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Wirtschaft Verpackungs-Revolution

Das Aus für die Knallfolie läutet das Ende des Karton-Zeitalters ein

Redakteur Wirtschaft & Innovation
Ein letztes Mal den Knall genießen Ein letztes Mal den Knall genießen
Ein letztes Mal den Knall genießen
Quelle: Getty Images/Elva Etienne
Amazon verbannt Plastikpolster aus seinen Paketen. Das dient dem Umweltschutz und verstärkt den Trend zur immer schlankeren Verpackung. Ziel aller großen Onlinehändler ist die Abschaffung des unökologischen Kartons. Doch die Alternative fristet noch ein Nischendasein.

Für manche Menschen sind sie der heimliche Höhepunkt einer Online-Bestellung: Luftbeutel und Luftpolsterfolien, die eigentlich die Waren schützen sollen, aber beim Entsorgen effektvoll zerplatzen. Doch die weiche Verpackung wird selten. In den USA kündigt Marktführer Amazon an, bis zum Jahresende keine Polster aus Kunststoff mehr einzusetzen.

„Stand heute wird das Amazons größte Anstrengung zur Plastikreduzierung sein und etwa 15 Milliarden Plastik-Kissen jährlich einsparen“, teilte Amazon mit. In Deutschland verzichte Amazon schon seit 2022 auf die Beutel und Luftpolster-Umschläge, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Stattdessen verwendet der Versender geknülltes Packpapier.

Grund für die Maßnahme ist der Umweltschutz. Alle größeren Versender haben ihre Verpackungen in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Immer öfter verschickt Amazon Waren sogar komplett ohne zusätzliche Verpackung: Der Adressaufkleber kommt einfach auf den ohnehin vorhandenen Verpackungskarton.

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Die Konkurrenz hält mit: Der deutsche Konkurrent Otto arbeitet derzeit zudem an einer biologisch abbaubaren Alternative zu herkömmlichen Plastikverpackungen. Daran, dass Modeversender wie Zalando und About You ihre Kleidung in dünnen Plastikbeuteln versenden, haben sich die Kunden längst gewöhnt, obwohl diese Verpackung für Pakete vor der Ära der Online-Mode fast unbekannt war. Das spart Kartonverpackung, Gewicht – und vor allem Volumen.

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Auch die jungen Lieferdienste für Lebensmittel reduzieren Verpackung: Edeka-Partner Picnic etwa liefert in Plastikkisten, die die Fahrer direkt wieder mitnehmen. Bei der Rewe-Beteiligung Flink sind herkömmliche Papiertüten im Einsatz.

In der Summe kommen spürbare Effekte zusammen: „Seit 2015 haben wir das durchschnittliche Verpackungsgewicht pro Sendung um mehr als 41 Prozent reduziert und über zwei Millionen Tonnen Verpackungsmaterial vermieden“, gibt beispielsweise Amazon an. Die Branche will durch solche Rechnungen Bedenken der Kunden zerstreuen, der Versandhandel sei unökologischer als der Kauf im Geschäft. Studien zeigen jedenfalls, dass dank des Verzichts auf Ladengeschäfte und pendelnden Kunden der E-Commerce in der Gesamtbetrachtung dem stationären Einkauf oft überlegen ist.

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Für diese Ökobilanz des Versandhandels im Vergleich zu Ladengeschäften ist die Verpackung wichtig. Laut einer Studie aus dem „Journal of Cleaner Production“, auf die sich unter anderem das Umweltbundesamt (UBA) beruft, macht die Versandverpackung immerhin rund ein Viertel der spezifischen Umweltbelastung des Online-Handels aus. Das ist immerhin rund die Hälfte derjenigen Umweltbelastung, die die Lieferung auf der „letzten Meile“ zum Besteller benötigt.

Die Bandbreite ist dabei groß. Das UBA nennt eine Spanne von 20 Gramm CO₂-Äquivalenten für eine kleine Faltschachtel bis zu einem Kilogramm für einen großen Karton. Zum Vergleich: Eine Tüte im Supermarkt kommt demnach auf bis zu 130 Gramm.

Nötig sind solche Vorstöße auch, weil die im Frühjahr verabschiedete EU-Verpackungsverordnung die Reduzierung von Verpackungsmüll um 15 Prozent bis 2040 vorsieht. Unter anderem gibt es nun Obergrenzen für Leerraum in den Versandkartons der Online-Händler.

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Eine ursprünglich geplante Pflicht für eine Mehrweg-Quote bei E-Commerce-Verpackungen ist allerdings nicht mehr vorgesehen. Stattdessen sollen die Verpackungen recycelbar sein – was sie schon bislang in der Regel sind. Außerdem sollen sie zumindest theoretisch zum Teil wiederverwendet werden können.

Mehrweg-Alternativen zur Einwegverpackung kommen daher weiter kaum in Gang. Zwar arbeiten Start-ups wie Heycircle aus München, das auch in der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ aufgetreten ist, an wiederverwertbaren Boxen. Doch der Aufwand ist groß: Schließlich müssen die Kisten auch zurückgeschickt werden.

Lukratives Verpackungsgeschäft

Im Praxiseinsatz sind die Produkte von Heycircle bislang nur im kleinen Maßstab – vor allem für betriebsinterne Abläufe. Die Kleidungshersteller Trigema und Drykorn etwa versenden damit Ware aus dem Lager in einige eigene Läden. Tchibo verschickt intern Kaffeemaschinen zur Reparatur in den Boxen des jungen Unternehmens, das mit zwei Millionen Euro Risikokapital finanziert ist. An Endkunden gehen die Kisten selten – etwa beim Decken-Versender Voited.

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„Größere Unternehmen starten erst einmal in der internen Logistik, weil sie dort ebenfalls große Müllmengen haben“, sagte Heycircle-Sprecherin Andrea Ilsemann. 94 Prozent Abfall und 76 Prozent CO₂-Emission könne bei einer großen Box trotz des Rücktransports und Produktion der Box in Asien eingespart werden, rechnet sie vor. Ab zehnmaliger Verwendung sei eine Box ökologisch vorteilhaft.

Es geht bei Einweg-Kartons auch um ein lukratives Geschäft: Der Markt für Verpackungen insgesamt in der EU ist geschätzte 370 Milliarden Euro groß. Ein echter Wachstumstreiber war dabei in den vergangenen Jahren der boomende Versandhandel. Auch deshalb tobt seit Monaten eine Lobby-Schlacht um die Verpackungsregeln der EU.

Der wahre Hebel beim Umweltschutz liegt ohnehin anderswo: Aus Sicht von Öko-Experten verleitet der Online-Handel mit seinen bunten Websites und unbegrenzten Öffnungszeiten zu oft zu Überkonsum. Unnötig gekaufte Ware ist immer unökologisch – egal in welcher Verpackung.

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