Lieferdienste wurden zuletzt zu einem Fall für den Bundesarbeitsminister. Hubertus Heil (SPD) mischte sich ein in einen Streit zwischen den Fahrradkurieren des Berliner Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas und deren Geschäftsleitung. Die Fahrer fühlen sich unterbezahlt und unfair behandelt.
Zwar haben Lieferdienste für Lebensmittel und Essensbringdienste während der Corona-Pandemie einen Boom erlebt, doch die Fahrer haben davon nicht viel gehabt. „Bei Gorillas gibt es 10,50 Euro Stundenlohn, Lieferando zahlt zehn Euro, aber es kann je nach Stadt bis zu einem Euro zusätzlich geben“, sagt Christoph Schink, Referatsleiter bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).
„Das ist zwar etwas mehr als der Mindestlohn, aber häufig müssen die Fahrer ihr eigenes Fahrrad mitbringen und ihr eigenes Smartphone. Zudem werden Bereitschaftszeiten oder Überstunden teilweise nicht vergütet. Da stellt sich die Frage: Ist das dann noch Mindestlohn?“
Vielleicht belebt neue Konkurrenz das Geschäft – und die Beschäftigten profitieren. Das finnische Unternehmen Wolt liefert seit Ende vergangenen Jahres in Deutschland Essen aus: vorerst in den Großstädten Berlin, Frankfurt, München und Hannover.
Uber Eats, die Food-Delivery-Sparte des US-Fahrdienstes, startete im Mai in Berlin und Frankfurt am Main. Und kürzlich hat das Unternehmen Doordash, einer der größten Essenslieferdienste der USA, Interesse an Deutschland bekundet und Stellen für den deutschen Markt ausgeschrieben.
Auch Delivery Hero hat verkündet, wieder in seinem Heimatmarkt Deutschland aktiv werden zu wollen. Vor mehr als zwei Jahren hat das Berliner Unternehmen sein deutsches Geschäft – bestehend aus Lieferheld, Foodora und Pizza.de – an Takeaway verkauft. Das niederländische Unternehmen ist in Europa und Israel aktiv und war als Mutterkonzern der deutschen Tochter Lieferando nach der Übernahme quasi ein Monopolist auf dem hiesigen Markt.
Delivery Hero, nach eigenen Angaben in 50 Ländern auf vier Kontinenten aktiv, wurde im August 2020 in den Dax aufgenommen. Operativ schwarze Zahlen hat das Unternehmen seit seiner Gründung vor zehn Jahren nie geschrieben. In Berlin soll die Tochter Foodpanda aktiv werden. Nicht nur mit Essenslieferungen, sondern auch mit Lebensmitteln.
Und schließlich könnte es sich das estnische Unternehmen Bolt überlegen, in Deutschland nicht nur E-Scooter zu vermieten, sondern auch Essen auszuliefern wie schon in mehreren anderen Ländern.
Der Markt wird also umkämpfter. Da der Corona-Boom wohl vorbei ist, stellt sich die Frage: Woher soll das weitere Wachstum kommen? Sarah Simon, Analystin bei der Privatbank Berenberg, geht trotzdem davon aus, dass die Deutschen auch künftig mehr Essen nach Haus bestellen werden. „Die Kunden haben wenig Zeit, viele können nicht kochen“, sagt sie.
Übersetzt für die Lieferdienste bedeute das: weiter wachsende Umsätze. Der Analystin zufolge haben Uber Eats und Doordash daher dieselben Schlüsse gezogen wie Delivery Hero: dass der große deutsche Markt reif ist, aufgemischt zu werden. Ob sich die Unternehmen auch höhere Löhne für ihre Fahrer leisten wollen, ist eine andere Frage.
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