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Wirtschaft Kunden-Schwund

Autos aus Zentren verbannt – „So aber verkommen die Innenstädte zu Museen“

Wirtschaftskorrespondent
Einzelhändler setzten große Hoffnungen in Sommerschlussverkauf Einzelhändler setzten große Hoffnungen in Sommerschlussverkauf
Quelle: picture alliance/dpa/Silas Stein
Zwar füllt die Fußball-EM derzeit viele Fußgängerzonen. Dennoch beklagen laut Handelsverband viele Geschäfte einen spürbaren Kunden-Rückgang. Die Attraktivität der Innenstädte schwindet. Das liege neben Sicherheit und Sauberkeit auch an der schlechten Erreichbarkeit.
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Fußballfans haben die Innenstädte in Deutschland belebt. „Die Europameisterschaft hat im Juni vor allem den Spielorten außerordentlich viel Zulauf beschert“, meldet der Dienstleister Hystreet, der mit bundesweit gut 300 Messepunkten in 110 Städten die Entwicklung der Passantenzahlen in den großen Einkaufsstraßen beobachtet.

Auf der Königsstraße in Stuttgart zum Beispiel gab es demnach im Juni fast 37 Prozent mehr Besucher, auf der Kaufingerstraße in München waren es gut 17 Prozent, in der Bahnhofstraße in Gelsenkirchen 13,3 Prozent und auf dem Westenhellweg in Dortmund fast zwölf Prozent.

Dieser Sondereffekt hat auch die Halbjahreszahlen beeinflusst. Ein Plus von 2,5 Prozent bilanziert Hystreet für die ersten sechs Monate. Damit hebt sich 2024 bislang überraschend vom Trend der vergangenen zwei Jahre ab, wie der Handelsverband Deutschland (HDE) mit Verweis auf seine aktuelle Konjunkturumfrage berichtet.

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Danach verzeichnen alleine zwei Drittel der rund 800 befragten Händler sinkende oder deutlich sinkende Frequenzen an ihren stationären Standorten. „Diese Umfrageergebnisse machen uns Sorgen“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Immerhin sei aber zu beobachten, dass diejenigen Menschen, die in die Innenstädte kommen, auch klare Kaufabsichten haben. „Sonst hätten wir noch eine ganze andere Umsatzentwicklung“, begründet Genth.

Von Januar bis April lagen die Erlöse im Einzelhandel nominal 2,3 Prozent über dem Vergleichswert des Vorjahres, nach Abzug von Preissteigerungen dagegen stagnieren die Zahlen. Trotzdem hält der HDE vorerst an seiner Jahresprognose fest, die ein nominales Wachstum von 3,5 Prozent und ein reales Plus von 1,5 Prozent vorhersagt.

Quelle: Infografik WELT

„Wir liegen aktuell zwar unter diesen Werten, glauben aber an eine Belebung im zweiten Halbjahr“, sagt Genth. Zumal Herbst und Winter ohnehin die konsumintensivere Zeit sei angesichts des Weihnachtsgeschäfts. Dass die Verbraucher bislang immer noch zurückhaltend sind, ist aus Sicht von Genth paradox. „Für 70 bis 80 Prozent der Arbeitnehmer gab es Reallohnsteigerungen“, begründet der Branchenvertreter. Trotzdem bleibe die Sparquote hoch.

„Und das ist immer eine Art Konsumverweigerungsquote.“ Offenbar sei das Bauchgefühl bei den Menschen weiterhin nicht gut. Als Grund vermutet Genth die anhaltenden globalen Krisen, aber auch die als schlecht wahrgenommenen Rahmenbedingungen in Deutschland, die auf die Stimmung drücken.

Das bestätigt auch die Wissenschaft. „Die Konsumenten haben aktuell immer noch das Gefühl von Unsicherheit und Angst“, sagt Kai Hudetz, der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IfH Köln) mit Verweis auf entsprechende Befragungen. Eine Rolle spielt zudem auch die schwindende Attraktivität der Innenstädte. „Handel, Gastronomie, Kunst und Kultur sind nicht mehr so ausgesteuert wie es für ein Innenstadt-Erlebnis sein muss“, hat HDE-Präsident Alexander von Preen kürzlich im WELT-Interview beklagt.

Dazu kämen vielerorts auch Faktoren wie Sicherheit und Sauberkeit sowie fehlende Erreichbarkeit. „Wenn man den Individualverkehr in einer Stadt begrenzen will, muss im Gegenzug der öffentliche Nahverkehr engmaschig sein und funktionieren. Leider sieht die Realität oft anders aus.“

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Und dann dürfe das Auto eben nicht verbannt und viele wichtige Straßen für den Verkehr gesperrt werden. „Die Menschen geben uns Händlern die Rückmeldung, dass es wieder einfach werden muss, in die Innenstädte zu gelangen“, berichtet von Preen, der im Hauptberuf Deutschland-Chef der Sporthandelskette Intersport ist. Leider verzettele sich die Politik zunehmend in ideologischen Diskussionen, statt pragmatisch zu handeln. „So aber verkommen die Innenstädte zu Museen.“

Zumal sich nun auch der Handel selbst mit dem Geldausgeben zurückhält – oder zurückhalten muss. Laut der HDE-Umfrage plant alleine ein Drittel der Befragten keinerlei Investitionen im Jahr 2024. Andere wiederum senken ihre Investitionssummen teils deutlich. „Fehlende Einnahmen und steigende Kosten lassen bei vielen keine Investitionen mehr zu“, beschreibt von Preen bei der Vorlage der Halbjahresbilanz seiner Branche.

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Dabei sei der Bedarf eigentlich hoch, allen voran in den Bereichen Digitalisierung, Werbung und Kommunikation, Personal- und Fachkräftegewinnung, aber auch bei der Weiterentwicklung von Sortimenten und Produkten. „Um eine wirkliche Revitalisierung der Innenstädte zu erreichen, braucht es mehr Investitionen in neue Geschäfte und die Modernisierung bestehender Ladenlokale“, weiß von Preen.

Er fordert daher Unterstützung aus der Politik, etwa in Form verbesserter Abschreibungsbedingungen für Investitionen in den Innenstädten. Damit könne ein wichtiger Impuls für die Zukunft der Stadtzentren gesetzt werden. Dazu gebe es auch schon gute Erfahrungen mit einem entsprechenden Programm von Anfang der 1990er-Jahre. „Dies würde nicht nur dem Erhalt der multifunktionalen Innenstädte dienen, sondern zugleich auch Arbeitsplätze sichern.“

Der HDE-Präsident spielt damit auf die anhaltenden Geschäftsschließungen in Deutschland an. Rund 46.000 Läden sind zwischen 2018 und 2023 verschwunden, bilanziert der Handelsverband.

Und in diesem Jahr sollen weitere 5000 folgen. „Wir dürfen uns nicht an diese Negativ-Entwicklung gewöhnen, denn in der Folge veröden ganze Stadtzentren“, sagt von Preen. Der Unternehmer fordert daher ein besseres Zusammenwirken von Handel, Politik, Stadtplanern, öffentlicher Hand, aber auch Immobilienbesitzern und -entwicklern.

„Die Politik muss hier dringend die Rahmenbedingungen verändern“

Denn hohe Mieten seien ein zunehmend großes Problem, Investoren und Eigentümer seien aber kaum verhandlungsbereit. „Was wir dringend brauchen, sind umsatzbezogene Mieten“, sagt von Preen. „Solange Immobilienbesitzer Leerstand aber steuerlich nutzen können, entsteht für sie wenig Druck. Die Politik muss hier dringend die Rahmenbedingungen verändern. Denn wenn es einmal Leerstand gibt, kriegt man ihn nur sehr schwer wieder weg.“

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Unterstützung kommt von den Handelsforschern des IfH. „Langfristig werden immer weniger Einzelhändler in der Lage sein, die hohen Mieten zu stemmen“, glaubt Instituts-Chef Hudetz. Die Vermieter müssten sich deshalb bewegen.

Ansonsten rechnen Experten mit weiter steigenden Insolvenzzahlen in der Branche. Im ersten Halbjahr hat es nach Angaben der Auskunftei Creditreform fast 2000 Pleiten im Handelssektor gegeben, das waren 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

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Inwieweit die Fußballfans nun für Abhilfe gesorgt haben, muss sich in den kommenden Wochen zeigen, wenn sämtliche Zahlen für den EM-Zeitraum erfasst sind. Die verbesserte Frequenz reicht dabei alleine nicht aus, schließlich könnten zum Beispiel auch Fanmärsche von den Laserscannern von Hystreet in den Einkaufsstraßen erfasst worden sein.

Geschäftsführer Julian Aengenvoort rechnet aber mit einem Effekt durch die Heim-Europameisterschaft. „Events sind generell ein Schlüssel für belebte Innenstädte“, sagt der Experte. Das gelte aber nicht nur für Großveranstaltungen wie die Fußball-EM, sondern auch für klassische Stadtfeste und City-Events.

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