„Der Aufenthalt in der Natur kommt der psychischen Gesundheit zugute“, sagt die Umweltpsychologin Whitney Fleming von der Universität in Bangor, Wales. „Unsere Studie aber zeigt, dass man nicht wirklich in der Natur sein muss, um diesen Effekt zu ernten. Allein der Blick auf die Natur, und sei es mitten in der Stadt, kann das Wohlbefinden steigern.“
Ihren Forschungen zufolge würde ein einziger Baum vor dem Fenster schon reichen, Hauptsache, die Augen ruhen immer mal wieder auf flirrendem Blattgrün.
Die Untersuchung wurde in der Fachzeitschrift „People and Nature“ veröffentlicht. Dabei wurden die Augenbewegungen von insgesamt 117 erwachsenen Versuchsteilnehmern verfolgt: Eine Gruppe sollte sich auf natürliche Dinge wie Bäume konzentrieren („grüne Gruppe“), eine weitere auf künstliche Elemente wie Gebäude („graue Gruppe“), eine dritte schließlich auf eine Mischung von beidem („gemischte Gruppe“).
Alle Probanden unternahmen dazu einen geführten Spaziergang durch die Stadt und machten an zehn ausgewiesenen Punkten halt: je nach Gruppe an Orten voller betongrauer Fassaden oder in Parks und Gärten voller Grün. Mit einer Eye-Tracking-Brille kontrollierten die Forscher, wohin die Probanden schauten; vor und nach dem Spaziergang gaben sie Auskunft über ihre Stimmung, ob sie Angst empfänden oder sich erholt fühlten.
„Das Leben in der Stadt mit seinem schnellen Tempo und seinem hohen Stressniveau wurde mit zahlreichen psychischen Problemen in Verbindung gebracht, darunter Angstzustände und Depressionen“, erklärt Fleming in einem Beitrag im Wissenschaftsnewsletter „The Conversation“.
Erfrischt und verjüngt
Die Ergebnisse der jetzigen Untersuchung waren indes verblüffend. So fiel die Stimmung bei jenen Versuchsteilnehmern, die sich bei ihrem Spaziergang auf das umgebende Grün konzentriert hatten, deutlich besser aus als in der „grauen Gruppe“. Zudem empfanden sie weniger innere Unruhe oder Angst als zu Beginn, fühlten sich vielmehr erfrischt und verjüngt. Die gemischte Gruppe lag mit ihrer Stimmungslage genau dazwischen.
Fleming hofft, dass ihre Daten den Stadtplanern zu denken geben. „Wenn sich die Städte Mühe geben, mehr natürliche Räume zu schaffen, also die visuelle Auseinandersetzung mit der Natur fördern, dann dürfte dies die psychische Belastung durch das Leben in der Stadt messbar verringern.“
Die Umweltpsychologin plädiert dafür, dass Grünflächen, von Bäumen gesäumte Alleen, Parks und Teiche ebenso wichtig werden wie neuer Wohnraum und Gewerbeflächen. Und sie lädt auch ihre therapeutisch arbeitenden Kollegen ein, das natürliche Grün in ihre Ansätze einzubinden: „Vielleicht möchten sie ja geführte Aufmerksamkeitsübungen in die Therapie integrieren und die Patienten ermutigen, sich bei Spaziergängen oder anderen Outdoor-Aktivitäten speziell auf die Natur zu konzentrieren. Es wäre eine einfache, kostengünstige Strategie, um traditionelle Behandlungen für Angstzustände und Depressionen zu verbessern.“
Auch für ganz gewöhnliche Stadtbewohner hat Fleming einen Rat: „Verbringen Sie mehr Zeit damit, Bäume und Blumen anzusehen, das kann einen großen Unterschied im Leben machen.“ Ob beim täglichen Pendeln, beim Spaziergang im Park oder bei einer Wochenendwanderung – Gelegenheiten gebe es genug.