Die Deutschen gehen später in Rente, bekommen aber länger Geld als noch vor 20 Jahren. Das Eintrittsalter stieg laut Rentenversicherung zwischen 2003 und 2023 von durchschnittlich 62,9 Jahre auf 64,4 Jahre. Dafür erhielten Rentner im Vorjahr durchschnittlich 20,5 Jahre lang Altersbezüge. 2003 waren es 16,8 Jahre.
Die gesetzliche Rente ist für viele Menschen also trotz der gestiegenen Altersgrenze attraktiver geworden – der höheren Lebenserwartung sei Dank. Zumal der Beitragssatz in dem Zeitraum von in der Spitze 19,9 Prozent auf 18,6 Prozent gesunken ist.
Dort liegt er nunmehr seit sieben Jahren. Ein Grund war die Zunahme der Beitragszahler. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten kletterte zuletzt auf ein Rekordhoch, hebt Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund hervor.
Das habe sich in den 1980er-Jahren, als Beitragsszenarien von mehr als 30 Prozent die Runde machten, noch niemand vorstellen können. „Wir sollten deshalb auch keine Angst haben vor dem demografischen Wandel. Wir können das gestalten“, sagt Roßbach mit Blick auf die Rentenpläne der Bundesregierung.
Kritiker sehen in der Entwicklung der vergangenen Jahre allerdings keinen Grund zur Freude. Das Plus beim Renteneintrittsalter um 1,5 Jahre seit dem Jahr 2003 reiche nicht aus, um das System nachhaltig zu stabilisieren.
„Dass der Anstieg des tatsächlichen Rentenalters zu schwach ist, zeigt der Vergleich mit der Verlängerung der Rentenlaufzeit“, sagt Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhruniversität Bochum und Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung.
Die ist im gleichen Zeitraum um 3,7 Jahre gestiegen. Er sieht darin ein klares Missverhältnis: Von den zusammen etwas mehr als fünf Jahren werde knapp ein Drittel länger gearbeitet, mehr als zwei Drittel entfielen auf einen längeren Rentenbezug. „Nach den Berechnungen des Sachverständigenrats müsste das Verhältnis aber zwei Drittel längeres Arbeiten und ein Drittel längere Rente sein, um die Effekte steigender Lebenserwartung für die Rentenfinanzen zu neutralisieren“, sagt Werding.
Die Zeit der niedrigen Beiträge neigt sich in jedem Fall dem Ende. Zwischen 2028 und 2035 soll der Beitrag auf mehr als 22 Prozent steigen. Das geht aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Rentenpaket II hervor, durch das sichergestellt werden soll, dass die Höhe der Renten trotz der hohen Zahl an Neurentnern, die vor allem in den nächsten zehn Jahren erwartet werden, weiterhin mit den Löhnen steigen. Ohne diese von Kritikern als sehr großzügig bezeichnete Rentengarantie fiele der Anstieg den Schätzungen zufolge rund einen Prozentpunkt geringer aus.
Bei den Frauen sinkt die Bezugsdauer der Rente
Auffällig an den Zahlen zur Bezugsdauer ist, dass der Durchschnittswert zuletzt auf hohem Niveau stagnierte. Bei Frauen sank die durchschnittliche Rentenbezugsdauer im Vorjahr sogar leicht von 22,2 auf 22,1 Jahre. Bei Männern lag sie wegen der geringeren Lebenserwartung unverändert bei 18,8 Jahren. „Einfluss könnte hier die erhöhte Sterblichkeit aus der Zeit der Corona-Pandemie haben“, teilte die Deutsche Rentenversicherung auf Nachfrage mit.
Auch Werding verweist bei dem Punkt auf die Folgen der Pandemie. Aus seiner Sicht habe das Statistische Bundesamt die Annahmen zum weiteren Anstieg der Lebenserwartung womöglich zu stark gedämpft hat. „Ein rascher Aufholprozess mit Rückkehr auf den früheren Entwicklungspfad ist durchaus denkbar. Das muss man abwarten“, sagt Werding.
Die künftige Belastung für das Rentensystem fiele dann umso höher aus. Wobei das Problem aus seiner Sicht weniger ist, dass Menschen auch in Zukunft älter werden, sondern dass es schon bald so viele Rentner und so wenige Beitragszahler sind.
„Die weitere demografische Alterung ließe sich nur dann abfedern, wenn die Zuwanderung noch weiter steigt und die Arbeitslosenquote noch einmal so stark zurückgehen könnte wie seit 2005“, sagt Werding. Eine noch höhere Zuwanderung sei aber schwierig, ein Sinken der Arbeitslosenquote unter null unmöglich.