen Grundsteuer äußert, könnte immerhin Signalwirkung haben. Der Bund der Steuerzahler etwa strengt Klagen am Bundesverfassungsgericht an. Noch sind diese dort nicht anhängig, eine Entscheidung dürfte also noch dauern. Viel Zeit ist nicht mehr: Die neue Grundsteuer greift ab dem 1. Januar 2025.

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