Dass es das Risiko durch Geschosse aus dem All gibt, wurde im November deutlich. In Spanien mussten Flugzeuge am Boden bleiben, weil aus dem Weltraum eine chinesische Raketenstufe unkontrolliert abstürzte. Die Trümmer hätten eine Passagiermaschine in der Luft treffen können – mit katastrophalen Folgen.
Es passierte zum Glück nichts. Aber das Risiko wächst, weil die Zahl der Flugzeuge und Satelliten steigt. Daraus entwickelt sich eine Kollisionsgefahr der besonderen Art. International steigt der Druck auf Satellitenbetreiber, ihre Technik wieder aus dem All zu holen, damit der Weltraum nicht noch mehr vermüllt.
So fordert jetzt eine US-Behörde (FCC), dass Satelliten am Ende ihrer Einsatzzeit künftig nicht binnen 25, sondern in fünf Jahren aus dem Orbit verschwinden müssen. Das Aufräumen im All birgt jedoch Gefahren. Bei vielen Satelliten lässt sich nämlich nicht genau vorhersagen, wo sie in die Erdatmosphäre eintreten und zur Absturzgefahr für Flugzeuge werden.
Etwa 5500 Satelliten umkreisen derzeit die Erde – davon allein rund 4000 aus der Internet-Flotte (Starlink) des Unternehmers Elon Musk. Hinzu kommen etwa 2200 Satelliten, die ohne Funktion im All taumeln, teilten Experten auf einer Fachveranstaltung bei München mit.
Das sogenannte Deorbiting, also der gewollte Satellitenabsturz, wird daher immer wichtiger. Ein Zukunftsmarkt, für den es unterschiedliche Ideen zur Problemlösung gibt. So macht jetzt eine deutsch-italienische Firmenkooperation einen besonderen Vorschlag.
Das Münchner Unternehmen HPS will mit aufklappbaren Segeln an Satelliten (Produktname Adeo) für einen schnelleren Abstieg aus dem All sorgen. Die oberen Schichten der Atmosphäre sollen zum Bremsen und Abstieg aus der Umlaufbahn genutzt werden.
Satellitendaten in Echtzeit zur Erde senden
Hinzu kommt ein kleines Elektronikbauteil des Mailänder Unternehmens Aviosonic. Es soll bis zum Verglühen des Satelliten dessen Positionsdaten mithilfe des Satellitennetzwerks Inmarsat in Echtzeit zur Erde senden. Somit können Flugzeuge in der Luft oder Menschen am Boden präzise gewarnt werden.
HPS-Chef Ernst Pfeiffer sieht viele Vorteile in dem Konzept. Sein Segel und die Positionselektronik funktionierten sogar bei toten Satelliten, sagt er. Mit präzisen Bahndaten könnten bereits im All Kollisionen vermieden werden. Die Daten aus dem Weltraum seien genauer als eine Radarüberwachung von der Erde aus.
Für kleine Satelliten bis 250 Kilo wäre das Segel entfaltet etwa fünf Quadratmeter groß und würde zuvor verpackt in einen Würfel mit zehn Zentimeter Kantenlänge passen. Für den ungestörten Blick der Astronomen seien auch transparente Segel möglich.
Weltraumtrümmer gefährden den Flugverkehr
Der Chef des italienischen Unternehmens Aviosonic, Piermarco Martegani, ist selbst Pilot und daher beim Thema Trümmerteile aus dem All sensibilisiert. Kleinere Satelliten verglühen zwar fast vollständig in der Atmosphäre. Aber selbst winzige Teile, die den Feuerritt überstehen, können bei hoher Geschwindigkeit verheerende Folgen haben.
Aviosonic spricht von 300 Gramm Weltraumtrümmer, die einen Flugzeugabsturz auslösen können. Daher sei der Einbau der Alarmtechnik zur Positionsbestimmung der Satelliten (Debris Collision Alert System – DeCAS) so wichtig. Aviosonic spricht von Sicherheitsinformationen für den Flugverkehr.
Beide Unternehmen verweisen darauf, dass ihre Technik bereits im All erprobt wurde. Die Segel-Abbremsidee gibt es schon seit Jahren und bewies in mehreren Projekten ihren Nutzen. Das Münchner Unternehmen HPS sieht sich bei der Technik weltweit als führender Anbieter.
Das deutsch-italienische Bündnis hofft, dass ihre Technik für die Satelliten des neuen europäischen Multimilliardenprogramms Iris 2 für sichere Kommunikation im All ausgewählt wird. Noch ist kein Iris-2-Satellit gestartet, aber irgendwann müssen auch die möglichst rest- und risikolos entsorgt werden.
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