WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Wirtschaft
  3. Statt Backwaren: EU-Kommission erwägt Einsatz von Melasse in Biosprit

Wirtschaft Einsatz von Melasse

Biosprit statt Backwaren – aus Brüssel droht jetzt der große Hefe-Engpass

Wirtschaftskorrespondent
Käme Melasse künftig in der Produktion von Biosprit zum Einsatz, könnte das einen Hefe-Engpass nach sich ziehen Käme Melasse künftig in der Produktion von Biosprit zum Einsatz, könnte das einen Hefe-Engpass nach sich ziehen
Käme Melasse künftig in der Produktion von Biosprit zum Einsatz, könnte das einen Hefe-Engpass nach sich ziehen
Quelle: picture alliance / dpa Themendie
Die EU-Kommission überlegt, ob Melasse künftig für die Produktion von Biokraftstoffen eingesetzt werden sollte. Die Hefeindustrie ist entsetzt, denn für sie ist Melasse der wichtigste Rohstoff. Und noch eine andere Branche zittert.
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Anhang IX der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union (EU) bereitet Deutschlands Hefeindustrie derzeit große Sorgen. Geregelt ist in dieser Vorschrift, welche Rohstoffe künftig für die Herstellung von Bioethanol der zweiten Generation infrage kommen. Und aktuell steht auch Melasse auf der Vorab-Liste der nutzbaren Materialien – und damit der wichtigste Grundstoff für die Hefeproduktion.

„Der Weg zu alternativen Rohstoffen im Bereich Biokraftstoff ist sicherlich wichtig“, kommentiert Markus Weck, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Verbands der Hefeindustrie. „Dennoch muss genau geprüft werden, wie die wirtschaftlichen Folgen für das Marktgeschehen und seine Teilnehmer sind.“

Die Branche sieht sich nun von Rohstoffknappheit bedroht. „Für den Fall, dass Melasse tatsächlich in die Liste aufgenommen wird, rechnen wir mit erheblichen Lieferengpässen“, sagt Weck im WELT-Gespräch. Und das wiederum könnte zu Versorgungsengpässen bei Backhefe führen und damit vor allem die Bäckereien treffen, warnt die Industrie. Aber auch andere Branchen nutzen Melasse, allen voran die Hersteller von Tierfutter.

Lesen Sie auch

Melasse ist ein Nebenprodukt der Zuckerherstellung aus Rüben, das nach der Kristallisation übrigbleibt. Der zähflüssige braune Sirup setzt sich zusammen aus pflanzlichen Inhaltsstoffen und Rest-Zucker und ist gilt als optimales Nährmedium für die Hefeorganismen.

Lesen Sie auch

„Zwar gibt es reichlich Versuche mit anderen Rohstoffen, darunter Maisstärke. Keiner davon hat aber ein solch perfekte Symbiose ergeben wie Melasse“, berichtet Weck. Raffinierter Zucker wäre indes eine Alternative. „Das ist aber viel zu teuer und macht die Hefeherstellung unwirtschaftlich.“

Neben der Hefeindustrie protestieren auch andere Branchen gegen die Nutzung von Melasse für die Spritherstellung. Insgesamt zehn europäische Verbände haben sich zusammengeschlossen zur Initiative „Molasses for Food“, was aus dem Englischen übersetzt „Melasse für Lebensmittel“ bedeutet. Engagiert sind unter anderem der Großbäcker-Verband International Association of Plant Bakeries (AIBI), der Verband der Schokoladen-, Keks und Süßwarenindustrie Europas (Caobisco), der Ausschuss der europäischen Zuckernutzer (CIUS) oder auch der Europäische Verband der Futtermittelhersteller FEFAC.

Dass es zu diesem Konflikt kommt, ist durchaus überraschend. Denn die EU-Kommission forciert derzeit die Nutzung neuartiger Biokraftstoffe, weil der Anteil des bisherigen Biosprits bewusst gedeckelt wurde, um den daraus entstandenen Wettbewerb zwischen Lebensmittel- und Kraftstoffherstellern zu vermeiden. Immerhin werden bei der Produktion vielfach Pflanzenteile verwendet, die man auch für die Ernährung nutzen könnte.

Nun aber sollen eher Rest- oder Abfallstoffe zum Einsatz kommen. „Genau diesem Ziel würde aber die Aufnahme von Melasse in den Anhang IX entgegenstehen“, wundert sich Branchenvertreter Weck und spricht von „weitreichenden Folgen, die international spürbar wären“.

„Die Nachfrage der Biokraftstoffhersteller nach Melasse würde sich in Europa deutlich erhöhen. Damit aber steigt die Abhängigkeit von Importen.“ Und Europa sei schon jetzt Nettoimporteur für mehr als ein Drittel seines Bedarfs. Welche Folgen die Abhängigkeit vom Ausland haben kann, sei aber in der Corona-Krise in etlichen Branchen deutlich geworden.

Anzeige

Deutschlands Hersteller von Backhefe brauchen nach Angaben von Wecks Industrieverband rund 120.000 Tonnen Melasse pro Jahr. Erzeugt werden damit von insgesamt fünf Anbietern 130.000 Tonnen Hefe, was den Marktbedarf von etwa 100.000 Tonnen zwar übersteigt. Immerhin 70.000 Tonnen werden aber auch ins Ausland verkauft.

Die Brauereien geben sich derweil gelassen. Zwar ist auch bei der Bier-Herstellung Hefe im Einsatz. Versorgungsprobleme befürchtet der Deutsche Brauer-Bund (DBB) indes nicht. „Während bei der Hefeherstellung, die Hefe das Endprodukt ist und die Hefe Melasse als Futter erhält, um sich zu vermehren, steht bei der Bierbereitung nicht die Vermehrung der Hefe im Vordergrund, sondern die Umwandlung des eigens im Sudhaus erzeugten Futters Würze in Bier durch die Hefe“, erklärt Daniel Schock, der Geschäftsführer Technik und Umwelt beim Brauer-Bund.

Ungeachtet dessen unterstützt auch der europäische Brauerei-Verband Brewers of Europe die Brancheninitiative gegen Melasse im Tank. Eine finale Entscheidung der EU zu Anhang IX wird Weck zufolge im Laufe des Jahres erwartet.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema