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Webwelt & Technik Neue Entwicklung

Diese Technik macht Mobil-Internet schnell und billig

Damals zur WM: Mario Götze hat gerade einen Treffer gegen Ghana gemacht. Millionen verfolgten das auf ihren Handys. Da kamen die netzte nicht mehr mit. Mit Technik aus Braunschweig wäre das nicht passiert Damals zur WM: Mario Götze hat gerade einen Treffer gegen Ghana gemacht. Millionen verfolgten das auf ihren Handys. Da kamen die netzte nicht mehr mit. Mit Technik aus Braunschweig wäre das nicht passiert
Damals zur WM: Mario Götze hat gerade einen Treffer gegen Ghana gemacht. Millionen verfolgten das auf ihren Handys. Da kamen die netzte nicht mehr mit. Mit Technik aus Braunschweig... wäre das nicht passiert
Quelle: picture alliance / dpa
In Handynetzen droht der Kollaps, weil die Kunden zunehmend Videos abspielen. Eine neue Technik, entwickelt an der TU Braunschweig, könnte da helfen. Billiger für Kunden und Netzbetreiber wäre sie auch.

Worum geht es

In den späten Abendstunden des 15. Juli fängt Antonio Rüdiger den Angriff der gegnerischen Mannschaft ab und schlägt den Ball nach vorn. Im Flutlicht des Moskauer Olympiastadions landet er bei Mario Götze, der im Strafraum den Ball annimmt, sich dreht und...! Mehr ist auf dem Tablet-Bildschirm leider nicht zu sehen, er zeigt nur noch ein Standbild und wird dann schwarz. Das überlastete Mobilfunknetz ist zusammengebrochen.

Die entscheidende Szene kurz vor Schluss der Verlängerung im Endspiel um die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 kann der Nutzer nicht live erleben. Das kann in drei Jahren passieren. Wenn das Bild nicht noch deutlich früher zusammenbricht. Denn es wird künftig eng in den Mobilfunknetzen – weil Nutzer zunehmend Bewegtbilder über die Displays ihrer Smartphones und Tablets laufen lassen.

Schon in vier Jahren, prognostiziert der Netzwerkausrüster Cisco, werden Videos 72 Prozent des mobilen Datenvolumens ausmachen. Das kann die heutige Infrastruktur nicht bewältigen.

„Die Mobilfunkunternehmen werden vor allem ihre Netze ausbauen müssen, damit sich die Nutzer Videos ansehen können. Das wird mittelfristig natürlich Konsequenzen für die Tarifgestaltung haben“, sagt Ulrich Reimers, Professor an der TU Braunschweig. Mobilfunk könnte also gleichzeitig schlechtere Qualität liefern und teurer werden.

Datenzuwächse werden in kürzester Zeit aufgebraucht

Damit wollte sich Reimers aber nicht abfinden. Zusammen mit seinen Kollegen entwickelte er eine neue Technik, die sowohl den Mobilfunkunternehmen als auch den Nutzern Kosten spart – und die Netze entlastet. Derzeit wird sie intensiv getestet.

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Die Mobilfunkkonzerne verabschieden seit vielen Jahren immer wieder neue, verbesserte Standards für die Übertragung von Daten und stecken Dutzende Milliarden in den Ausbau der Netze. Erst kürzlich haben sie für mehr als fünf Milliarden Euro Frequenzen gekauft. Die mussten Fernsehsender auf Anweisung des Bundes freimachen. Bislang lief darüber ein Teil des digitalen Antennenfernsehens DVB-T.

Jede neue technische Neuerung und Frequenzerweiterung bringt mehr Tempo für die Datenübertragung und mehr Platz in den Netzen. Die Mobilfunkkunden aber brauchen die Zuwächse innerhalb kürzester Zeit immer wieder auf – vor allem dadurch, dass sie vermehrt Videos abrufen. Auf den großen Displays der neuen Smartphones und den Tablets lassen die sich besonders gut darstellen.

Helfen soll die von Reimers entwickelte Technik des „Tower Overlays“: Von hohen Türmen aus wird über die bisherigen Mobilfunknetze ein neues Netz gelegt. Die Türme existieren bereits, über sie strahlen Fernsehsender das digitale Antennenfernsehen aus. Künftig wird es der neue Standard DVB-T2 sein, den Reimers und Kollegen ebenfalls entwickelt haben.

Und dieser Standard weist eine Besonderheit auf: In dem Signal klafft eine Lücke. Die haben die Forscher der TU Braunschweig dort absichtlich hinterlassen. Darin passt unter anderem ein Mobilfunksignal, LTE-A+ genannt.

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LTE ist der schnelle Mobilfunk, der derzeit in Deutschland aufgebaut wird. LTE-A gibt es bereits als Standard, er wird den Mobilfunk noch weiter optimieren. Das A steht entsprechend für Advanced, auf Deutsch: erweitert oder fortgeschritten. Reimers hat den Kürzeln noch das „+“ hinzugefügt – und darüber sollen die TV-Sender künftig ihr Videomaterial direkt auf die Smartphones und Tablets der Mobilfunkkunden übertragen.

Kunde merkt gar nicht, woher das Signal kommt

Für das Verfahren ist die TU Braunschweig kürzlich als „Ort im Land der Ideen“ ausgezeichnet worden, jetzt will Ulrich Reimers die Technik weiter voranbringen. In Paris hat es bereits einen Feldversuch mit der Abstrahlung von LTE-A+ vom Eiffelturm gegeben. Derzeit läuft ein Test in Italien. Nach einigen weiteren Versuchen will Reimers die Standardisierung angehen – und hofft auf die Zustimmung aller Beteiligten, vor allem der Mobilfunkunternehmen und der Fernsehsender.

„Derzeit müssen die Netzbetreiber das Video jedem Kunden, der es abruft, separat zur Verfügung stellen. Mit unserer Technik aber können wir den Mobilfunk drastisch entlasten. Wir verbinden damit die Stärken des großflächigen Broadcast-Netzes, das Live-Inhalte effektiv zu den Zuschauern bringt, mit den Stärken des kleinzelligen Mobilfunknetzes, das Nutzern individuell Inhalte liefert“, sagt Ulrich Reimers.

Übertragen werden sollen allerdings nur Bewegtbilder, die Nutzer gleichzeitig in großer Menge nachfragen – und die einen Großteil des Datenverkehrs im Mobilfunk ausmachen. Doch nach welchen Kriterien wird ausgewählt?

„Zum einen wissen wir aus dem bisherigen Nutzerverhalten recht gut, welche Videos regelmäßig abgerufen werden, am Samstagnachmittag sind es zum Beispiel die Spiele der Fußball-Bundesliga. Wir können aber auch messen, wie viel Datenverkehr für einen bestimmten Inhalt abgefragt wird. Ist eine vorher festgelegte Schwelle überschritten, schaltet die Technik automatisch und sofort auf Tower Overlay um“, sagt Reimers.

Automatisch heißt, dass der Nutzer nicht eingreifen muss, er braucht nicht aktiv umzuschalten oder vorab eine spezielle App zu installieren. „Sollte sich LTE-A+ als Standard durchsetzen, wird jedes zukünftige Smartphone die Signale empfangen können. Ein spezieller Empfänger wäre nicht notwendig“, sagt Ulrich Reimers.

Ende des Frickelfernsehens

Ein Plus werden die sinkenden Kosten sein. Im Mobilfunk gibt es ohnehin keine echten Flatrates mehr: Hat der Kunde seine eingestellten drei, acht oder 20 Gigabyte an Daten schon abgerufen, fällt die Übertragungsgeschwindigkeit auf ein sehr niedriges Niveau. „Steigt wie prognostiziert die Nutzung von Videos exponentiell an, ist das Volumen immer schneller aufgebraucht. Entsprechend werden die Mobilfunker die Tarife nach oben anpassen, oder der Kunde wird hochvolumigere Datentarife bezahlen müssen. Unser Verfahren wird die Kosten auf mittlere Sicht deutlich reduzieren“, so Ulrich Reimers.

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Anders als bislang bei der Übertragung per Mobilfunk dürfte auch ein Blackout sehr unwahrscheinlich sein: „Wenn sich viele in einer Mobilfunkzelle gleichzeitig Videos ansehen, sinkt die Bildqualität rapide. Das ist dann nur noch ‚Frickelfernsehen‘. Mit Tower Overlay sieht das anders aus. Das TV-Programm, das darüber ausgestrahlt wird, ist von hoher Bildqualität und tabletfähig – und die Übertragung ist genauso schnell wie die über DVB-T2“, sagt Reimers.

Die Technik soll also auch die großen Bildschirme mobiler Rechner ruckel- und rauschfrei füllen können – und nicht plötzlich zusammenbrechen, sondern Götzes entscheidendes Tor in der 113. Minute in voller Pracht zeigen.

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