Kapitalstock in der gesetzlichen Rente 11,1 Prozent Rendite: Gute Aussichten für das Generationenkapital?

Anja Mikus Quelle: imago images

Der Atomfonds Kenfo hat die beste Rendite seit Gründung erzielt. Nun wartet Chefin Anja Mikus auf den Start des Generationenkapitals. Doch ob die ersten zwölf Milliarden Euro noch in diesem Jahr kommen, ist ungewiss.

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Die Botschaften, die Anja Mikus platzieren will, lassen sich zwischen den Zeilen deutlich vernehmen: Der Kapitalmarkt ist nicht böse. Schwankungen an diesem muss man aushalten. Dafür braucht es Langfristigkeit – sowie die Eigenschaften Disziplin, Professionalität und Kompetenz.

Mikus leitet den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, kurz Kenfo, und legt an diesem Tag ihren Geschäftsbericht für 2023 vor. Mit den Erträgen des Fonds wird der Rückbau der Atommeiler finanziert. Der Kenfo ist die größte öffentlich-rechtliche Stiftung Deutschlands. Bislang. Denn künftig sollen Mikus und ihr Team zumindest vorübergehend auch das Generationenkapital verwalten: einen Staatsfonds für die Altersversorgung, einen Kapitalstock, der an den Finanzmärkten angelegt wird.

Dafür will die Bundesregierung in diesem Jahr zwölf Milliarden Euro Schulden aufnehmen und bis 2036 etwa 200 Milliarden Euro ansammeln. Aus den erhofften Renditen sollen von Mitte der 2030er-Jahre an jährlich zehn Milliarden Euro an die Rentenversicherung fließen – und so den Anstieg des Beitragssatzes dämpfen. Mikus‘ Ausführungen sind daher auch als Versuch zu werten, Zweifler doch noch für das Konzept zu gewinnen – sowie von sich selbst samt Team als Verwalterin zu überzeugen.

Höchste Jahresrendite seit Gründung 

Die Zahlen geben der Fondschefin recht: Mit einer Rendite von 11,1 Prozent hat der Kenfo im vergangenen Jahr die für das Stiftungsziel notwendige Rendite um fast sieben Prozentpunkte übertroffen – und seine bisher höchste Jahresrendite seit Gründung 2017 erzielt.

Anja Mikus leitet den Atomfonds – und wird bald die Milliarden der staatlichen Aktienrente anlegen. Mit Ruhe. Und Selbstbewusstsein.
von Sophie Crocoll

Sein Stiftungsergebnis hat der Fonds damit im Vergleich zu 2022 um mehr als 20 Prozent auf etwa 360 Millionen Euro gesteigert. Die seit 2017 angefallenen Entsorgungskosten, insgesamt etwa 3,7 Milliarden Euro, beglich man dabei „vollständig aus den Wertsteigerungen des Portfolios“. Der Kenfo, das macht Mikus klar, versteht sich als Finanzinvestor mit Fokus auf Renditeerzielung.

Den größten Renditebeitrag leisteten 2023 Aktien und börsennotierte, in der Immobilienbranche tätige Aktiengesellschaften (sogenannte Real Estate Investment Trusts – REITs) mit einer Kapitalrendite von 16,3 Prozent, gefolgt von Schwellenländer- und Unternehmensanleihen mit 10,8 beziehungsweise 8,9 Prozent Kapitalrendite. Die Zahlen zeigten, „dass die risikotragenden Assetklassen zu den größten Renditeträgern im vergangenen Jahr zählten“, sagt Mikus.

Subtext: Das Generationenkapital vornehmlich in Aktien anzulegen, birgt Chancen – und ist keine Zockerei.

Unwägbarkeiten ja, Zockerei nein

Ja, die Kapitalmärkte seien und blieben volatil, betont Mikus. Mit Krisen wie Corona, Lieferengpässen und Ukrainekrieg mit Energiepreisschock sowie zweistelligen Inflationsraten musste auch der Kenfo umgehen. 2022 brach der Fonds – nach Jahren der Rendite zwischen 8,3 und 10,4 Prozent – um 12,2 Prozent ein.

Auch 2024 gebe es Unwägbarkeiten: Zinssenkungshoffnungen, hohe Bewertungen von Technologieaktien, die Energiepreisentwicklung und geopolitische Spannungen, führt die Fondschefin aus. Aber eine langfristige Orientierung, breite Diversifikation „und die gute Qualität unserer Anlagen gewährleisten auch in schwierigen Marktphasen, die Performancepotenziale des Fonds zu erhalten“. Gleiches sollen die Zuhörer augenscheinlich auch beim Generationenkapital erwarten.

Vermutlich werden Mikus und ihre Leute allerdings nicht vor 2025 mit Geld aus dem Kapitalstock des Generationenkapitals an die Märkte gehen können. Im April hatte Mikus noch gehofft, dass das entsprechende Gesetz Anfang Juli im Bundestag verabschiedet würde. Doch die Reform verzögert sich. Erst muss sich die Bundesregierung auf den Haushalt einigen. Die Fraktionen hätten die Anhörung für September beschlossen, sagte gerade Natalie Brall, Leiterin der Unterabteilung Rentenversicherung und zusätzliche Altersversorgung im Bundesarbeitsministerium (BMAS).

Das Generationenkapital ist Teil des Rentenpakets II. Mit der Reform soll das Rentenniveau bis 2039 bei 48 Prozent festgeschrieben werden. Dadurch steigen die Renten 2027 und ab 2029 stärker, als sie es eigentlich tun würden – gut für Rentnerinnen und Rentner.

Belastungen für Beitragszahler steigen

Allerdings steigen auch die Beitragssätze stärker als ohne die Reform: von heute 18,6 Prozent – aufgeteilt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin – bis 2030 auf 20,4 Prozent und bis 2040 sogar auf 22,5 Prozent. Damit rechnet die Rentenversicherung. Die steigenden Belastungen für Beitragszahler und Steuerzahlerinnen will die Ampel wiederum mit dem Generationenkapital mildern.

Dass dieses nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit der gesamten Regierung ist, hat sich am Tag vor Mikus‘ Jahresbilanz wieder gezeigt. Das Generationenkapital sei „nice to have“, legt Brall die Prioritäten des Arbeitsministeriums offen, aber davon hänge nicht die Haltelinie ab – also der ihrem Ressort und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wichtige Teil des Pakets.

Brall nimmt an der Frauen-Alterssicherungskonferenz der Gewerkschaft Verdi sowie des Sozialverbands Deutschland teil – und für ihr Ministerium in Anspruch, dass man Unerwünschtes aus den Plänen herausverhandelt habe: die Hauptgefahr, „dass Beiträge der Versicherten oder die Nachhaltigkeitsrücklage da rein gehen“. So stand es einmal im Wahlprogramm des Koalitionspartners FDP: Jede und jeder Versicherte solle zum Beispiel zwei Prozent des eigenen Bruttoeinkommens in eine gesetzliche Aktienrente einzahlen.

Nun also stattdessen der Kapitalstock aus Darlehen – für Brall eine „andere Größenordnung, als wenn es echtes Geld wäre“. Eine interessante Wahrnehmung von Staatsschulden.

Spätestens im November die erforderlichen Schritte

Konkret würde das jedenfalls so funktionieren, erläutert Anja Mikus einen Tag später: Der Kenfo würde bei der Finanzagentur, dem Finanzdienstleister des Bundes, einen Kredit aufnehmen und das Geld dann gestreckt über mehrere Monate „sehr sorgfältig verteilen und breit investieren“. Damit der Investitionsplan dafür noch in diesem Jahr stehe, müssten spätestens im November der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen sein und die erforderlichen Schritte eingeleitet werden: die Stiftung errichtet, das Kuratorium gebildet, der Vorstand ermächtigt werden. „Geht die Gesetzgebung bis in die zweite Dezemberhälfte hinein, erscheint es unrealistisch, dass das Geld bis Jahresende auf das Konto der Stiftung eingezahlt ist“, sagt Mikus.

Auch Unterabteilungsleiterin Brall hat am Vortag darauf hingewiesen, werde die Stiftung in diesem Jahr nicht mehr aufgebaut, könne kein Geld fließen – und die eingeplanten zwölf Milliarden Euro verfielen. Mikus hätte auch dafür eine Lösung: „Dann könnte man für 2025 ja 24 Milliarden Euro vorsehen“, sagt sie. „Und hätte kein Jahr verloren.“ Besser wäre es aber allemal, wenn die erste Tranche vor dem Jahreswechsel eingehe, sagt sie. „Dann kann im neuen Jahr zeitnah mit Investitionen begonnen werden.“

Ein weiterer Punkt, der noch offen ist: Sollen Nachhaltigkeitskriterien ins Gesetz – der Stiftung also mehr oder weniger detailliert vorgeschrieben werden, wie sie investieren darf? Bei Verdi wünscht man sich das – ist aber ohnehin gegen eine Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente. Mikus‘ verfolgt beim Kenfo einen anderen Ansatz: Sie will dessen Anlagen bis spätestens 2050 klimaneutral stellen, eine eigene Entscheidung, betont sie, keine der Politik.

Die Forderung, ein Portfolio zu dekarbonisieren, indem man C02-intensive Aktienwerte verkauft oder gleich ausschließt, führt ihrer Meinung nach allerdings nicht dazu, Kohlendioxid einzusparen. „Die Hoffnung, dass nachhaltige Investoren durch den Verkauf von Aktien die Klimatransformation von fossilen Energieunternehmen beeinflussen können, wird sich nicht erfüllen“, sagt Mikus – es stünden ausreichend Kaufinteressenten bereit. CO2-Emissionen könne man nur senken, wenn man die emittierenden Unternehmen auch besitze: „durch beharrliche Einflussnahme auf die Geschäftsmodelle“.

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Mit ihrer renditeorientierten Nachhaltigkeitsstrategie sieht Mikus sich auf gutem Weg. Statt wie geplant bis Ende 2024 den CO2-Ausstoß der Unternehmen im Portfolio um 20 Prozent zu reduzieren, sei man schon fast doppelt so weit. „Isoliert Nachhaltigkeit vorzugeben, ohne die Anlagestrategie zu kennen, halte ich für schwierig“, sagt sie mit Blick auf das Generationenkapital. Es würde dessen Management stark erschweren, sollten dafür andere Nachhaltigkeitsvorgaben gelten als für den Kenfo.

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