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Die Inflation hat die Spielregeln an den Kapitalmärkten geändert

Die Inflation hat nachhaltige Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. Die neue Kapitalmarktlandschaft könnte sich eher an den 30 Jahren vor der Jahrtausendwende als an den 20 Jahren danach orientieren. Eine Kolumne.

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Die ersten 20 Jahre des neuen Jahrtausends bleiben aus Kapitalmarktsicht aus verschiedenen Gründen in Erinnerung. Zum einen wegen drei besonders dominanten Krisen: Dot.Com-Bubble, Subprime/Lehman-Krise, Corona-Krise, die eine nach der anderen den Anspruch erhoben, die größte Krise seit der großen Depression zu sein und damit verbunden ein beispielloses Gegensteuern der Geld- und Fiskalpolitik – als gäbe es kein Morgen.

Null- oder Negativzinsen sorgten für weit überdurchschnittliche Renditen bei Anleihe- und Aktienbesitzern, trotz der zwischenzeitlichen Krisen. Doch das war mit dem Jahr 2022 vorbei und in gewisser Weise hat die Rückkehr der Inflation auch einen „Kulminationspunkt“ an den Kapitalmärkten eingeleitet. Dieser wird uns nach meiner Ansicht mehr von dem bringen, was wir in der weiter zurückliegenden Vergangenheit, also in der Zeit vor der Jahrtausendwende hatten – für die Marktteilnehmer heißt es also nicht „Zurück in die Zukunft“ sondern „Vorwärts in die Vergangenheit“.

Gehen wir es der Reihe nach durch: Die Inflation ist wieder da. Zu sagen, dass es nur am Energieschock nach der russischen Invasion der Ukraine und der Sprengung der Nordstream-Pipelines lag, verkennt die Breite der angestoßenen Mechanismen. Schon Anfang 2022, also noch vor Ausbruch des Krieges wurde klar, dass die Inflation höher als die Consensus-Forecasts von Ende 2021, als sie unter drei Prozent lagen, sein würden. Da spielten Lieferkettenprobleme eine Rolle, da zeigten sich erste Tendenzen bei den Nahrungsmittelpreisen (die später durch den Krieg tatsächlich eskalierten), da spielte aber auch schon die Entwicklung der Arbeitsmärkte post-Covid eine Rolle, wo Knappheiten auf stärkere künftige Lohnzuwächse hindeuteten.

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Und schon einmal gab es Inflation nach einer geldpolitisch finanzierten fiskalischen Ausgabenorgie, die von einer laxen Geldpolitik alimentiert wurde: in den 70er-Jahren. Und die – aus meiner Sicht richtigen - Schlussfolgerungen der Monetaristen um Milton Friedman, die man in den letzten 20 Jahren bewusst ignoriert hat, kommen ja jetzt vielleicht zurück. Gelddrucken begünstigt nun mal Inflation. Die Herausforderung ist, dass die Transmissionsdauer manchmal sehr, sehr lang sein kann. Und nur, weil man den Namen ändert, wie z.B. das Wort „Quant-Easing“ für Helikopter-Geld erfindet, ändert es nichts daran, dass eine zu expansive Geldpolitik letzten Endes Inflation nährt.

Wer erfolgreich Geld anlegen will, muss die Inflation schlagen. Eine Faustformel bietet Anleiheanlegern eine wichtige Orientierungshilfe auf der Jagd nach realer Rendite.
von Jan-Lukas Schmitt

Eine expansive Geldpolitik wie in den letzten 20 Jahren sehe ich in weiter Ferne. Notenbanken wissen nun, dass auch in der westlichen Welt Inflation nicht tot, sondern wieder da ist. Zu frühe oder zu schnelle Zinssenkungen riskieren eine Entwicklung wie in den 70er Jahren, als die Inflation außer Kontrolle geriet. Natürlich bedeutet dies nicht, dass es kein Auf und Ab der Notenbankzinsen mehr geben wird. Ohne Zweifel erwarte ich, dass Notenbanken auch wieder Zinsen senken werden, weil die Inflation zurückgeht, wahrscheinlich schon in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres. Aber ich erwarte keine Rückkehr zur extremen Niedrigzinsphase und teilweise negativen Notenbankzinsen, wie wir sie nach der Subprime-Krise für nahezu ein Jahrzehnt erlebt haben, denn die Notenbanken werden sich nicht mehr beliebig nur am Wachstumsbild orientieren können, sondern verstärkt mit symmetrischen Schwankungen der Inflation rechnen müssen.

Erleben wir aber nicht mehr die extreme Niedrigzinsphase, wird es auch für eine expansive Fiskalpolitik schwieriger, oder besser: normaler. Verschuldung, mit der man sinnvolle Impulse aber auch Wahlkampfgeschenke und ineffiziente Subventionen leisten konnte, gehen nicht mehr so einfach. Anstelle einer Nullprozentfinanzierung, die nur den Schuldenstand erhöhte, den laufenden Haushalt aber nicht belastete, zieht der jetzt explodierte Schuldenstand eine mit jeder Refinanzierung erhöhende Belastung des laufenden Haushaltes nach sich. Das erinnert alles sehr stark an den Beginn der 80er-Jahre, als nach dem Scheitern der expansiven Geld- und Fiskalpolitik der 70er-Jahre wieder die Schlagwörter „Sparen“, „Einbeziehen privater Partner“ oder „Effizienz der Verwaltung“ eine stärkere Rolle spielten und Märkte sich wieder stärker selbst überlassen wurden.

Schneller schlau: Inflation

Ein anderer Punkt: Die Reaktion auf die Lehman-Krise zeigte in den Jahren 2009 bis 2011 den Höhepunkt der internationalen politischen Koordinierung. China und Russland Mitglied der Welthandelsorganisation WTO, Bankenrettung und expansive Konjunkturpolitik waren Konsens, die Interaktion von Regierungen und Notenbanken auf dem Höhepunkt – davon profitierten auch die Kapitalmärkte. Diese Einigkeit zeigte schon in der Corona-Pandemie deutliche Risse. Die russische Invasion der Ukraine riss zwischen den Ökonomien zusätzliche Gräben auf, noch mehr aber die sich intensivierende ökonomische Frontstellung zwischen den USA und China. Das große Risiko heißt jetzt Fragmentierung, das Ganze erinnert – mit anderen Teilnehmern, Dimensionen und Zusammensetzungen - an die Ost-West-Auseinandersetzung der Nachkriegszeit, die erst durch den Zusammenbruch des Warschauer Paktes ihr Ende fand.

In die Kategorie der zunehmenden Fragmentierung dürfte sich auch die entwickelnde Positionierung der BRICS Staaten hineinentwickeln, die jetzt neben den Gründungsmitgliedern durch die Erweiterung um sechs Mitglieder auf dem Weg sind, ein alternativer Pol zu den G7 zu werden. Die geringere internationale Koordinierung dürfte unterschiedliche Sichtweisen und subsequente Positionierung zum Thema ESG global verschärfen. So zeigen die weltweit führenden Energieproduzenten fossiler Brennstoffe im Bereich Environmental ein anderes Verständnis als der Westen, Social and Governance werden in vielen BRICS+-Staaten anders gesehen als in den G7. Dass eine Fragmentierung nicht wachstumsfördernd ist, habe ich hier vor vier Wochen ausgeführt.

Nun mag man einwenden, beim Blick in die Zukunft mache die Dynamik, die Chancen der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI, gebräuchlicher in der öffentlichen Diskussion schon das amerikanische AI = artificial intelligence) den großen Unterschied zu der Zeit vor der Jahrtausendwende. Eher nicht, denke ich. Ohne Frage zeichnet sich hier ein technologischer Trend ab, der zum einen erhebliches Wachstumspotential mit sich bringt, zum anderen bestimmt erfolgreiche Kapitalmarktgeschichten schreiben wird. Aber ist das anders, als es in der Zeit vor der Jahrtausendwende war? Nein. Ende der 70er brachte Apple den ersten Personal Computer heraus, mit der MS-DOS Oberfläche von Microsoft und den 8086 Intel Prozessoren in den IBM PC’s entwickelte sich in den 80er-Jahren dramatisch ein technologischer Wandel in das heimische Arbeits-/Wohnzimmer und die 90er waren die Zeit des World Wide Webs.

Damit hält auch trotz der Dynamik bei AI meines Erachtens der Vergleich zu der Zeit vor der Jahrtausendwende, und ich erwarte, dass wir verstärkt in die Mechanismen dieser Welt vor der Jahrtausendwende zurückgehen werden, was die Kapitalmärkte betrifft. Notenbankzinssenkungen werden sich eher am Erfolg der Inflationsbekämpfung orientieren, weniger stark von der Unterstützung des wirtschaftlichen Wachstums getrieben sein. Wenn dem aber so ist, dürften sich auch die Korrelationen zwischen den Assetklassen ähnlicher entwickeln wie vor der Jahrtausendwende, nämlich, dass steigende Zinsen als Maßstab für steigende Inflation bzw. Inflationsgefahren negativ für die Aktienmarktentwicklung im generellen sind.

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Vorbei die Zeiten, wo steigende Zinsen in erster Linie ein Proxy für bessere Wachstumserwartungen waren und dauerhaft mit positiven Aktienkursentwicklungen einher gingen. Damit werden „natürliche“ Diversifikationseffekte auf der obersten Allokationsebene der Kapitalanlage geringer, die Performance gerade von gemischten Portefeuilles dürfte höheren Schwankungen unterliegen. Der Druck und die Notwendigkeit, Diversifikation auf regionaler, sektoraler Ebene und der Differenzierung der Einzelwerte aktiv zu suchen, wird stärker werden. Ist das schlecht? Nein, aber der Anleger sollte sich bewusst machen, dass Risiken und Chancen anders werden und aller Wahrscheinlichkeit nach selektiver austariert werden müssen.

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