„Wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sei doch bitte einfach ruhig“, zischte meine Tochter neulich in Richtung ihres älteren Bruders. In Wahrheit nutzte sie im zweiten Satzteil eine deutlich explizitere Sprache. Aber egal. Auf unser Arbeitsleben übersetzt, ergeben sich aus dieser Prämisse wertvolle Ansätze, wo doch gern betont wird, dass jedes Feedback wertvoll sei. Viel zu spät oder nie messen wir, welche Verheerungen dies anrichtet, wenn Sender und Empfänger nicht ausbalanciert funken.
Menschen, die uns ungefiltert spiegeln dürfen, ohne dass wir Bauchweh bekommen, kann jeder an einer Hand abzählen. Kritisches Feedback ist genau betrachtet erst mal eine Frechheit. Und jeder, der selbstbewusst proklamiert „Ich freue mich über Kritik“, hat definitiv zu wenig Quellen echter Freude im Leben. Bestenfalls haben wir zielführende Mechanismen für uns selbst entwickelt, damit gut umzugehen.
Rückmeldungen zur eigenen Person, Projekten oder Arbeitsweisen sind mit Blick auf ihre individuelle Wertigkeit stark davon abhängig, ob wir selbst darum gebeten haben – oder ob wir qua Funktion in eine Bewertungsmatrix aufgenommen werden. Unsere eigene Tagesform und aktuelle Lebenssituation sind Faktoren, die über die Fruchtbarkeit des Feedbacks entscheiden. Ebenso wie die Frage, ob wir überhaupt die notwendigen Werkzeuge für Verbesserungen an der Hand haben oder ob wir damit nackt in den Erbsen rumstehen. Oder auch: Wer uns kommentiert, mit welchem Ziel und Wissen derjenige das tut, aus welcher Position heraus. Auch kulturelle Unterschiede können die Funkfrequenz empfindlich stören.
Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitgeber
Fordern Sie den Angestellten nicht spontan zum Gespräch, sondern kündigen Sie den Termin am besten mehrere Wochen vorher per E-Mail an. Um die Vorbereitung zu erleichtern, können Sie im Voraus einen Gesprächsleitfaden verschicken.
Faustregel: Nehmen Sie sich mindestens eine Stunde Zeit, eher mehr. Dann haben Sie genug Zeit für ungeplante Aspekte. Sorgen Sie außerdem für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Das Telefon schalten Sie aus, die Bürotür schließen Sie.
Was hat der Mitarbeiter im vergangenen Jahr erreicht? Wo hätte er noch besser abschneiden können? Solche Fragen sollten Sie sich vorab beantworten und notieren. So haben Sie für das Gespräch eine Struktur.
Setzen Sie sich nicht gegenüber, denn dann neigt man eher zur Konfrontation. Besser und entspannter: Am Tisch im 90-Grad-Winkel zu einander.
Zunächst geht es um eine Bilanz. Wie gut hat der Mitarbeiter seine Ziele der vergangenen zwölf Monate erfüllt? Vergessen Sie nicht, ihn dafür zu loben. Äußern Sie aber auch deutlich, womit Sie nicht zufrieden waren – ohne den Mitarbeiter bloßzustellen. Bleiben Sie deshalb unbedingt sachlich.
Sie müssen dem Mitarbeiter einerseits verdeutlichen, wohin sich das Unternehmen im kommenden Jahr entwickeln soll – und andererseits, was er selbst dazu beitragen kann. Wie lassen sich seine Stärken ausbauen, und zwar so, dass der Betrieb davon profitiert?
Was soll der Mitarbeiter leisten – und vor allem: bis wann? Konkrete, individuelle, messbare Ziele geben Orientierung und können die Motivation steigern.
Sie sollen keinen Monolog halten, der Mitarbeiter soll sich auch selbst äußern. Bitten Sie ihn deshalb um ein Urteil. Wie empfindet er die Zusammenarbeit mit Ihnen und seinen Kollegen?
Halten Sie den Inhalt des Gesprächs hinterher schriftlich fest. Das hilft sowohl Ihnen persönlich als auch dem Mitarbeiter. Fragen Sie dafür in der Personalabteilung nach einheitlichen Formularen.
Warten Sie nicht bis zum nächsten Gespräch ab. Je regelmäßiger Sie sich nach den Fortschritten erkundigen, desto eher erreicht der Mitarbeiter die Ziele. Und er realisiert: Das Jahresgespräch war keine Alibiveranstaltung.
So entspricht der positive Ansatz meiner Tochter dem in einigen asiatischen Ländern, wo nur das erwähnt wird, was gut ist. Die Kritik findet sich in dem, was nicht explizit gelobt wurde. Wer danach nicht sucht, wundert sich über unzufriedene Gesichter im nächsten Meeting.
Wenn deutsche Teams auf US-amerikanisches Feedback treffen, sind beide Seiten irritiert: Wer „good work“ zu wörtlich nimmt, weiß nicht, dass die amerikanische Skala noch mindestens fünf Superlative kennt – und geäußerte Bedenken sind durchaus konkrete Probleme, die angegangen werden sollten. Das Ganze scheint mir also so komplex, dass wir Feedback zum Feedback brauchen, um unsere Feedbackkultur wertvoll zu feedbacken.
Ich freue mich über Ihr Feedback zu dieser Kolumne. Vielleicht.
Lesen Sie auch: Wie Sie als Chef mit Kritik umgehen sollten