Das Szenario ist heftig: erfrierende Ferkel und Küken, liegengebliebene Traktoren, ungemolkene Kühe. Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat eindringlich vor den Folgen von Gas- und Strommangel gewarnt, falls es doch noch zu einem Zusammenbruch der Gasversorgung aus Russland kommen sollte.
Neben der Forderung, der Ernährungswirtschaft im Notfall Priorität bei Energielieferungen einzuräumen, stellte der Verband noch eine ganze Wunschliste an weiteren Erleichterungen für Bauern vor – von Kredithilfen über die Verschiebung von beschlossenen Öko-Maßnahmen bis zum flexibleren Einsatz von Erntehelfern. Entlarvend ist allerdings aus Sicht von Umweltverbänden, was nicht auf der Liste steht.
Klar ist: Die Blockade der ukrainischen Häfen hat den Weizenpreis gewaltig steigen lassen. Das weckt die Sorge vor Hunger. Anders als die EU versorgen sich Weltregionen in Asien, Afrika und Nahost nicht selbst, sondern sind auf Exporte aus dem Land und Russland angewiesen. Zudem steigen die Preise für Kunstdünger, für dessen Herstellung viel teure Energie nötig ist.
„Wir erwarten eine kritische Versorgungssituation bis nach der Ernte 2023“, sagte der stellvertretende Generalsekretär des Bauernverbands, Udo Hemmerling. „Weiter steigende Preise wird der Verbraucher schon in den kommenden Tagen und Wochen merken.“
Während die Klage über steigende Kosten bei den Bauernvertretern groß ist, ließ der Verband offen, wie stark die Gewinne der Landwirte wegen der überraschend steigenden Weltmarktpreise sprudeln. Schließlich haben sich die Preise für Weizen und Milch wegen der globalen Unsicherheiten gegenüber dem Niveau der Vorjahre verdoppelt – und dürften damit wesentlich stärker zugelegt haben als die Kosten.
Profitieren Landwirte von steigenden Preisen?
„Es kann sein, dass die Landwirte in ein bis zwei Jahren einen deutlich höheren wirtschaftlichen Erfolg haben. Dafür müssen sie aber höhere Risiken eingehen“, räumte Hemmerling auf Nachfrage ein. Wegen dieser Unsicherheit rechne er anders als in anderen Hochpreisphasen nicht mit deutlich steigenden Mengen.
Zudem profitierten einige Landwirte etwa vom Weizenpreis noch nicht, weil sie lang laufende Verträge zum alten Preisniveau eingegangen seien, begründete er die Forderung nach zinslosen Betriebsmittelkrediten.
Er schlug unter anderem vor, die Kartellwächter sollten die Düngemittelproduzenten unter die Lupe nehmen. „Wir haben den Eindruck, dass einige Hersteller schon im Herbst und Winter ihre Produktion zurückgefahren haben, um die hohen Energiepreise für den Zwischenhandel mit Gas zu nutzen“, sagte er.
„Einige der Forderungen haben lange in der Schublade gelegen. Weniger Vorgaben für Saisonarbeiter etwa haben nichts mit der Krise zu tun“, kritisierte Katrin Wenz vom BUND gegenüber WELT.
Dagegen fehlten einige wichtige Punkte. So könne etwa die Milchwirtschaft auf Kraftfutter verzichten, um pflanzliche Nahrung zu sparen. Wegen des hohen Milchpreises dürfte das wirtschaftlich verkraftbar sein.
„Der DBV spricht in seinen Vorschlägen nicht die zu große Anzahl der Nutztiere in Deutschland an. Ein großer Teil des Getreides wird für die Fütterung dieser statt für die direkte menschliche Ernährung genutzt“, kritisierte auch Christine Tölle-Nolting vom Nabu.
Weniger Biosprit aus Lebensmitteln
Auch wäre weniger Biosprit aus Lebensmitteln ein Weg, mehr Nahrungsmittel auf den Weltmarkt zu bringen. Zuletzt hatten die Umweltminister aus Bund und Ländern unisono gefordert, dem Benzin weniger Bioalkohol zuzusetzen. Das wären allerdings Maßnahmen, die die Bauern belasten würden – und die daher nicht auf der DBV-Agenda stehen.
Überhaupt ist fraglich, wie stark der Bauernverband bei der Bundesregierung durchdringt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir twitterte jedenfalls mit Blick auf EU-Vorgaben: „Nicht Klima- & Artenschutz bedrohen die Ernährungssicherung, sondern die Klimakrise & das Artensterben selbst – beides zerstört die Grundlagen der Landwirtschaft.“
Der Grünen-Politiker macht bei den Flächen bislang weniger Zugeständnisse, als die Landwirte erneut forderten. Allerdings unterstützt der Politiker die Idee, dass Brüssel vorübergehend Vorgaben zur Fruchtfolge zurückstellt, sodass öfter Weizen angebaut werden kann.
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